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Studieren wird anders. Beispiel 3: Der Zorn des Mister Docherty
Ende vergangenen Jahres kündigte Andreas Schleicher, der für die OECD die PISA-Studien koordiniert, eine Art PISA-Studie für die Hochschulen der Industrieländer an, die zur OECD gehören. Endlich soll nachvollziehbar werden, ob und was die Studenten während ihres Studiums lernen. „Kaum umsetzbar“, nörgelten gleich ein paar Gegner in Deutschland; „sehr wohl umsetzbar“, konterte Schleicher. Noch im Januar wollen die OECD-Länder dem Vernehmen nach den Start eines solchen Tests beschließen. Ist es angebracht, das Kosten-Nutzen-Prinzip auch an geisteswissenschaftliche Studiengänge anzulegen? Und den Nutzen dann auch zu testen? In Großbritannien gibt es seit 1997 die Quality Assurance Agency (QAA), deren Aufgabe vor allem darin besteht, den Dozenten an Colleges und Universitäten im ganzen Land auf die Finger zu sehen. An jeder Hochschule sollen bestimmte Qualitätskriterien erfüllt werden. Die Agentur kümmert sich dabei nicht um die Unterrichtsinhalte als vielmehr darum, wie viel vom Unterricht bei den Studenten hängen bleibt. Dozenten haben es deshalb mit viel Papierkram zu tun, weil sie Lernziele samt resultierender Lernerfolge ihrer Studenten notieren müssen. Sie sind so zu den Buchhaltern des Erfolgs ihrer eigenen Lehrmethoden geworden. Ist doch gut, sagen die einen. Ist schlimm, sagt Thomas Docherty, Englisch-Professor an der Universität von Warwick.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Nach eigenen Angaben leidet Docherty unter den Anforderungen der QAA und vergleicht sie mit einer Krebserkrankung, die an den Wurzeln der Bildung nage und zu den größten Gefahren des universitären Systems gehöre. „Die erwarten von mir, dass ich das Ergebnis meiner Lehrtätigkeit vorhersagen kann. Jeder meiner Studenten muss am Ende bestimmte, vorher festgelegte Dinge wissen. Ich will aber nicht, dass meine Studenten vorhersehbar werden! Die sollen mich überraschen. Du weißt vorher nie, was du wirklich gelernt hast, ehe du es nicht selbst entdeckt hast“, erregt sich Docherty. „Die QAA versucht gerade, einen an sich organischen Prozess wie das Lernen zu standardisieren.“ Und genau das will Docherty nicht, weshalb er ein Buch mit dem Titel „The English Question, or Academic Freedoms“ geschrieben hat. Docherty ist der festen Überzeugung, dass Universitäten nicht dazu da sind, die Studenten durch ein formatiertes Studium zu führen. „Universitäten sind dazu da, die Studenten in ihrem Denken zu emanzipieren“, sagt er. „Ich bin schlicht gegen die Ökonomisierung akademischer Bildung.“
Die Antwort der QAA übermittelte deren Chef Peter Williams. Er sagt, dass die QAA noch nie Dozenten gezwungen habe, den Studenten bestimmte Inhalte einzutrichtern. „Jeder hat sein persönliches Hassobjekt. Docherty hat scheinbar die QAA.“
Aber er hat Unterstützer. Mehrere Englisch-Dozenten teilen Dochertys Sicht. Einer unter ihnen ist Peter Barry, Englisch-Professor an der Uni von Aberystwyth. Nach seiner Überzeugung wird die Lehre eher schlechter, wenn Prüfer versuchen, die Qualität in der Breite zu heben. Und der Direktor des Kunstgeschichte-Departments an der Warwick University, Mike Rosenthal sagt:
„Die Ergebnisse sind mir egal, wenn die Studenten denn gelernt haben, ihre Lehrer rauszufordern und wenn sie außerdem gelernt haben, selbstständig zu arbeiten.“
Text: peter-wagner - Foto: Screenshot