Abi - und dann? Nadine aus Lübeck ist sich sicher: Am Besten weit weg von zu hause studieren.

Da sie nach dem ganzen Abiturstress endlich etwas Zeit hat, kommt sie auf das Versprechen ihrer Kusine Carolin zurück, die ihr ihren Wunschstudienort Münster zeigen will.



In Münster leben 280 000 Einwohner, darunter einige der 44 000 Studenten. Warum es viele junge Leute wie Carolin nach Münster zieht, ist kein Geheimnis, denn in Münster gibt es kaum Plattenbauten und hier mag man es dezentral. Wegen des Stadtbildes ist Münster vor allem bei Ruhrpottlern beliebt (Carolin hat früher in Bochum gewohnt). Im Zentrum liegt der Münsteraner Dom, die Lambertikirche mit den drei Käfigen der Wiedertäufer, der Prinzipalmarkt, wo die exklusivsten Geschäfte untergebracht sind, das Rathaus, in dessen Friedenssaal 1648 der westfälische Frieden geschlossen wurde, die historische Altstadt, die nach dem zweiten Weltkrieg im alten Stil wieder aufgebaut wurde, der Aasee, die Promenade, das Schloss und die anderen Unigebäude, die über die Stadt verteilt sind. Nadine ist fasziniert wie schnell Carolin sich hier eingelebt hat. Es ist sicher einfach sich anfangs zu verlaufen, befürchtet sie. An jeder Ecke begegnen die Mädchen Stadtführungen, mal englisch, mal japanisch... Aber nicht nur Studenten zieht es ins Herz des Münsterlandes, zur Zeit des Weihnachtsmarktes werden viele Touristen mit Nikolausmützchen in Reisebussen angekarrt. Carolin erinnert sich gerne an die Glühweintreffen nach den Vorlesungen im Dezember.



Obwohl Nadine nach Carolins Insiderstadttour die Füße brennen, wird sie neugierig als es dunkel wird. Abends hat die Kulturhochburg viel zu bieten. Wer nicht im Cineplex landet, findet vielleicht im Cinema, einem kleineren Kino, sein Glück: „Bowling for Columbine“ im Originalton hat Carolin hier gesehen. Ebenfalls am Hafen gelegen, findet sich die Halle Münsterland, in der die drei ??? zu Gast waren oder die Wirtschaftswissenschaftler jährlich eine Studentenparty feiern. Nadine erinnert sich an lustige Geschichten, die Carolin von dieser Party erzählt hat. Wenn Caro und ihre Freunde nach dem Theaterbesuch noch feiern wollen, landen sie meist im Theatercafé nebenan. Heute geht’s direkt in die Altstadt, ins Kuhviertel. Hier gibt es Bier der Münsteraner Ur-Brauerei Pinkus und viele Studentenkneipen wie die Cavete, die Bauwagenflair hat und von einem Jurastudenten gegründet wurde. Die beiden finden einen der letzten Plätze und bestellen sich ein großes Bier mit Cola. Nadine lernt, dass das hier „Diesel“ heißt. Ein Geheimtipp von Carolin ist Café Kelim, wo man zwar kein Haschisch, aber Erdbeertabak rauchen kann. Die Route erledigt man am besten mit dem Fahrrad.



Apropos Fahrrad oder „Leeze“ – Nadine wundert sich, wie sportlich Caro auf einmal ist und erfährt: Autofahrer haben hier schlechte Karten. Vor allem Ortsfremde verlieren beim kniffeligen Einbahnstraßensystem oft den Überblick und bei der Suche nach einem Parkplatz keinen Fahrradfahrer mitzunehmen ist ein Kunststück.



Im Ausbildungsbereich hat Münster nicht nur die Westfälische Wilhelms-Universität mit 120 Studienfächern, sondern auch die Kunstakademie, die Musikhochschule und eine Fachhochschule zu bieten. Carolin ist stolz im größten Anglistikum Deutschlands zu studieren. Von ihrem Freund Ben weiß sie, dass VWL und BWL einen sehr guten Ruf haben.



Da Caro ihre Kusine im Wintersemester gerne bei sich haben möchte, erzählt sie vom Münsteraner Allwetterzoo und der Eishalle, in der es auch Studententage gibt. Nebenan ist der einzige Münsteraner Burger King – Nadine hat eine Schwäche für Fastfood. Wenn es im Winter wieder so richtig kalt wird, können die Studentinnen durchaus auch auf dem Aasee Schlittschuhlaufen, denn dieser ist im Schnitt nur zwei Meter tief, und friert deshalb schnell zu.



„Keine Lust auf Bildung und Kultur?“ fragt Caro ihre jüngere Begleiterin. Sie kann die Kaufsüchtige beruhigen: Nadine findet natürlich auch H&M, Werdin, Kaufhof, Karstadt und andere Einkaufsketten. Auf Titus, das im ehemaligen Fürstenhofkino beheimatet ist, ist jeder Münsteraner stolz, denn die bekannte Skatermarke wurde in Münster gegründet.



Am Nachbartisch in der Cavete streiten sich offensichtlich Münsteraner mit Kölnern. Caro und Nadine lernen, dass Ute Lemper, Götz Alsmann, die H-Blockx und Günther Jauch aus Münster kommen. Neben der bekannten Dichterin Annette von Droste Hülshoff, die es schaffte auf dem 5 DM-Schein veröffentlicht zu werden, stammte auch Jürgen Möllemann aus Münster. Auch Franka Potente ging im Münsterland zur Schule: In Greven, dort ist auch der FMO (Flughafen Münster/Osnabrück) gelegen (17 km entfernt). Ebenfalls aus dem Münsterland (Sendenhorst) kommt Deutschlands Superstar Alexander, den Caro schon einmal in den Nachtstudios, Münsters größter Disco gesehen hat. Dass Münster ein heißes Pflaster ist, beweisen die Krimiserien Tatort und Wilsberg, deren Dreharbeiten bei einem Stadtbummel zu beobachten sind. Caros Freunde sind schon als Komparsen durchs Bild gelaufen.



Dass die vermeintlich sturen Westfalen gerne feiern, zeigt der Karnevalsumzug an Rosenmontag. „Dafür gibt’s sogar schulfrei. Münster, helau!“ erklärt Caro ihrer staunenden Kusine, die Karneval nur aus dem Fernsehen kennt. Die schwindeligsten Karusselle stehen mehrmals im Jahr auf dem Hindenburgplatz, wenn es Zeit für den „Send“ ist. Beim jährlichen Stadtfest findet jeder sein Musikgenre wieder, von weitem klingt das ganze allerdings verdächtig nach Lärmbelästigung. „Um sich gegenseitig wiederzutreffen, ist man dort genau richtig!“ verrät Caro Nadine und verspricht sie dorthin mitzunehmen.



Nadine hat in der knappen Woche viel Neues gelernt: Fahrräder, Kirchenläuten, Regen – an den beliebten Vorurteilen über Münster ist etwas Wahres dran – das allein macht Münsters Mentalität jedoch noch nicht aus!