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Traumhaft gemeine Frauen

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Illustration: karen-ernst Es fehlte nicht viel, und wir wären zusammen in meinem Bett gelandet. Als sie sich aber an mich drückte, an meinem Hemdkragen zupfte, mich küssen wollte, und ich ihren Atem spüren konnte, sagte ich: „Nein.“ Wir haben uns danach nicht mehr gesehen, aber ich trauere der absichtlich ausgelassenen Chance nicht nach. Wahrscheinlich, weil ich dafür nicht leiden oder kämpfen musste. Weil sie zu nett zu mir war. Was überall als Phänomen in Stein gemeißelt gilt, nämlich, dass Mädchen immer auf die Arschlochtypen reinfallen, lässt sich auch umgekehrt betrachten. Ich zum Beispiel interessiere mich hauptsächlich für fiese und unerreichbare Mädchen. Die sich mit mir in ihr Zimmer zurückziehen, dort zärtlich meine Bauchdecke abschlecken, und dann kalkuliert, wenn es ernst wird und zur Hose kommt, aufstehen. Und sagen, sie müssten wieder zu den anderen gehen. Ich bin verrückt nach denen, die zu meinem brillante Liebestechnik versprechenden Tanzstil sagen, ich hätte lächerlich wie ein Huhn, das verzweifelt mit den Flügeln schlägt, ausgesehen. Mich reizen Mädchen, die mein offenes Bekenntnis, leidenschaftlicher Schuhplattler zu sein, mit einem mitleidigen Blick quittieren. Die auf eine Einladung zum Trinken begeistert reagieren, sie dann aber wortlos verstreichen lassen, und fünf Tage später schreiben, ihr Handy sei kaputt gewesen. Im ersten Moment möchte man die betreffende Person vielleicht in der Hölle sehen, aber sobald das Handy summt und vibriert, wünscht man nur, es wäre sie. Die frühkindlich manifestierte Lust am Leiden Die aber, die angesichts meines eleganten Tanzstils, rhythmisch mit den Knien zu wackeln, in sympathische Begeisterung ausbrechen, jucken mich wenig. Nach meiner Telefonnummer gefragt werden will ich nicht. Zumindest nicht, wenn ich nicht nach mindestens zehnminütigem Zögern die Initiative ergreifen musste, weil die Angebetete mich sonst meines unterwürfigen Aussehens wegen zum Zigarettenholen geschickt hätte. Es ist eine seltsame Mischung aus Passivität und Sehnsucht nach Stärke, die einen nach unergiebigen Handynummern jagen und Charmeoffensiven eines netten Mädchens vor dem eigenen Bett ins Leere laufen lässt. Man kann jetzt mutmaßen, was diese Lust am Leiden manifestiert hat. Kann in frühkindlichen Erinnerungen wühlen, wo das erste Mädchen, dem man zugeneigt war, keinen Kussmund machte, sondern die Zähne zeigte um kraftvoll zuzubeißen. So etwas kann in psychologischer Hinsicht vielleicht prägend sein. Oft lässt sich das Verhalten aber auch mit gekränkter Eitelkeit erklären, mit der Unfähigkeit, schmerzhafte Zurückweisungen für das Ego zu verwinden. Die Angst des Mannes vor der Überquerung der Ziellinie Wenn man ein Ziel vor Augen hat, das unerreichbar ist, werden große Energien freigesetzt. Der Kampfgeist ist das, was einen inspiriert und beflügelt, besonders, solange das Ziel noch in weiter Ferne liegt und man sich die Person, den Sex und alles in den schönsten Farben ausmalen kann. Denn ist die Ziellinie erst einmal überquert, sieht es vielleicht schon wieder ganz anders aus. Natürlich muss man dann nicht zwangsläufig die Lust verlieren. Dafür gibt es genügend Beispiele, sich wälzende Paare auf der grünen Wiese oder im WG-Zimmer nebenan. Meine Freunde sagen immer, ich solle doch nicht so wählerisch sein, und mir meine Ziele niedrig stecken. Einfach das Träumen von Unerreichbaren bleiben lassen. Aber ich fürchte, ich kann da wirklich nicht aus meiner Haut. Ich fürchte, ich werde mir auch in Zukunft oft lieber den Kopf an einer kalten Schulter stoßen, als ihn in einem weit geöffneten Ausschnitt zu versenken.

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