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Das Jugendkondom

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Als die Volksbanken irgendwann in den achtziger Jahren das Jeans-Sparbuch erfanden, war das ein hübscher Marketing-Schachzug – das Sparbuch hatte ungeahnt lässige Jeansoptik, franste am Rand aus und band so Kinder ab sechs Jahre und ihr Taschengeld schön schnell (und nicht selten für immer) ans System. Mit dem Jeans-Sparbuch signalisierte die Bank: Schau her, so easy bist du drin. Das gleiche Signal - easy drin - geht von dem Jugendkondom aus, das die BRAVO als „heißestes Extra des Sommers“, in ihrer aktuellen Ausgabe beilegt und das ebenfalls in Jeansoptik verpackt ist. Ans System bindet sich die Jugend in diesem Fall freilich schon vorher, denn die Beilage ist, so liest man, der Tatsache geschuldet, dass jeder siebte Jugendliche schon mal ungeschützten Sex hatte. Dass diese Unachtsamkeit nun darin begründet ist, dass die Jugendlichen bisher mit Erwachsenenkondomen vorlieb nehmen mussten und keine in Jeansoptik verpackten Jugendkondome in den Drogeriemärkten fanden, scheint allerdings eher eine Rechtfertigung der Marketingabteilung zu sein. Die Firma Durex hat das Jugendkondom „Love“ entwickelt, das genauer gesagt ein „befeuchtetes, transparentes, konturiertes Kondom aus Naturkautschuklatex ohne Spermizid mit Reservoir“ ist und zwar mit „nominaler Breite 52,5 mm“. Erwachsenenkondome trumpfen mit einer nominalen Breite von 54-56 mm auf. Eine Studie der Universität Essen in Zusammenarbeit mit Pro Familia hat dazu wiederum ergeben, dass Standardkondome für einige Heranwachsenden zu breit sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Jugendkondom hat also, ganz wie das Jeans-Sparbuch, auch noch jenseits der Jeansverpackung Qualitäten: Schmaler, irgendwie auf Taille geschnitten und auch mit sehr aufgeregten Fingern noch extraleicht abrollbar ist es und wird sowohl von BRAVO als auch von Durex zusätzlich mit extra ausführlichen Anwendungsanleitungen flankiert. Vernünftig klingt das und fürsorglich, allein, die Praxisakzeptanz über eine Heftbeilage hinaus, scheint fraglich. Wenn der Hersteller sein Produkt damit bewirbt, dass es „den Kleinen fest im Griff“ habe und im nächsten Satz gar von „noch heranwachsenden“ Penissen geredet wird, so scheint die Abschreckung und vor allem die Uncool-Schwelle absichtlich erhöht. Schwer stellt man sich die pubertierende Jungsclique vor, in der einer freimütig bekennt, dass er das kleine Kondom gut gebrauchen kann. Noch unwahrscheinlicher, dass der junge Hans vor dem ersten Mal seiner Gretel im Supermarkt rät: Nimm die kleinen für mich! Und dass sie alleine in Erwartung seiner Unreifheit von selber zu den Nachwuchs-Gummis greift ist auch nicht gerade selbstverständlich. Warum nicht einfach überall kleine, mittlere, große Kondome anbieten? So müssten sich auch die reiferen Erwachsenen, die vielleicht trotz Ausgewachsenheit sämtlicher Gliedmaßen ein kleineres Kondom nicht von der Nachttischkante weisen würden, nicht verschämt ein Jugendkondom kaufen. Schließlich lässt sich ja auch keiner auf ein Jeans-Sparbuch sein Gehalt überweisen (selbst wenn es durchaus nur Taschengelddimensionen hat). Foto: Marcus Holzmayr

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