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Demokratischer Prozess oder Tod des Wahlgeheimnisses?

Foto: Instagram

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„Geht wählen!“ Dieser Imperativ hallt immer durchs Internet, wenn irgendwo eine Wahl ansteht. Bei den letzten Landtagswahlen zum Beispiel. Facebook-Freunde aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt riefen dazu auf, sich zu beteiligen. Bürgerpflicht und so! Und ist ja auch was Gutes, andere zum Wählen zu motivieren (oder es zumindest zu versuchen).

Nun kann das Internet aber mehr als schriftliche Imperative. Das Internet kann Bilder. Und darum kann das Internet auch Bilder von Wahlzetteln. Und die sieht man dann auf Facebook oder Snapchat oder Instagram. In den USA, die sich ja gerade mitten im Wahljahr befinden, hat das schon vor einiger Zeit eine Debatte ausgelöst: Darf jemand ein Selfie aus der Wahlkabine posten? Mit dem Wahlzettel in der Hand? Eventuell sogar mit dem ausgefüllten Wahlzettel?

Die Bestimmungen sind von Staat zu Staat unterschiedlich (die Huffington Post hat eine Liste aller Staaten und ihrer Regeln für Fotos vom Wahlzettel und/oder dem Wahlort veröffentlich). In Pennsylvania zum Beispiel war das Selfie mit dem Wahlzettel verboten, bis ein Bundesgericht im vergangenen Jahr entschied, dass es eine gesetzmäßige Form der politischen Meinungsäußerung ist. Der Staat Pennsylvania ficht dieses Urteil an, eine Entscheidung steht noch aus.

In New Hampshire ist das Ballot-Selfie ebenfalls verboten – und dort hat sich jetzt Snapchat in die Diskussion eingemischt, weil im Wahljahr 2016 anscheinend besonders viele Wahl-Fotos gesnappt werden. Mit einem Amicus Brief (also mit einer Stellungnahme zu einem Verfahren, ohne selbst beteiligte Partei zu sein) äußerten sich mehrere Vertreter von Snapchat Inc. zur „neusten Form, mit der Wähler, vor allem junge Wähler, sich am politischen Prozess beteiligen“. Sie argumentieren, dass das Ballot-Selfie, genau wie ein Campaign-Button, Ausdruck der Beteiligung am demokratischen Prozess sei, der Meinungsfreiheit unterliege und damit vom Ersten Zusatzartikel zur Verfassung geschützt sei. 

 

Die Gegner des Ballot-Selfie sehen allerdings das Wahlgeheimnis in Gefahr. Sie befürchten, dass dadurch Wahlbetrug gefördert wird – denn wer Stimmen kaufen will, habe leichteres und sichereres Spiel, wenn sich hinterher per Foto beweisen lässt, dass auch wirklich in seinem Sinne gewählt wurde. Dabei beweist so ein Foto ja eigentlich noch gar nichts – erst, wenn der Wahlvorgang an sich und bis zum Schluss festgehalten wäre, zum Beispiel als Video, und man dabei erkennen könnte, wer gewählt wurde.

 

In Deutschland gibt es übrigens kein Verbot für Selfies mit Stimmzettel oder Fotos aus der Wahlkabine. Aber auch hier gilt das Wahlgeheimnis als oberstes Gebot. Und das wäre eben dann verletzt, wenn der Wahlvorgang so dokumentiert würde, dass man erkennen kann, welchen Kandidaten oder welche Partei der Wähler oder die Wählerin auf dem Stimmzettel angekreuzt hat, und dass er oder sie dann genau diesen Stimmzettel in die Wahlurne geworfen hat.

 

nasch

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