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Es gibt tausend Gründe Hamburg zu hassen.

Text: irreal
Alle sind gut. Hier sind 18.

1. Die Menschen. Das könnte man natürlich über jede Stadt in Deutschland sagen, aber nirgendwo trifft es so sehr zu wie in Hamburg. Die Hamburger wohnen in Horn und Wandsbeck, in hässlichen Nachkriegshäusern, trinken Holsten Bier aus Dosen, rauchen Zigaretten von Philipp Reemtsma, der auch Hamburger ist. Das ist Hamburg, das ist Durchschnitt. Dann aber gibt es diese zwei Prozent, die wohnen in der Schanze oder in Eppendorf, die sind das eigentliche Hamburg, das sagen sie, die sind das eigentliche Übel, das sollten sie wissen. Diese Menschen sitzen Milchcafe-trinkend in dreckigen Cafes und reden über ihre Welt. Diese Menschen kommen zumeist nicht aus Hamburg, sondern aus Kassel oder Rosenheim, Erlangen und Halle. Und sie haben alle Errungenschaften aus diesen Städten mitgebracht, den ganzen Biedermeier, die Provinz, das Früher-war-alles-besser.

2. Der Mangel an Bedeutung. Wenn Leimen Boris Becker ist, ist Hamburg Michael Stich. Hamburg hat niemals irgendetwas Bedeutendes hervorgebracht. Im Gegensatz zu jeder Stadt in Europa die älter als 100 Jahre ist, hat Hamburg weder die Welt- noch die Kulturgeschichte irgendwie bereichert. Es kommt kein berühmter Maler aus dieser Stadt, kein Komponist (auf die sogenannte Hamburger Musikszene muss und werde ich gesondert eingehen), keine Denker: nichts. Nur Kaufleute und echte Hanseaten, deren Lebenssinn gleichsam mit ihrem Leben verschwand. Die Hamburger Universität besitzt die intellektuelle Anziehungskraft einer Bremer Gesamtschule.

3. Die Architektur. Architektur? Das Wahrzeichen der Stadt ist der Michel. Ein völlig unbedeutender Kirchturm, nicht hoch, nicht wichtig, nicht schön, schon vergessen? Dass dieses Wahrzeichen keines ist haben sogar die Hamburger verstanden und jetzt nehmen sie ihren Fernsehturm als Wahrzeichen und Symbol der Stadt. Ein Fernsehturm! Ein weißer Turm, mit Panoramacafe, welches vor zwei Jahren schloss, benannt nach Heinrich Herz, dem großen Sohn der Stadt (siehe oben). Wie verzweifelt muss man sein um eine Fernsehantenne als Wahrzeichen zu stilisieren?

4. „Hamburg ist das Liverpool Deutschlands.“ Das sagt man hier. Warum nicht gleich „Das Oberhausen von Schleswig Holstein?“. Nur weil es einige Sozialbauten aus Backstein gibt? Im Übrigen wurden die Liverpooler Backsteine nicht in Neuengamme gefertigt. Und die Beatles kommen nicht aus Hamburg, sondern sind berühmt geworden, als sie diese Stadt nicht mehr nötig hatten.

5. Hamburg rockt. Ja, klar, Anfang der Neunziger, mit Tocotronic und Sterne, mit Blumfeld, wenn man schon damals Germanistik studiert hat. Cool, das war groß, Nirvana und Pearl Jam auf Deutsch, The Smith zehn Jahre danach. Das war wichtig. Und dann? Und dann Hip-Hop. Als man hoffen konnte, das sich die Unmöglichkeit deutschen Sprechgesangs schon in Städten wie Stuttgart und Frankfurt bewiesen hatte musste man nördlich der Elbe noch mal die Bassboxen in den Kofferraum montieren, Fettes Brot und Eimsbush Basement, gut das Tupac da schon tot war. Dieter Bohlen, Nana, Blümchen. Muss ich deutlicher werden?

6. In Hamburg gibt es keine Touristen. Das hört sich gut an? Nein. In Hamburg gibt es natürlich diese Deutschen-Kegelverein-Reeperbahn-Touristen, aber die fallen kaum auf, die besuchen ihre Kinder oder besaufen sich mit den Kindern anderer Eltern auf St. Pauli. Der entscheidende Punkt ist, dass es keine ausländischen Touristen gibt, keine Italiener, keine Spanier, keine Amerikaner...nichts und niemand, Hamburg ist als Stadt außerhalb Deutschland überhaupt nicht existent. Die Gründe dafür werden gerade dargelegt. Während man in Berlin und sogar in Düsseldorf also mit Französinnen tanzen kann und Italienern den Weg erklärt, während man in München Japanern die neusten Kameras klaut gibt es Hamburg nichts und niemand. Nur Hamburg, soweit das Auge reicht.

7. Hamburg Hafenstadt. Klar, Hamburg Containerhafen, Hamburg Erdölraffinerie. Güterbahnhof Frankfurt. Hamburg liegt nicht am Meer, Hamburg liegt meilenweit davon, Hamburg liegt an einem Fluss namens Elbe, so wie Dresden und Magdeburg. In Hamburg gibt es Möwen und Tauben, wie in Duisburg und Rotterdam.

8. „Hamburg hat mehr Brücken als Venedig“. Das sagt die Stadtwerbung, das sagen dir Menschen nachts in Bars. Hamburg hat auch mehr Mülleimer als München, mehr BMWs als Amsterdam. Cool. Hamburg ist so eine Guinness Buch der Rekorde Stadt. Der größte Chor der Welt sang in diesem Jahr mit Freddy Quinn (noch so ein Weltstar) La Paloma am Hafen, 90.000 Menschen, alles Hamburger, noch Fragen?

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