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Teurer Eintritt
Früher war alles ganz einfach: Abiturzeugnis abgeben, Formulare ausfüllen, unterschreiben – und fertig war meine Bewerbung an der Uni Köln. Kosten: etwa 3,50 Euro für die Zeugnisbeglaubigung. Zeitaufwand: eine halbe Stunde.
Heute sitze ich am Schreibtisch, um mich herum stapelweise Unterlagen von Unis, Bücher, Formulare. In meinem Browser sind etwa 20 Fenster geöffnet: Master-Bewerbungsportale von fünf Hochschulen, Mitfahrgelegenheit, Zugverbindungen nach Köln und Prag. Eigentlich habe ich mein VWL-Diplom schon in der Tasche. Aber ich will wissen, wie eine Masterbewerbung in Zeiten von Bologna abläuft. Denn der Kampf um einen Studienplatz ist aufwendiger geworden – entgegen den Versprechungen der Bologna-Reform, die Abschlüsse vergleichbarer und das europäische Unisystem durchlässiger machen sollte. Nehmen wir also mal an, ich habe einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften mit Note 1,4 und suche einen Masterplatz in BWL an einer deutschsprachigen Uni.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ein Drittel der Studenten wechselt für den Master die Hochschule, das zeigt eine Untersuchung des HIS Hochschul-Informations-Systems aus dem Jahr 2009. Und viele Masterstudenten kommen aus aller Welt nach Deutschland. Besonders groß ist der Andrang in den Wirtschaftswissenschaften: Auf einen Platz kommen bis zu 22 Bewerber, hat der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultätentag errechnet. Für die Unis wird es immer schwieriger, die unterschiedlichen Abschlüsse zu vergleichen und zu bewerten. Deshalb behelfen sich viele mit internationalen, standardisierten Tests. Und daher ist mein Schreibtisch voller Papier. Auf den Uniseiten tauchen immer wieder Abkürzungen auf: GMAT steht für Graduate Management Admission Test, eine BWL-Prüfung, der TOEFL (Test of English as a Foreign Language) ist ein gängiges Englischzertifikat. Die Tests kosten je um die 200 Euro – der Kampf um einen Studienplatz ist auch teurer geworden.
Mein Favorit ist der Master in Management an der Universität Mannheim. Die liegt in mehreren Rankings weit vorn. Wer dort studieren will, braucht einen GMAT. Den englischsprachigen BWL-Test vermarkten diverse Wirtschaftsunis gemeinsam, die meisten sitzen in den USA. Am Computer soll ich einen Aufsatz schreiben, Fragen beantworten, Matheaufgaben rechnen.
Ich klicke mich durch den Test. Fragen kommen auf. Warum dieser Aufwand? Warum muss ich mich hier quälen? Ist mein Bachelor denn überhaupt nichts wert? Ich frage die Sprecherin der Mannheimer Wirtschaftsfakultät, Liane Weitert, warum die Uni den teuren Test verlangt. Sie sagt: „Unterschiedliche Bildungseinrichtungen bilden in unterschiedlicher Qualität aus. Externe Tests bieten einen Anhaltspunkt.“
Ich habe keine Wahl, ich muss mich auf den GMAT vorbereiten. Zum Üben könnte ich Bücher und Fragensammlungen bestellen, das Komplettpaket für 210 Euro. Immerhin gibt es ein kostenloses Lernprogramm. Als Ergänzung reichen mir drei Bücher für insgesamt 35 Euro.
Auf der GMAT-Seite gebe ich meinen Wohnort ein, Dresden. Es stellt sich heraus: Das nächstgelegene Testcenter ist in Prag. Ich könnte auch zum Testcenter der US-Armee fahren, in eine Kaserne in der Oberpfalz. Dann doch lieber Prag. Ich melde mich also an und zahle die Testgebühr von 240 Euro. Die Zugfahrt kostet weitere 50 Euro. Immerhin läuft der Test ganz gut. Ich gönne mir einen Lendenbraten mit Preiselbeeren und böhmischen Knödeln – dafür hat sich die Reise gelohnt. Ob mir der GMAT zu dem ersehnten Platz in Mannheim verhilft, weiß ich noch nicht. Irgendwie ein blödes Gefühl.
Als Nächstes versuche ich es bei der Uni Köln. Das internationale Programm CEMS ist bei BWLern beliebt: Man verbringt ein Semester und Praktika im Ausland, gestaltet eigene Projekte. Um reinzukommen, muss man sich zunächst für den normalen Master of Business Administration bewerben. Die Unterlagen habe ich schnell beisammen. Für den CEMS muss ich allerdings noch ein Motivationsschreiben und einen Lebenslauf auf Englisch verfassen und zwei Testergebnisse vorlegen: den GMAT, den ich ja zum Glück schon habe, und ein Englischzertifikat.
Ich bereite mich also auf den TOEFL-Test vor. Dafür kaufe ich ein Buch für 30 Euro, das der private Testanbieter empfiehlt. Für die Prüfung fahre ich nach Leipzig: 36 Euro. Doch mit dem bestandenen Test in der Tasche ist es nicht getan, die Uni lädt mich noch zum Auswahlgespräch ein. Darüber sollte ich mich eigentlich freuen. Aber die Zugfahrt dauert sieben Stunden. Ich übernachte in einer Jugendherberge und fahre mit der Mitfahrgelegenheit zurück, nicht gerade luxuriös. Trotzdem kostet die CEMS-Bewerbung insgesamt mehr als 400 Euro.
Ich frage die Kölner Fakultät, warum sie so viel von den Kandidaten verlangt. „Die Anzahl der Bewerbungen liegt bis zu 8-fach höher als die Kapazität“, erklärt mir Sprecherin Kerstin Griesemann. Übrigens hätte ich statt des GMAT auch den Test TM-WISO direkt an der Uni ablegen können. Der kostet „nur“ 97 Euro. Allerdings erkennen ihn nur drei Hochschulen an. Mit dem internationalen Test dagegen kann ich es noch an der Universität Zürich versuchen. Ich überlege lange, ob ich mir die Bewerbungsgebühr von 83 Euro jetzt auch noch leisten soll.
Zum Schluss schicke ich meine Unterlagen noch an die Humboldt-Uni in Berlin. Die Stadt reizt mich, und von Dresden ist es auch nicht weit. Die Fakultät verlangt, dass ich im Bachelor mindestens 24 Leistungspunkte in Mathe, Statistik, Ökonometrie und Mikroökonomik gesammelt habe. Alexander Karmann, stellvertretender Vorsitzender des WISO-Fakultätentags, hält dieses Verfahren für sinnvoller als externe Tests: „So können die Hochschulen sicherstellen, dass die Studenten eine passende Ausbildung haben. Für viele Fakultäten ist es kein angenehmer Gedanke, dass man ein Monopol mit einem externen Testanbieter aufbaut.“ Trotzdem verlangen viele beides: Tests und bestimmte Leistungspunkte.
Hat man uns nicht versprochen, dank Bologna werde es einfacher, sich an Hochschulen in ganz Europa zu bewerben? Haben wir nicht für dieses Versprechen das ganze Umstellungschaos ertragen? Das Gegenteil ist wohl der Fall: Selbst eine Bewerbung nur im deutschsprachigen Raum wird zur Vollzeitbeschäftigung. Für fünf Bewerbungen habe ich insgesamt fast 840 Euro gezahlt und mehr als 130 Stunden gebraucht. Die Kosten verringern auch die soziale Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Sie machen es Studenten aus einkommensschwachen Familien noch schwerer, ihren Wunschplatz zu bekommen. Apropos Wunschplatz. Nach meiner 800-Euro-Investition ist längst noch nicht klar, ob ich überhaupt einen Platz bekomme.
Text: eva-maria-hommel - Text: Eva-Maria Hommel