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Buchkritik: Cool Britannia - junge britische Literatur

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Wo steht das denn?In der Kurzgeschichte „ Ich kann mich nicht denken hören“ von Richard Beard. Zusammen mit elf anderen Kurzgeschichten von jungen englischen Autoren steht diese in der Anthologie „Cool Britannia: Junge Literatur aus Großbritannien“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Mann, der seine Gedanken nicht hört, steht symptomatisch für die Verlorenheit der meisten in diesem Buch versammelten Figuren. Sein Lieblingsplatz ist der Flughafen Heathrow, hinter den schalldichten Scheiben des Terminals. Dort hofft er still und verzweifelt, unter den vorbeilaufenden Passagieren ein Gesicht zu entdecken, das er kennt. Stundenlang läuft er umher, wird müde, „und da wo ich mir eigentlich Gesichter ansehen sollte, betrachte ich Beine“. Zuhause warten zwei Kinder und seine berufstätige, hochschwangere Frau- seine Familie. Eindringlicher und sprachlich schöner als Richard Beard kann man Entfremdung und Isolation im alltäglichen Leben kaum schildern. Beard ist einer von zwölf Autoren, deren Kurzgeschichten die englische Schriftstellerin A.L. Kennedy in „Cool Britannia: Junge Literatur aus Großbritannien“ zusammengefasst hat. Teils haben junge Schreiber wie William Ryan noch gar nichts veröffentlicht, teils aber haben sie schon- wie Tessa Hadley- Texte im „New Yorker“ untergebracht, oder bereits Romane geschrieben. Man merkt jeder Geschichte einen unterschiedlichen Stil an, mal konventionell und lakonisch erzählt, mal bruchstückhaft und verstörend. Übereinstimmend aber findet sich Sehnsucht in den Geschichten, jenes Gefühl, auf der Suche zu sein. Wobei die Figuren manchmal nicht genau wissen, wonach: Ein junger Mann sammelt täglich Glasscherben am Meeresstrand ein, um sich später bewusst daran zu erinnern- von seinem Leben ist ihm nicht mehr geblieben. Eine Studentin fantasiert sich eine Liebesbeziehung zu ihrem Dozenten zusammen, bis diese gewöhnliche Wirklichkeit wird, und sie wieder Ausflüchte sucht in der Fantasie. Amerika stellt den Traumort vieler Geschichten dar, sei es aufgrund der beschaulichen Vorortkultur oder wegen seiner endlosen Weite. Eine junge Inderin etwa möchte das beklemmend enge England verlassen, ein tschechischer Regisseur dagegen vergöttert das provinzielle Glück in amerikanischen Vororten. Er hat genug „ von den europäischen Schlampen, die zu gewieft sind, um schlicht zu sein, zu gewieft, um glücklich zu sein“. „Cool Britannia“ bietet keine abgeschlossene Handlung, die Kurzgeschichten laufen alle ohne ein ersichtlich positives Ende aus. Man könnte dem Buch gerade die überwiegende Desillusion vorwerfen, die sich aus den diffusen literarischen Gefühlsandeutungen in den Geschichten ergibt. Man könnte einwenden, dass solche Texte „über die Befindlichkeit einer jungen Generation“, etwa über ihr spezielles Problem mit der Liebe, nichts unbedingt Neues sind. Man kann sich aber auch freuen, wie schön das Meiste zu Leben und Liebe auf den Punkt gebracht wird, und dass man gewieft genug ist, es zu verstehen. Steht im Bücherregal zwischen: „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“ von Raymond Carver, dem Meister der Kurzgeschichte, und – als komischer Ausgleich- „High Fidelity“ von Nick Hornby.

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