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Punk sein ist auch keine Lösung

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Angestrichen
"Das Leben kann auch daraus bestehen, dass man sich täglich besäuft und bekifft und Nietzsche liest. Diese Möglichkeit hat man heutzutage dezidiert nicht. Wenn man nicht in diesem irrsinnigen, immer schneller laufenden ökonomischen Betrieb irgendeine Art von Engagement zeigt, dann ist man nicht vorhanden. (...) Ich sehe den Trend zum angepassten Hosenscheißer."

Wo steht das?
In einem Interview des österreichischen Paroli-Magazins mit dem Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Der ist zwar Mitbegründer des Instituts für Jugendforschung, scheint die aktuelle junge Generation aber trotzdem ziemlich blöd zu finden.

Was genau sagt Heinzlmaier denn?
Kurzgefasst: dass früher alles besser war. Man konnte frei leben, niemand schrieb einem was vor und alle waren viel weniger angepasst. Er sagt aber auch, dass er der heutigen Generation für ihr Verhalten keinen Vorwurf machen kann. Schließlich seien wir alle geprägt von äußeren Einflüssen und die seien momentan nun mal sehr einheitlich und langweilig.

Und hat er damit so Unrecht?
Unabhängig davon, ob Heinzlmaier vielleicht wirklich einen soziologischen Trend aufgetan hat und wir alle karrieregeile Weicheier sind - diese ständigen Generations-Generalisierungstexte nerven einfach. Auch in der Welt hat sich gerade der 29-jährige Oliver Jeges darüber ausgelassen, wie öde und unentschlossen seine Alterskollegen, die "Generation Maybe", sind. Unter anderem schreibt er: "Wir wollen Lebenskünstler sein und denken wie Beamte. Wir verwalten das Erbe unserer Eltern und Großeltern. Ein postmodernes "Anything goes!" hat uns überrumpelt, und jetzt wissen wir nicht mehr weiter. Wir haben uns in eine Mentalität des Entweder-oder verrannt." Die bizarre Wortkombination "Generation Maybe" schlägt einem welt.de übrigens als erstes vor, wenn man "G-E-N-E-R-A-T-I-O-N" ins Suchfenster eintippt. Kein Wunder, dass unter dem Text zahlreiche Leute kommentieren, wie recht der Autor doch hat und dass früher tatsächlich alles wilder und aufregender war.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Mehr Punktum als Rettung unserer Generation? Oder vielleicht einfach weniger Pauschalisierungen?

Das wirklich Bemerkenswerte an beiden Texten sind die Lösungsvorschläge, mit denen die Autoren die Jugend retten wollen: Während Heinzlmaier eine anständige "Verpunkung" fordert ("also dass wir uns mit Hunden irgendwo auf die Straße setzen und Bier trinken und das Leben an uns vorbeiziehen lassen"), empfiehlt der Springer-Mitarbeiter Jeges: "Der Mut zur Entscheidung ist wieder gefragt. Auch wenn das manchmal unangenehm ist." Also was denn nun? Nichts entscheiden und mal plätschern lassen? Oder endlich mal entscheiden und Geradlinigkeit beweisen?

Das überführt doch bereits, worin das Kernproblem aller "So ist die Jugend"-Texte ist: "Die Jugend generell" gibt es nicht. Auch unter unseren Eltern und Großeltern gab es öde, angepasste Menschen, deren Hauptbeschäftigung das Feilen am eigenen Lebenslauf war. Und auch dort gab es wie heute Menschen, die Politik machen, in Hungerstreiks treten oder in Kommunen leben. 

Während man bei einem Jugendforscher, der 20 bis 30 Jahre älter ist als die von ihm beschriebene Generation, derartige Entgleisungen irgendwie noch drollig finden kann (Frage an Heinzlmaier: Wie lange wollen sie noch als Jugendforscher aktiv sein? Anwort: "Ich hasse das Aktiv-Sein. Aber meine finanzielle Situation erlaubt es mir nicht anders."), bleiben bei Ende-20-Jährigen mit solchen Ansichten noch mehr Bauchschmerzen zurück. Denn so wird es vermutlich nie aufhören, dass in 20 Jahren Jugendforscher ihre Generation mit der aktuellen Jugend vergleichen und deren Mängel pauschalisieren. Irgendwer muss diese Texte ja schreiben.

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