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Sido, ärgere dich nicht

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Ein Gespräch über Rückschläge, bei einer Partie "Mensch, ärgere Dich nicht". Sonderregel: Schmeißt der Reporter eine Figur des Interviewten, darf er eine unangenehme Frage stellen. Umgekehrt darf der schamlos bewerben, was er will, wenn er es schafft, eine Figur des Reporters zu schmeißen.

Ein Backstageraum in Trier. Karg. Niedriger Besuchertisch, niedrige Couch, auf der Sido abwechselnd sitzt oder spätrömisch fläzt. "Dir ist hoffentlich klar, dass ich dich fertigmachen werde", sagt er. "Ist kein Problem, wenn er mitspielt, oder?", sagt er auch noch. Es ist eher keine Frage. "Er" ist der Fernsehmoderator Mitja Lafere. Er fährt Sido herum, weil der keinen Führerschein hat. Zwei gegen einen! Los also – mit der ersten Sechs bei Sidos zweitem Wurf.

Wie gehst du mit Rückschlägen um?
Ich bin niedergeschlagen. Manchmal auch sehr. Aber nie lange. Ich rapple mich schnell auf und versuche, eine Lehre draus zu ziehen.

Zum Beispiel?
Nimm mein letztes Album. Das war für meine Verhältnisse ein ziemlicher Flop.

Wir sprechen von "Aggro Berlin"?
Ja. Das Teil davor war noch rougher, härter. Und dann kam eine Single wie "Hey Du!". Das war zu früh. Und der Imagewechsel zu abrupt. Solche Gedanken mache ich mir dann: Wo ist der Fehler? Auch bei mir? Und da komme ich dann meiner Meinung nach sehr schnell auf vernünftige Schlüsse.

Welche in dem Fall?
Ich habe mich zu sehr beeinflussen lassen von dem, was um mich passiert ist. Ich war neu bei Universal und wollte herausfinden, ob das stimmt, was man sich von Major-Labels so erzählt. Also habe ich gesagt: "Ich will das Album in L.A. aufnehmen. Da gibt’s ein krasses Studio und ’ne krasse Hütte." Einen Monat später war ich dort.

Und?
Ich hab das Studio zweimal betreten. Den Rest haben wir in dem Haus aufgenommen. Und das meiste davon später wieder weggeschmissen – weil’s zu hochtrabend war. Schon ein paarmal hat Sido gehofft, eine Figur schlagen zu können. Als es ihm gelingt, verlässt seinen Körper ein Geräusch wie von einer startenden Kreissäge: Wäääääärbung, jetzt! Und zwar für meinen Freund hier: MC M. Deutschlands erster Fitness-Rapper. Das ist der neue Trend, sag ich euch: Raps über Muskeln und Zirkeltraining. Wir produzieren gerade sein Debütalbum. So, Werbung gemacht. "Kommt bald!", musst du schreiben.

Kannst du gut verlieren?
Bei so etwas schon. Bei Sportkram nicht so. Und beim Pokern – auwei, Alter!

Hast du ein Pokerface? Nicht ganz, gell?
Mir wird immer gesagt, ich hätte keines. Vor allem von Leuten, die mit meinem Geld weggehen und dafür gute Ratschläge dalassen. (lacht)

Wer über die Jahre deine Konzerte verfolgt hat, bekommt das Gefühl: Der Typ hat von Anfang an gecheckt, was er da tut. Auch in den rüpeligeren Zeiten.
Das habe ich auch. Nicht im geschäftlichen Sinne. Aber künstlerisch wusste ich immer, was ich tue, weil ich wusste, was ich will.

Zack! Auch ich schlage endlich eine Figur.

"Arbeitslose sind größtenteils nur zu faul", hast du mal gesagt. Siehst du das noch so?
Man kann natürlich nicht alle über einen Kamm scheren. Wenn ich aber von meinen begrenzten Erfahrungswerten ausgehe, dann ist das so. Und diese Einstellung nervt mich. Ich hab’s auch nur geschafft, weil ich fleißig war.

Hat sich die Art verändert, wie Leute von früher mit dir umgehen?
Wann früher?

Die ausm Block.
Da kenne ich kaum noch jemanden, ehrlich gesagt. Viele haben mir das Gefühl vermittelt, ich würde ihnen etwas schulden. Aber das ist genau dieser faule Gedanke. Ich habe wirklich versucht, einigen zu helfen. Ich habe eine Plattenfirma gegründet und ihnen gesagt: "Hier, macht Musik, ich bring sie raus." Aber die meisten wollten sich einfach ins gemachte Nest setzen und dachten: "Sido regelt das jetzt alles für uns." Aber so geht das eben nicht. Du musst arbeiten. Du musst fleißig sein. Arbeit ist wichtig!

Gibt’s den Jugendschwur zwischen dir und B-Tight wirklich: Jeder gibt dem anderen immer die Hälfte von dem, was er verdient?
Den gab’s wirklich. Aber du kannst dir sicher vorstellen, dass sich das dem Finanzamt sehr schwer erklären lässt. Deshalb mussten wir es aufgeben.

Mit einer Fünf schlage ich eine weitere Figur.

Noch so ein Ausspruch von dir: "Bücher sind Zeitverschwendung."
Ja. In einem Film bekomme ich dieselbe Information in zwei Stunden.

Aber deine besten Songs sind die, in denen du Geschichten erzählst.
In drei Minuten.

Trotzdem ist das doch eher Literatur als Fernsehen.
Ich verstehe das Literarische auch, und ich höre gern gute Texte. Aber ich muss sie deshalb nicht lesen. Ist es ein anderer Mörder im Buch? Nein! Sind’s andere Beteiligte im Buch? Nein! Danke schön. Zeitverschwendung.

Heißt das, dass dich das Ergebnis mehr interessiert als der Weg?
Ich mache mir schon auch Gedanken über den Weg. Aber ich würde immer den leichtesten wählen. Der Weg ist für mich nicht das Ziel.

Ist Zeit das, womit du am geizigsten bist?
Ja. Leuten etwas von meiner Zeit zu gönnen, das mache ich sehr bedacht. Er schlägt, eher nebenbei, eine weitere Figur. Ich möchte die "Süddeutsche" bewerben. Super Zeitung, super Interview. Du hast mir noch nicht eine Frage zu meinem Kind gestellt. Warum eigentlich nicht?

Alle bekommen gerade Kinder. Und alle erzählen dasselbe. Womit hast du am meisten Zeit verschwendet?
Ich kann nicht sagen, dass ich wirklich Zeit verschwendet habe. Es gibt jedenfalls nichts, was ich in meinem Leben bereue. Alles, was passiert ist, hat den Typen geformt, der ich heute bin. Dass ich mich heute so angekommen fühle, ist Resultat jedes Schrittes, den ich vorher gegangen bin.

Der Assistent bittet, zum Ende zu kommen. Sido hat als Einziger wenigstens eine Figur im Haus. Klarer Sieg also. Wie angekündigt. Vielleicht kann er das wirklich – in die Zukunft sehen.

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