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Keine Unschuld vom Lande

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Angestrichen: Auf der Straße sein. In der Bande sein. Jahrelang haben wir Jungs nichts anderes gewollt. Ich erinnere mich weder an Verwandte noch an Videospiele oder Fernsehsendungen. Es gab nur die Straße, unbekannte Gesetze und arrogante Gestalten. Und es gab uns, die wir bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig galten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wo steht das denn? In „Die Unschuldigen“, dem aktuellen Comic des italienischen Zeichners und Autoren Gipi. Die Geschichte funktioniert wie ein klassischer Roadmovie. Der junge Andrea fährt mit seinem Onkel Giuliano im Auto durch eine verhangene und düstere italienische Küstenlandschaft. Eigentlich waren die beiden auf dem Weg zu einem Vergnügungspark, aber Andreas Onkel entscheidet sich spontan anders: Er will einen alten Freund treffen, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde. Auf der langen und eintönigen Fahrt erfährt Andrea von der Jugendzeit des Onkels, von Dingen, die er vorher noch nie gehört hat. Vom Banden-Dasein auf der Straße, von krummen Dingern, die wohl irgendwie dazu gehören und eben von Giulianos Freund Valerio. Dieser ist so was wie der ruhige Pol der Clique, bis er eines Tages in Fänge zweier korrupter Polizisten gerät, die mehr daran interessiert sind, Leute grundlos zu schikanieren, als ihren eigentlichen Job zu machen. Unter einem Vorwand wird Valerio eine Nacht auf der Wache eingebuchtet. Er verlässt sie seltsam verwandelt. Mit einem Schnappmesser bewaffnet reagiert er laut und aggressiv auf sein Umfeld. Als die beiden Polizisten Valerio mal wieder in Gewahrsam nehmen wollen, brennen bei ihm alle Sicherungen durch. Was folgt sind 12 Jahre Knast wegen Körperverletzung und ein brennendes Verlangen nach Rache, bei der jetzt Giuliano helfen soll. Trotz der wenigen Seiten lässt sich Gipi viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen. Neben den Panels, die den Onkel und seinen Neffen im Auto zeigen, tauchen immer wieder aquarellisierte Landschaftsbilder auf, die ganz und gar nicht ins gängige Italien-Klischee passen. Trübe und verwaschen wirken die Gegenden am Meer und tragen ihren Teil zur dicht erzählten Geschichte bei. Gipis Zeichenstil ist dabei schemenhaft und pointiert zu gleichen Teilen. Und damit mindestens genauso interessant wie seine Figuren. Der Comickünstler, der nebenher auch als Regisseur tätig ist, schafft es wunderbar, klassische Filmelemente in seinen Comic zu adaptieren – so sind die Rückblicke in die jugendliche Vergangenheit von Giuliano skizzenhaft und ganz ohne Farbe gezeichnet. “Die Unschuldigen“ handelt von den Schwierigkeiten, seine Platz in der Welt zu finden, wenn die Welt nicht gerade nett zu dir ist. Unterschwellig geht darum, welche Hürden die Gesellschaft errichten kann und dass Begriffe wie Schuld und Unschuld nicht immer klar voneinander zu trennen sind. Gipi weiß wovon er schreibt: Trotz gutem Elternhaus verbringt er als Teenager viel Zeit auf der Straße und kommt mit 21 sogar kurz ins Gefängnis. Heute zeichnet er für "La Repubblica" , dreht Kurzfilme und wird wegen ungewöhnlichen Erscheinungen wie „Die Unschuldigen“ in der gesamten Comic-Welt geschätzt. Er hat seinen Platz gefunden. Steht im Bücherregal zwischen: „Wir sind Gefangene“ von Oskar Maria Graf und „Der Fänger im Roggen“ von Jerome D. Salinger

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