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Mein Kopf brummt, in meinen Beinen und Armen klebt ein zäher Gliederschmerz, mein Blick wandert über die vielen bunten Tische, an denen fröhliche, sonnenbebrillte Menschen an ihren (vermaledeiten) Latte macchiatos und Apfelschorlen nippen. Die zwei Teller in meiner linken Hand wiegen gefühlte zwanzig Kilo, dabei liegen nur schnöde Schnitzel drauf. Der Kellnergeldbeutel an meiner Hüfte zieht mich gen Boden. Weiche Knie. Meine Nase läuft. Mein Hals fühlt sich an wie zusammengekleistertes, halb feuchtes Küchenpapier. Ich will heim. Sofort. Leider geht das nicht.

Während alle anderen den ersten Frühlingstag genießen, habe ich mich trotz Erkältung zu meinem Kellnerjob geschleppt. Meine Eltern unterstützen mein Studentenleben, indem sie einen Teil meiner Miete zahlen, für den Rest muss ich selbst aufkommen. Das ergibt an diesem Morgen folgende Gedankenkette: Eine Schicht macht achtzig Euro. Achtzig Euro haben oder nicht haben — scheiss auf die Erkältung, ab ins Café. Der Monat ist erst halb rum, und auf dem Konto befindet sich ein höhnisch winziger Betrag. An solchen und an vielen anderen Tagen während meines Studiums habe ich mich in die Arbeit geschleppt, auch wenn ich ins Bett gehört hätte. Um Geld zu sparen, habe ich nachts Gewaltmärsche absolviert. Ein Taxi wäre zu teuer gewesen. Ich habe Brot mit Senf oder Nudeln mit Ketchup gegessen, weil der Kühlschrank genauso leer wie das Konto war. Wie viele Nächte ich rechnend im Bett lag, will ich nicht zählen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



So oder ähnlich geht es vielen deutschen Studenten. Im vergangenen Wintersemester waren mehr als zweieinhalb Millionen eingeschrieben, die meisten von ihnen haben laut Umfragen weit weniger als 900 Euro pro Monat zur Verfügung. In einer Stadt wie München, Hamburg oder Frankfurt ist das ein lächerlicher Betrag, schon allein wegen der Mietkosten. BAföG oder Studienkredite sind da ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer nicht gerade Papas Kreditkarte Gassi führt, geht arbeiten, nachts und am Wochenende, andere Zeiten lassen die straffen Bachelor- und Masterstundenpläne kaum zu. So findet man sich bei den beklopptesten Geldbeschaffungsmaßnahmen wieder. Einer meiner Kommilitonen zerlegte nachts im Schlachthof Schweine. Auch im Sommer steht er im Kühlhaus. Einmal stieg er mit gefrorenen Fleischresten am Schuh übermüdet in das Auto seiner Eltern. Es war ein heißer Tag, und bald entstand im Auto ein bestimmter Geruch. Eine andere Kommilitonin besorgte sich ihr Geld auf Erotikmessen. Als Hostess. Das hielt die fettwanstigen Soziopathen dort trotzdem nicht davon ab, sie anzugrabschen. Die Nächste verteilte Flyer, im tiefen Winter und im tollsten Sommer. Bei allen wurden die privaten Aktivitäten gegen Ende des Monats immer weniger. Weil das Geld aus, aber noch so viele Tage übrig waren.

Viele Abiturienten überlegen, ob sie überhaupt studieren sollen. Denn eine Hochschulausbildung ist mit massiven persönlichen Entbehrungen verbunden. Vielen Studenten widerstrebt es, dafür einen Kredit oder BAföG zu beantragen. Ich kann das völlig verstehen. Ich habe selbst zwei Semester BAföG bezogen. Der administrative Aufwand erinnerte an Asterix auf der Suche nach dem Passierschein A 39 in Asterix erobert Rom. Für die 116 Euro, die ich dann pro Monat bekam, lohnte weder die Regenwaldabholzung für das Papier noch das Termintheater. Also wieder zwei Kellnerschichten mehr. Das Geld wurde da cash ausgezahlt. Ich verwahrte es in einer Schachtel neben meinem Bett, bis mich eine Mitbewohnerin in meiner runtergekommenen Fünfer-WG beklaute. Eine Zeit lang aß ich wieder Ketchupnudeln und lag vor allem während der Prüfungsphase nächtelang wach. Nicht wegen der Tests, sondern weil ich wusste, dass ich während der Lernzeit nicht zum Arbeiten kam. Ich habe Germanistik studiert und viele Nächte mit Rechnen verbracht. Tagsüber musste ich mich dann zwischen Mittagessen oder Kopierkarte entscheiden.

Klar gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Geldprobleme in den Griff zu bekommen. Ein Haushaltsbuch oder ein Monatsplan sind ein Anfang. Ich habe mir eine Zeit lang für jede Woche sechzig Euro in den Geldbeutel gesteckt. Das musste reichen. Natürlich formt Sparzwang den Charakter. Man schätzt Geld und Wohlstand viel mehr, wenn man Entbehrungen ertragen musste. Aber man will doch nur eine gute Ausbildung absolvieren. Muss das mit so viel Belastung verbunden sein? Zwischendurch stellt man dieses Lebensmodell schwer infrage und beneidet dann doch die früheren Mitschüler, die lieber gleich eine Lehre gemacht haben. Hier aber jetzt die gute Nachricht: Irgendwann wird es anders. Verdientermaßen.

Text: michele-loetzner - Foto: complize / photocase.com

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