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Elternliebe ist eine ganz einmalige, unvergleichliche Art von Liebe

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G wie Glück. Tja. Alles Ansichtssache. Kürzlich, beim Lesen eines Märchens, in dem drei Söhne in die weite Welt aufbrechen, um das Glück zu suchen, fragte ich meine Kinder, was denn für sie selber Glück sei. Nicolas sagte: „Tiere. Und meine Marionetten.“ – „Und für dich, Sophie?“ – „Rosa mit so ein ganz bisschen Glitzer drin.“ Ja, das mit dem Glück ist sehr relativ. Darum erst einmal für alle Nichteltern ein Satz von Sven Regener. Voller Enthusiasmus befragt über das fantastische Los, Kinder zu haben, antwortete der Sänger und Schriftsteller kürzlich trocken: „Meine Kinder sind das Tollste, was ich in meinem Leben kenne, sie geben meinem Leben Freude. Aber das heißt noch lange nicht, dass das für andere auch so sein muss.“ Keiner braucht Kinder, um glücklich zu sein. Ich hatte vorher nie das Gefühl, defizitär durchs Leben zu gehen. Ich kann nur versuchen zu erklären, was plötzlich dazukam: als ob inwendig eine Tür aufgegangen wäre und man bemerkt, dass das Leben viel größer ist als bisher angenommen. Dabei muss klar sein: Elternschaft ist keine nette Rolle zwischendurch, sondern unheimlich viel Arbeit, oft ärgerlich und sehr anstrengend. Die Wäscheberge, das dauernde Kochen, die Zahnpastaschlieren am Schrank, das nervtötende Buhlen der beiden um Aufmerksamkeit. Oder wenn eines der Kinder mal wieder rummotzt und nicht mehr rausfindet aus seinem Grant. Kein Wunder, dass man manchmal feststeckt in einer enormen Müdigkeit wie in zähem, hüfthohem Teig. Genau. Kindererziehen ist Teigzeitarbeit, so kaugummihaft amorph ziehen sich die Tage manchmal hin. So erinnert die Arbeit mit Kindern oft an das Bauen einer Sandburg bei Flut: In immer neuen Wellen gehen die Kinder über die gerade gemachte Ordnung hinweg. Alles zerfließt, man weiß manchmal nicht mehr, wo man selbst aufhört und die Kinder anfangen. Warum nur ist es trotzdem die schönste Erfahrung meines Lebens? Und wie kann es sein, dass diese Liebe teilbar ist, ohne kleiner zu werden, ja dass sie sich anscheinend verdoppeln kann? Ein zweites Kind nimmt dem ersten ja merkwürdigerweise keine Liebe weg, man liebt sie beide wie das eigene Leben. Unverbrüchlich. Ein Leben lang. Bei mir selbst finde ich das noch nicht verwunderlich, Kleinkinder sind nun mal bezaubernd. Aber selbst Linda Carroll, der Mutter von Courtney Love, geht es so. Die Psychologin erzählt in dem Buch „Her Mother’s Daughter“ von der kaputten Beziehung zwischen Courtney und ihr, von Anfang an lief alles schief, die beiden haben sich seit Jahren nicht gesehen. Und doch sagt sie: „Ich würde ihr sofort eine Niere spenden.“ „Coup de foudre“, Blitzschlag, nennen die Franzosen das heftige Anfangsstadium des Verliebtseins. Zum einen, weil es einen elektrisiert und umhaut, zum anderen, weil es eben so plötzlich, wie aus heiterem Himmel, geschieht. Und weil dieses allumfassende Gefühl der symbiotischen Verliebtheit, dieses völlige Durchdrungensein ja meistens auch nicht wesentlich länger dauert, sondern dann übergeht in das, was man Beziehung nennt. Vor einigen Jahren untersuchten britische Forscher mithilfe der Kernspintomografie das Gehirn von Frauen und Männern, während diese an ihre frischen Eroberungen denken sollten. Die Aufnahmen zeigten Hirnaktivitäten, die ein ähnliches Muster aufwiesen wie unter Drogeneinfluss. Der Zustand, in den man durch Liebe versetzt wird, ist fast identisch mit der Rauschwirkung von Kokain oder Heroin. Und sie nimmt, ähnlich wie der Rausch, irgendwann ab. Die Liebe zu den Kindern dagegen ist ein auf Dauer gestellter Coup de foudre, eine Symbiose über Jahre. Eine Affenliebe. Woran liegt das? Gibt es dafür irgendeinen biologischen Grund? Vielleicht hilft ja ein vergleichender Blick in die Tierwelt: Verhaltensforscher haben festgestellt, dass bei männlichen Krallenäffchen das Hormon Prolaktin ausgeschüttet wird, sobald sie Nachwuchs bekommen. Dieses Hormon stimuliert beim weiblichen Säugetier das Wachstum der Milchdrüse und führt zur Milchproduktion nach der Geburt. Außerdem löst Prolaktin Brutpflegeverhalten aus. Als die Forscher daraufhin werdende Väter auf Prolaktin untersuchten, konnten sie eindeutig nachweisen, dass auch bei diesen der Hormonspiegel kurz vor der Geburt deutlich ansteigt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und als Ann Storey, eine Psychologin der Memorial University of Newfoundland, 34 Elternpaaren vor und nach der Geburt mehrmals Blut abnahm, stellte sie fest, dass sich nicht nur bei den Müttern, sondern auch bei den Vätern die Werte für die Hormone Cortisol, Prolaktin und Testosteron änderten. Der Testosteron-Wert sank nach der Geburt um durchschnittlich ein Drittel, und je stärker die Absenkung des Testosteronspiegels ausfiel, desto fürsorglicher benahmen sich die werdenden Väter. Das wäre also eine naturwissenschaftliche Erklärung. Die reicht mir aber nicht. Ein ehemaliger Lehrer von mir, der später zum Freund wurde, drückte es zu Beginn meines Studiums drastisch aus: „Nutz deine Zeit. Wenn du Kinder hast, stecken die dir plötzlich stahlhart alle Koordinaten.“ Ich sah Stahlseile vor mir, gespannt von einer hinterhältigen Kinderbande, und in Gedanken hing ich darin wie ein Häftling, dessen Fluchtversuch elendig gescheitert ist. Der Freundlehrer hat recht. Aber ich würde denselben Sachverhalt anders ausdrücken: Wenn man Kinder hat, ist man plötzlich selbst nicht mehr so wichtig. Und das hat etwas Befreiendes für einen selber. Man erlebt Vergänglichkeit plötzlich als wunderbar ruhiges Gefühl, als würde man sich in eine Kette einreihen. Bis zur Geburt meiner Kinder gipfelte das Leben in mir – was für ein narzisstischer Rechtfertigungsstress! Jetzt bin ich mehr so eine Relaisstation, durch die etwas hindurchgereicht wird, die ruhige Hintergrundstrahlung eines neuen Lebens. Und genau da liegt vielleicht die Besonderheit der Liebe zum Kind: Sie ist ein Gefühl, das einen dazu bringt, von sich selbst abzusehen – anders als die Liebe zum Partner, zur Frau, zum Mann, die ja doch immer irgendwie darauf aus ist, ein gemeinsames, gleichberechtigtes Zusammen zu schaffen. Wenn man Kinder liebt, gibt man einfach nur. Und gibt und gibt und gibt. Und dann ereignet sich natürlich auch noch so etwas wie die eigene Verjüngung, die uns durch Kinder auf einmal möglich wird. Ausgerechnet Immanuel Kant, dieser knochentrockene, kinderlose Single, pries die „Liebenswürdigkeit des Geschöpfs im Zeitraum seiner Entwickelung zur Menschheit“. Die „Spielzeit“, die dem Kind zugestanden werde, sei „die glücklichste unter allen, wobei der Erzieher dadurch, dass er sich selber gleichsam zum Kinde macht, diese Annehmlichkeit nochmals genießt“. Das Nochmalgenießen. Schön gesagt. Dass man alles noch mal erleben darf, Schulanfang und Höhlenbauen am Fluss, die erste Achterbahnfahrt, Radfahrenlernen und Gespensterträume, nur diesmal eben als Zuschauer, Beifahrer, Anschubser, Kuschelmauer. Die Frage nach dem Sinn stellt sich da nicht mehr, der Sinn sitzt die ganze Zeit vor einem, isst Nudeln und erklärt die Welt: „Weißt du, die Blitze sind die Fotos, die der liebe Gott ab und zu von allen Menschen macht.“ Und einen Moment später: „Weißt du, Papa, als die Dinosaurier ausstarben, da mussten sie so weinen, dass ihre Augen Tränen wurden. Und die Augen sahen aus wie Blätter und fielen auf den Boden, und daraus sind dann die Bäume entstanden.“ So was kommt aus Kindern einfach so raus. Beim Nudelessen. Beim Frühstück. Im Bus. Man sitzt selber da und denkt sein hundertfach abgestempeltes Zeug, „mehr Parmesan“ oder „nächste aussteigen“, und dann kommen unvermittelt solche Sätze. Während unser erwachsenes Hirn aufgeräumt ist wie die Datenfestplatte eines Finanzbeamten, stelle ich mir kindliche Neuronenbahnen vor wie einen Haufen endloser Faschingsgirlanden, bunt verschlungene Schleifen, auf denen ihr wildes Denken sich immer neue skurrile Verbindungen zwischen Dinosauriern, Tränen und Bäumen sucht. Was Kinder einem mit all diesen Ideen und Einfällen und Bildern und ihrem ganzen wunderbaren Denken geben können, das kriegt man von keinem anderen Menschen. Und deshalb ist auch die Liebe zum Kind eine ganz einmalige, unvergleichliche Art von Liebe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

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Text: jetzt-redaktion - Foto: dpa

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