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Lehrer bewerten ist in Ordnung

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Angestrichen: Die Bewertungen stellen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt. Konkrete Beeinträchtigungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Äußerungen sind weder schmähend noch der Form nach beleidigend. Dass die Bewertungen anonym abgegeben werden, macht sie nicht unzulässig, weil das Recht auf Meinungsfreiheit nicht an die Zuordnung der Äußerung an ein bestimmtes Individuum gebunden ist. Die Meinungsfreiheit umfasst grundsätzlich das Recht, das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen. Wo steht das? In Mitteilung Nr. 137/2009 des Bundesgerichtshof Karlsruhe. Titel: „Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit einer Lehrerbewertung im Internet“ Das heißt? Über spickmich.de wurde seit Gründung der Seite Anfang 2007 immer wieder gestritten. Ist es in Ordnung, wenn Schüler anonym ihre Lehrer im Internet bewerten?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine Deutschlehrerin aus Nordrhein-Westfalen wurde im Sommer 2007 erstmals zur Stimme von vielen Lehrern in Deutschland, die sich durch das, was da im Internet seinen Anfang genommen hatte persönlich beleidigt fühlten. Besonders Lehrer, die von ihren Schülern schlecht benotet werden, fühlen sich unwohl beim Gedanken an ihre Onlinepräsenz. Name und Schule und eben die Wertung der eigenen Leistung sind auf der Website grundsätzlich allen Menschen zugänglich. Die Deutschlehrerin aus Nordrhein-Westfalen hatte einen Schnitt von 4,3 nach der Bewertung ihrer Schüler (Kriterien sind etwa "cool und witzig", "beliebt" oder "guter Unterricht"). Nicht besonders gut. Sie fühlte sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte und scheiterte in zwei Instanzen gegen die Spickmich-Macher. Jetzt sollte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in der Revision sagen, was Sache ist. Das Urteil hörten nicht nur die drei in Hemd und Jeans erschienenen Spickmich-Chefs Tino Keller, Philipp Weidenhiller und Manuel Weisbrod mit Interesse (unten im Bild von links). Auch viele andere Portalbetreiber, die es mit Bewertungen zu tun haben, lauschten Richtung Karlsruhe. Darf man zum Beispiel Ärzte online beurteilen (so wie es eine Krankenkasse gerade plant)? Hotels? Professoren? Es gab dann am Dienstagnachmittag ein Urteil, dem die oben angestrichene Passage entnommen ist. „Die Äußerungen sind weder schmähend noch beleidigend“ heißt es darin und die Lehrerin hatte verloren. Für spickmich.de ergibt sich daraus so etwas wie eine Bestandsgarantie, was Tino Keller zu einem Guido Westerwelle-mäßigen Satz veranlasste, den er zu spiegel.de sagte: „Es ist ein guter Tag für Deutschlands Schüler - und ein guter Tag für die Meinungsfreiheit.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die große Grundsatzentscheidung war das Urteil aber nicht. Wo hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen? Wo fängt der Schutz der Persönlichkeit an? Der BGH will diese Frage nur für den vorliegenden Fall regeln. Beide Werte müssten für jeden Fall, für jedes Portal frisch abgewogen werden. Heribert Prantl leitet die Innenpolitik-Redaktion der Süddeutschen Zeitung und das Urteil bringt ihn unter anderem zu diesem Schluss: „Eine Bewertung von Lehrern, Ärzten, Journalisten, Professoren und Automechanikern im Internet ist in Ordnung, auch wenn es denen nicht gefällt. Wenn aber die weiten Grenzen des Erlaubten überschritten werden, muss das Recht auf den Rechtsverletzer zugreifen können. Das heißt: Entweder es muss dessen Anonymität geknackt werden können - oder aber der Betreiber des Internet-Forums muss in Haftung genommen werden. Internet ist große Freiheit. Aber Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht.“ Hier der Link zum kompletten Kommentar in der SZ. Die Diskussion über das Für und Wider von Seiten wie spickmich.de hat das BGH freilich nicht beendet. Gleich nachdem das Urteil zum Beispiel auf sueddeutsche.de veröffentlicht wurde, fanden sich unter dem entsprechenden Text applaudierende und kopfschüttelnde Menschen zusammen. Ein Leser schreibt: "Es ist schon witzig, da verteilt diese Lehrerin 100fach im Jahr Noten an Schüler, die diese dann später auch veröffentlichen müssen um einen Job oder Studienplatz zu bekommen aber wenn sie selbst benotet wird ist das ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte." Und ein anderer entgegnet: "Hoffentlich findet sich jetzt auch ein Findiger, der ein Portal ins Leben ruft, in dem Lehrer die Schüler bewerten können. Gleiches Recht für alle."

Text: peter-wagner - Foto: ddp, dpa

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