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Wie repariert man Amerika?

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"Zu glauben, man könnte das Problem der Jugendarbeitslosigkeit lösen, indem man jungen Unternehmern billiges Kapital zugänglich macht, ist total falsch und eine Ablenkung von dem, was eigentlich die Priorität sein sollte: Die Sparpolitik zu beenden, die die Aussichten auf Jobs und Bildung dezimiert hat."

Wo steht das denn?

In einem Text mit dem Titel „The latest Occupy impostors“ (Die neuesten Occupy-Hochstapler), der am Mittwoch in dem US-Onlinemagazin salon.com erschien.

Worum geht es da?

Die Autoren kritisieren darin zwei Kampagnen, die glauben, eine Lösung für das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den USA gefunden zu haben und Firmengründungen und Unternehmertum als Heilmittel predigen. Vordergründig geht es also um einen Ausweg aus der Krise. Aber auch um das Erbe der Occupy-Bewegung, den American Dream überhaupt und die Vorstellung, die unsere Generation von ihrem zukünftigen Arbeitsleben hat.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Scott Gerber, Autor und selbsternannter Amerika-Retter 

Im Mittelpunkt der Debatte steht ein junger Unternehmer, der seit einiger Zeit seine sehr amerikanischen Idee à la „Jeder ist seines Glückes Schmied“ propagiert. „Fix Young America“ heißen die Kampagne und das gleichnamige Buch, das am Mittwoch in den USA erschienen ist. Der Mann dahinter ist Scott Gerber. Er kann mit seinen 28 Jahren schon mehr beeindruckend klingende Sachen in seinen Lebenslauf schreiben als manch anderer in seinem ganzen Berufsleben. Autor des Buchs „Never get a real job“, Unternehmer, Kolumnist für, Obacht: TIME, MSN, CNBC, CNN, Mashable, The Next Web, Huffington Post. Und nun ist er also ausgezogen, seine Generation zu retten.

Mit einer Non-Profit-Organisation „Young Entrepeneur Council“, natürlich auch gegründet von Mr. Gerber himself, hat er Unterstützer für die Jugend gesucht. Mit ihren Ideen und Visionen sollten sie dazu beitragen, Gerbers Generationskollegen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Mehr noch, sie sollen andere Menschen anstecken, sodass eine Art gemeinsame Stimme der Jungen entstehen kann, eine Mischung aus Lobbygruppe und einer Bewegung, die ihre Ideen auf die große politische und wirtschaftliche Agenda setzt. Klingt ja auch irgendwie logisch: Für die amerikanischen Waffenfreunde gibt es die NRA, warum sollen die jungen Opfer der Wirtschaftskrise nicht auch ihre Unterstützer haben?

Das Young Entrepeneur Council, sagt Gerber in einem Video, habe mit zehntausenden jungen Leuten, mit Institutionen und Organisationen zusammengearbeitet und Lösungen gefunden, die funktionieren. Diese Lösungen zu verbreiten, das sei jetzt die Aufgabe:

Auf dem Buchcover von Fix Young America ist ein Baby mit Schraubenschlüssel und Smartphone zu sehen. Das zeigt schon, wo die Schwerpunkte in Gerbers Rezept liegen. Ein bisschen Do-it-Yourself, dazu ganz viel American Dream, also der Glaube, mit Fleiß und Willen alles, aber auch alles erreichen zu können. Neu ist die Technik als neue Wunderzutat und Heilmittel für den Arbeitsmarkt. Start-Ups sollen sie gründen, die jungen Amerikaner, auf dass eine Armee neuer Zuckerbergs Wohlstand und Arbeitsplätze über das Land bringe. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gerber und seine "Fix Young America"-Kampagne sind nicht die einzigen Initiativen mit einer technisch-unternehmerischen Vision. Die "Campaign for Young America" zum Beispiel zielt in dieselbe Richtung. Die New York Times nahm die Entstehung solcher Gruppen zum Anlass, die beiden Bewegungen zu den "jüngeren Geschwistern von Occupy Wall Street" zu erklären, mit einer klareren Führung und Zielsetzung: Den jungen Amerikanern Jobs zu verschaffen.

 

Genau dagegen wehren sich nun die Autoren des Magazins Salon.com. Es sei falsch, Unternehmertum als Lösung zu promoten. Die Probleme ließen sich nicht durch "technologische Hexerei" lösen und genauso wenig, indem man in jedem jungen Amerikaner die Freude zur Risikobereitschaft herauskitzelt und ihn ermutigt, sich wagemutig in das Abenteuer Firmengründung zu stürzen. Der Technik-Sektor sei ohnehin kein Allheilmittel, seine Tauglichkeit zum Jobmotor weit Überschätzt.

 

Neben diesen ganz pragmatischen Argumenten gibt es noch eine zweite Ebene in dieser Diskussion, die sowohl Gerber und seine Visionäre außer Acht lassen, als auch deren Kritiker. Muss man nicht auch fragen, was überhaupt erstrebenswert ist, für jeden einzelnen? Nicht jeder Mensch ist zum Selfmade-Man geboren. Manche von uns sind nun mal einfach besser in einem ganz herkömmlichen 9-to-5-Job aufgehoben. Nicht jeder will seine Arbeit zu seinem alles andere bestimmenden Lebensinhalt machen, wie es zwangsläufig der Fall ist, wenn man selbst ein Unternehmen gründet. Die Metapher des American Dream besagt, dass jeder es schaffen kann. Dass jeder nach oben kommen kann. Dass er dazu sein eigener Boss sein muss, davon war nie die Rede.

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