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LOL! Zwei Jungs bauen einen Filter für Deppen-Geschreibsel im Web

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Angestrichen: Anfangs war das Internet ein Ort, an dem man mit klugen Leuten kommunizieren konnte. Dann aber begann der ewige September und wir sind im Lärm des Internet untergegangen. Wo steht das? Auf der Webseite www.stupidfilter.org

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hä? Was soll das? Wer macht das? Zwei Herren namens Gabriel Ortiz und Paul Starr können den Blödsinn nicht mehr ertragen, der im Internet in Kommentaren, Foren- und Gästebucheinträgen steht. „Wir haben schon viel zu lange im Stillen unter der Tyrannei der Idioten gelitten“, schreiben sie auf der Homepage. Und kündigen nun den Gegenschlag an. Beide entwickeln einen Open Source Blödsinnsfilter, den StupidFilter, mit dem dereinst Kommentare wie „nice ringtone~! LOL~! loooooooool~!“ oder „omg too cute!!!!!!!!!“ von Webseiten verbannt werden können sollen. Bislang haben Ortiz und Starr mehr als 225 000 (englische) Kommentare dieser oder ähnlicher Natur aus dem Netz geborgen, vornehmlich von YouTube. Jetzt unterziehen sie die Fundstücke einer Bewertung. Ein leichter Fall von Netzverseuchung liegt nach Angaben der beiden Programmierer vor, wenn in einem Kommentar keine Interpunktion verwendet wird. Note eins auf einer Skala bis fünf. Von einem heiklen Fall muss man sprechen, wenn die Nachricht nur aus Wortkürzeln besteht, wie sie etwa in SMS auftauchen. Note fünf auf derselben Skala.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Per Zufallsgenerator kann man sich auf stupidfilter.com Beispiele von geschriebener Netz-Doofheit anschauen. Die sind dann von einem Moderator bereits hinsichtlich ihrer Doofheit benotet worden. Ortiz und Starr lassen sich gerne elitäres Gehabe vorwerfen, wenn sie mit ihrem Filter versuchen, einen Umgang herzustellen, der zu Anfangszeiten der Internetkommunikation herrschte. Beide berufen sich auf eine Zeit vor dem September des Jahres 1993, als das Internet noch Usenet hieß und sich an US-Universitäten mehr und mehr ausbreitete. Glaubt man dem entsprechenden Wkipedia-Eintrag zum „Eternal September“, wurden jedes Jahr im September neue Studenten ins Usenet aufgenommen und eingewiesen. Die Netzgemeinschaft entwickelte sich wie ein Buchclub. Man empfahl sich, man schätzte sich, der Umgang war angeblich salon-artig. Dann aber kam der September 1993 und AOL machte das Web allen Menschen in Amerika zugänglich. Aus dem Usenet wurde Internet, aus exklusiv wurde öffentlich und mit der steigenden Zahl an Nutzern sank das Niveau von Sprache und Umgangsform. So zumindest empfinden es Starr und Ortiz. Jetzt wollen sie die Entwicklung stoppen. Oder zumindest zum Nachdenken aufrufen. „Ab einem bestimmten Punkt kann man nicht mehr filtern, da ist das Ganze eine subjektive Angelegenheit“, schreiben die beiden, deren „Toleranz ein Ende hat“. Sie bringen ihr Programmier-Knowhow gegen geschriebenes Web-Tralala in Stellung und ernten damit Lob. Von "tapferen Rittern gegen die unsägliche Dämlichkeit im Internet" schreibt etwa Telepolis und freut sich bereits auf einen neuen Kulturadel im Internet. Ein Adel, der sich auf Punkte und Kommata und Klein- und Großschreibung versteht.

Text: peter-wagner - Screenshots: pw

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