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Ist 2003 das neue 2012?

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Angestrichen:
It's Thursday night in east London. The Alibi, a dive bar made entirely of chipboard, is brimming with kids dancing to unsociably loud music. If you've been taking notes on 2012 you might expect them to be listening to intelligent house, revivalist jungle or some other strain of dance music without choruses. As it turns out, everyone is losing their shit to Maxïmo Park. Recently, London's trendy types have started to mythologise guitar music again. Specifically guitar music made between 2002 and 2007.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ost-Londoner Hipster feiern derzeit zu Indie-Songs aus den Nullerjahren.

Wo steht das:
In dem Artikel "East London hipsters are partying like it's 2003" in der britischen Tageszeitung "The Guardian". Darin macht sich der Autor Sam Wolfson Sorgen, dass junge Bands von heute unter der "Nostalgie" der dortigen Hipster leiden, die zur Zeit am liebsten zu Musik aus den Jahren 2002 bis 2007 feiern.

Und was soll das Ganze?
In der Londoner Kellerbar "The Alibi" tanzen Hipster nicht etwa zu aktueller Musik. Die Gäste dort stehen auf ältere Jahrgänge. Aber nicht auf die Fifites oder Eighties, sondern auf Indie-Rock aus den Nullerjahren, genauer aus den Jahrgängen 2002 bis 2007. Auf Futureheads, Hot Hot Heat und Maxïmo Park. Um eben diese Beobachtung dreht sich der Artikel von Sam Wolfson.  

Was soll das schon wieder, will man gleich einwerfen. Soll das eine neue Art von Nostalgie sein? Oder doch bloß eine neue Hipster-Masche? Dass man nicht jeden Trend mitmacht und die Charts rauf- und runterhört, ist ja kein schlechtes Zeichen. Natürlich kennt man Leute, die mit großer Leidenschaft und gerne ausschließlich Elvis Presley oder die Beatles hören. Nostalgie nach den vergangenen paar Jahren dagegen ist neu.  

Was hat es auf sich mit diesem 2003-Revival? Wolfson zitiert in seinem Text Zoë Jenkin, die im "The Alibi" Indie-Events veranstaltet: "Ich kenne Leute, die ihre echte Begeisterung verstecken, indem sie vorgeben, dass ihnen etwas nur ‚ironisch’ gefällt. Aber alle stehen sie auf der Tanzfläche, wenn Hot Hot Heat gespielt wird." Vielleicht ist es doch mehr als eine vorübergehende Masche?  

Fred Macpherson, der Lead-Sänger der Indie-Band Spector, hat schon bei den Indie-Rockern von Les Incompétents mitgemischt, die von 2004 bis 2006 Songs veröffentlicht haben. Der "Guardian" zitiert ihn: "Es ist natürlich bittersüß, wenn man realisiert, dass die meisten seiner Lieblings-Songs fast zehn Jahre alt sind." Das scheint aber nicht weiter zu stören. "Cut me and I bleed White Stripes seven-inches", so das Statement des Sängers. Auch das Indie-Kollektiv "The Dalston Set" (laut Guardian-Autor Sam Wolfson die selbstverliebtesten Hipster in London), das aus den Bands und Musikern The Libertines, The Others, Queens of Noize und Johnny Borrell besteht, soll von der Nostalgie nach der jungen Vergangenheit befallen sein.  

So ganz lässt sich die neue Begeisterung für 2003 nicht erklären, Wolfsons Kritikpunkt ist aber sicher nicht haltbar. Wie soll die Leidenschaft für den Indie-Rock der Nullerjahre schlecht sein? Wie könnte sie ein Nachteil für Indie-Bands von heute sein? Sehnsucht nach früheren Zeiten gibt es überall, nicht nur in der Musik, sondern in allen Kulturdisziplinen und nicht zuletzt in der Mode. Trotzdem hat das keinen Einfluss auf den Erfolg von Künstlern, Musikern oder Designern von heute. Das sieht auch Macpherson so, der In Wolfsons Text noch einmal zitiert wird: "Ich würde nicht sagen, dass sich Nostalgie etabliert hat, sie füllt nur eine Lücke in bestimmten Situationen. Wenn ich will, dass der Raum kocht, weiß ich, dass The Rat oder Hard To Explain besser funktionieren als die meisten Indie-Songs, die in diesem Jahr erschienen sind." Und dagegen kann man jetzt wirklich nichts sagen.


Text: kathrin-hollmer - Foto: David-Dieschburg/photocase.com

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