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Such den Trump-Fan!

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Als sich gegen 19:30 Uhr der Raum zügig füllt, sieht man niemandem hier seine Meinung an. In eineinhalb Stunden werden hier 600 Studenten der Georgetown University gemeinsam die erste TV-Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump anschauen. Die Welt war lange nicht mehr so gespannt auf ein Fernseh-Duell. Aber hier ist alles noch neutral, ich sehe nirgends Hillary-Buttons oder Trump-Kappen, bloß Skinny-Jeans und Sandalen und Turnschuhe und Georgetown-Pullis.

Die „Debate Watch Party“ an der Georgetown University wird vom Institute of Politics and Public Service organisiert und sowohl von den College Democrats als auch von den College Republicans gesponsert. Es gibt Pizza für alle und am Tisch neben dem Buffet helfen Vertreter des Studentenausschusses denjenigen, die sich noch für die Wahl registrieren wollen.

Wenn ich von dem ausgehe, was ich vorher gehört habe, dann sind die Demokraten-Wähler hier in der Überzahl: Amerikanische Unis und amerikanische Studenten gelten als sehr liberal. Zu liberal, finden manche – gerade wird hier im ganzen Land viel darüber diskutiert, dass man den Konservativen an den Hochschulen den Mund verbietet. Dass es sie zwar gibt, sie sich aber lieber verstecken als angefeindet zu werden. Also habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, einen der Undercover-Konservativen zu finden. Oder noch besser: einen echten Trump-Fan.

Es riecht nach Käse und Tomatensauce. Alle Stuhlreihen sind besetzt, viele haben aus anderen Räumen zusätzliche Stühle, Poster und Sessel rübergetragen. Es ist so voll, dass ich vorerst in einer der hinteren Ecken eingeklemmt bin. Darum frage ich erst mal die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung, warum sie hier sind und wen sie wählen werden. Josh, 18, Politikstudent, sagt: „Clinton!“ Taylor und Allison, ebenfalls 18, schwärmen davon, wie toll es ist, dass so viele Leute gekommen sind. Die beiden dürfen dieses Jahr zum ersten Mal wählen – wie wohl die meisten hier, denn selbst die Studenten im vierten und letzten Studienjahr, die „Seniors“, sind oft erst 22 Jahre alt. Ich frage sie, ob sie einen Trump-Unterstützer kennen. Sie lachen, fast ist es ein Auslachen, und Taylor sagt: „Nein! Aber ich hätte auch Angst davor, hier für Trump zu sein!“

Werden die Trump-Fans sich noch irgendwann zu erkennen geben?

Punkt neun, auf der Leinwand läuft CNN, Clintons Eröffnungs-Statement. Bei ihrer Forderung nach gleichem Gehalt für Frauen und Männer jubelt der Saal. Dann ist Trump dran und spricht darüber, dass zu viele Jobs nach Mexiko verlagert werden. Die Studenten lachen ihn so prompt aus, als hätten sie nur darauf gewartet, das endlich tun zu können. Sind sie nur hier, um sich gegenseitig in ihrer Weltsicht zu bestätigen, Pizza zu essen und sich ansonsten nicht viele Gedanken zu machen? Ich schaue zu Taylor und Allison rüber. Sie lesen irgendwas fürs Studium und machen mit ihren Textmarkern rosa Markierungen. Ein anderes Mädchen scrollt gerade durch eine Shopping-Seite mit Kleidern.

Nach einer Weile frage ich mich: Wird das jetzt so bleiben wie bei den Eingangs-Statements? Werden die Studenten weiterhin Hillarys Aussagen bejubeln und über ihre Witze und Seitenhiebe auf Trump lachen? Und wird es für Trump nur hämische Lacher und leises Aufstöhnen geben? Oder werden seine Fans doch noch irgendwann aufwachen und sich zu erkennen geben?

Der Moderator der Debatte leitet das Thema „race“ ein, eines der bedeutendsten in diesem Wahlkampf und wohl auch eins, dass das ethnisch recht gemischte Publikum hier sehr interessiert. Die Ruhe im Raum wird jetzt jedenfalls schwerer, absoluter. Kein Tuscheln und Blätterrascheln mehr. Clinton bekommt nüchternen Applaus, als sie darüber spricht, die Polizeiausbildung reformieren und rassistischen Vorurteilen vorbeugen zu wollen. Trump führt die Mordrate in Chicago an und die Gewalt durch Gangs, die ja zu großen Teilen aus „illegalen Immigranten“ bestehen würden. Ein dunkelhäutiges Mädchen neben mir stoppt ihre Hand mit einem Stück Pizza auf halben Weg zum offenen Mund und schüttelt den Kopf.

Als die Debatte vorbei ist, leert der Raum sich rasend schnell. Einen Trump-Fan habe ich immer noch nicht gefunden, ich muss jetzt schnell sein, sonst ist gleich  niemand mehr da.

Dann sehe ich sie plötzlich: die „Make America Great Again“-Kappe!

Ich frage jeden, der mir in die Quere kommt: Tori, 19, die es schrecklich findet, dass Hillary ihr Leben lang für Frauenrechte gekämpft hat, und jetzt ausgerechnet gegen den misogynen Trump antreten muss. „In jedem anderen Land wäre diese Wahl ein No-Brainer!“, sagt sie. Matt, 19, der glaubt, dass Trump gefährlich für Amerika ist. Henry, 21, der für die Hillary-Kampagne arbeitet, aber findet, dass Trump sich in der Debatte gut geschlagen hat.

Jetzt sind nur noch knapp 30 Leute da, sie sind geblieben, um mit den eingeladenen Gästen (Ben LaBolt, früherer Obama-Pressesprecher, und Mindy Finn, ehemalige Digital-Chefstrategin der Republikaner) zu diskutieren.

Und dann sehe ich sie plötzlich: die „Make America Great Again“-Kappe! Auf dem Kopf einer jungen Frau mit langen, sehr gepflegten Haaren. Sie heißt Hanna, arbeitet hier am Politik-Institut und hat die Veranstaltung mitorganisiert. „Ach, die Kappen hat Eric, Trumps Sohn, mal hier verteilt, der hat in Georgetown studiert“, sagt sie. „Ich trage sie nur, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie schwierig es hier ist, Trump-Supporter zu sein.“ Sie habe einige böse Blicke geerntet, sagt sie. Aber einem echten Trump-Fan kann sie mich auch nicht vorstellen. Wieder nichts also, kein Republikaner, kein Konservativer.

Aber noch will ich nicht aufgeben. Irgendwann ist auch die Diskussion vorbei, nur noch etwa zehn Leute sind da, sie räumen auf oder reden miteinander. Ich packe hinten im Raum meine Sachen zusammen und will gerade gehen, als es vorne noch mal laut wird. Ein kleiner Student und eine große Studentin streiten sich. Sie verteidigt Hillary und nennt Trump ein Arschloch, er hält dagegen. Eine Demokratin und ein Trump-Anhänger! Die zweite Live-Debatte des Abends! Endlich!

Stimmt aber nicht. Als ich die beiden anspreche, kommt raus: Taylor, 21,  ist „moderate Republikanerin“ – und wird im November Hillary wählen. „Ich wollte bislang vor allem gegen Trump stimmen“, sagt sie, „aber nach der Debatte heute bin ich froh sagen zu können, dass ich für Hillary stimmen werde.“ Vor allem ihre Statements zur Außenpolitik und zu Frauenrechten hätten sie überzeugt. Kevin, 20, wird Gary Johnson wählen, den Kandidaten der Libertarian Party. Ob sie einen Trump-Supporter kennen? Taylor dreht sich um und ruft in Richtung der fast leeren Stuhlreihen: „Peter!“

Damit habe ich ihn ganz zum Schluss doch noch gefunden: Peter, den Trump-Unterstützer. 18 Jahre alt, schmal, dunkelhaarig, in einem Pullover mit dem Logo der Reagan-Bush-Kampagne von 1984 drauf. Er legt gleich los, mit einer Rede wie vorbereitet, als würde er sich freuen, dass er sie endlich loswerden kann: Dass immer versucht werde, Trump darzustellen wie die schlimmste Person der Welt. Dass er nicht daran glaubt, dass Trump eine Mauer bauen oder Muslimen die Einreise verbieten will, sondern das nur seine Art ist, die Menschen zu überzeugen, die für strengere Grenzkontrollen sind. Dass er den Supreme Court für die wichtigste Institution des Landes hält und für die konservativen Richter ist, die Trump besetzen würde.

 

Mich interessiert dann aber natürlich noch, wie das für ihn ist, als Konservativer hier an der Uni, an der ja anscheinend fast alle liberal sind. „Ich bin das gewöhnt“, sagt Peter, „ich komme aus Washington State, bin also ein Konservativer aus einem liberalen Staat.“ Er verstehe es, wenn Leute für Clinton stimmen wollen. „Was ich nicht verstehe ist, wenn sie dich dafür angreifen, dass du Trump wählst.“ Und das sei eben auch schon passiert. Verbale Attacken gegen ihn. „Ich liebe Politik“, sagt Peter, „aber grade ermüdet sie mich irgendwie auch. Weil manche Leute sich wegen der Stimmung hier nicht trauen zuzugeben, dass sie für Trump stimmen werden.“

 

Dann geht der Trump-Unterstützer Peter wieder rüber zu seinen Freunden. Zu der Republikanerin Taylor, die für Hillary stimmt. Zu dem Libertären Kevin. Um doch noch weiter über Politik zu reden. Die Liberalen, die eben so viel gejubelt haben, sind schon längst weg.

 

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