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Thank you, Bachelor!
Früher haben nur alte Menschen gejammert, dass früher alles besser gewesen sei. Jetzt machen das auch die Jüngeren. Ehemalige Studenten zum Beispiel, die noch auf Diplom oder auf Magister studieren durften, stellen ihr Studium so dar, als seien sie jahrelang dichtend und denkend über den Campus flaniert und hätten nicht gepaukt, sondern bis tief in die Nacht diskutiert. Vollkommen ohne Druck, versteht sich. Meine Kommilitonen und ich hingegen, die Generation der Bologna-Studenten, wir seien angeblich auf Leistung getrimmt und überarbeitet; zu ängstlich, um gegen die neuen Studienstrukturen aufzumucken. Verzeihung, ich vergaß: Das können wir ja gar nicht. Eigenständig zu denken wurde uns ja nicht gelehrt.
Was für ein Quatsch.
Klar, der Übergang vom Magister zum Master verlief unzulänglich. Es gibt eine lange Liste an Kritikpunkten – die straffe Regelstudienzeit, die problematische Vergabe von Masterstudienplätzen, die alberne Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und vieles mehr. Aber diese Probleme sind meiner Meinung nach nicht mit dem System, sondern mit der schlechten Umsetzung der deutschen Universitäten entstanden. Ich hätte, trotz allem, nie mit einem Magisterstudenten tauschen wollen.
Warum?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Drei Jahre Studium und der erste Abschluss in der Tasche – das hat mir gut gepasst und vor allem auch gereicht. Nicht weil ich die Auseinandersetzung mit Makroökonomie, Systemtheorie, Fachzeitschriften und Archiven langweilig fand. Nur war mein Elan als Mitarbeiterin beim Studentenmagazin und als Reporterin bei der Lokalzeitung größer als der Drang, noch drei weitere Sekundärquellen für die Seminare zu lesen. Nach meinem ersten Studienabschluss hatte ich genug vom akademischen Leben. Ich wollte raus aus der kleinen Uni-Stadt, das Gelernte anwenden, arbeiten, reisen, überlegen, wie und womit es weitergehen soll – was ich dann auch gemacht habe. Eigentlich eine gute Zeit. Das einzig Störende waren die hämischen Kommentare anderer: „Was? Nur einen Bachelor? Das wird doch nix.“ Natürlich: Je länger man studiert, umso mehr lernt und weiß man. Warum aber per se ausgeschlossen wird, dass man mit 22 Jahren und ohne Magisterstempel etwas auf dem Kasten haben kann, verstehe ich nicht. Das konstante Niederreden meiner Studienleistungen hat mich an meinem Wissen zweifeln lassen. Darüber bin ich jetzt aber hinweg. Inzwischen spiegelt für mich dieses Bachelor-Bashing bloß eine gewisse Arroganz und traurige Nostalgie wider.
Das strukturierte Studium, die Unterteilung des Lernens in Module, die Übersicht, die ich durch das ECTS-Punktesystem bekommen habe, all das war für mich perfekt. Ich bin eher chaotisch veranlagt und erledige alles, trotz Semesterplaner und Post-It-Erinnerungen, auf den letzten Drücker. Mir haben die festen Abgabezeiten und die Lernstruktur, die mir die Klausuren vorgaben, geholfen. Und trotzdem habe ich auch unzählige Stunden in verschiedenen WG-Küchen Kaffee getrunken und geredet, habe im Park gefläzt, gelesen und geschrieben und was man sonst so alles macht, wenn man eigentlich lernen sollte.
Nach der Uni-Pause war meine Lust auf theoretischen Input und akademische Diskussionen wieder da. Aber ich wollte unbedingt an eine Hochschule im Ausland. Das Gute: Ich konnte, der Hochschulreform sei Dank, ein Masterprogramm wählen, das keine direkte fachliche Fortsetzung meines Bachelors war. Natürlich kann man nun die Nase rümpfen und mir mangelndes Expertenwissen vorwerfen. Aber mir ging es nicht um eine Spezialisierung, sondern um eine Erweiterung meines Horizonts. Ich hatte Interesse an den vielen neuen Modulen, an den Diskussionen mit Studenten aus der ganzen Welt. Jetzt steht schon meine Abschlussfeier an, die Masterzeit ist schnell vergangen. Das ist aber so in Ordnung. Mir reicht es jetzt wieder mit dem Studieren. Zumindest bis auf Weiteres.
Text: fiona-webersteinhaus - Illustration: Joanna Swistowski