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Schweinegesichter

Text: weltherrrschaft
Schweinegesichter. 10 Stück!

Ich habe in meinem Schreibtisch, den ich seit 10 Jahren das erste mal aufräume, 10 Schweinegesichter gefunden.



Gemalt ungefähr im Jahre 1987, nachdem ich festgestellt hatte, daß ich mich künstlerisch doch lieber Dingen widmen sollte, die real SO nicht existieren. 1987, im Alter von 10 Jahren habe ich erkannt, daß ich Schweinegesichter viel besser kann als Fußballspieler.

Ein Jahr zuvor hatte ich noch fast den gesamten Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gemalt. WM 1986. Beinahe alle Spieler vom Kopf bis zur schwarzen kurzen Hose. Halbnah.



17 deutsche Nationalspieler, die mir alle nicht so gelungen sind, besonders nicht die mit hellblonden Haaren, weil dann immer noch der braune Kopfumrandungsstrich mitten durch die hellen Frisuren schneidet. Opfer dieser Maltechnik sind unter anderem Norbert Meier, Uwe Rahn und Kalle Rummenigge, der dazu auch noch ziemlich fett geworden ist, aber an seiner Frisur erkennbar ist: Blond und wie vorne auftoupiert grinst er einem entgegen.



Außerdem finde ich noch Udo Lattek - auch er rund wie eine Wassertonne und in einem roten Trainingsanzug, auf dem IVECO steht.



Schon ein Jahr später male ich Schweinebilder. Das Robinsonschwein, Punker-, und Rockerschwein, Dummschwein, Bodyschwein - eigentlich bzw. richtiger Bodybuildingschwein, aber egal. Auch sehr schön ist das Philipp-Schwein, benannt nach meinem kleinen Bruder, mit dem das Verhältnis damals wohl nicht so gut war. Im Nachhinein mein Favorit jedoch: Das Wurstschwein, ein stinknormales Schweinegesicht mit im Bildhintergrund sichtbarem Schwanz bestehend aus einer Würstchenkette.



Hat sich mit dem Wurstschwein schon eine leichte Hinwendung zur Gesellschaftskritik angedeutet, so werde ich ein paar Jahre später sozialkritisch, aber durchaus auch verkitscht. Ich zeichne eine ganze Postkarte voll mit Teddybären und überschreibe diese Serie mit fetten Buchstaben TEDDY, gleichzeitig aber male ich auch ein Krokodil, über dessen Rücken eine Krokodillederhandtasche zu sehen ist.



Die 80er Jahre sind zu Ende, die 90er beginnen, ich beende meine Malerei aus Protest und fange an, Aktionskunst zu machen. Ich ammle jetzt Wasserfarbenmalkästen. 5 davon finde ich in meinem Schreibtisch, 4 sind unbenutzt. Weiter finde ich einen Aquarellmalkasten, Tuschefedern, 2 Blechkistchen mit Wachsmalstiften drin, eine Plastiktüte von Hertie mit 10 Jahre alten und höchstens einmal benutzten, aber immer noch intakten Filzstiften.



Auch einen Zauber-, bzw. Agentenstift finde ich, mit dem man etwas unsichtbar auf ein weißes Papier schreiben konnte, das nur mit einem anderen, am Agentenstift befindlichen Stift sichtbar gemacht werden konnte.



Ich schreibe damit meinen Namen auf ein weißes Blatt Papier. Mit dem Sichtbar-Stift drüber gewischt, will ich ihn wieder lesbar machen. Der ist aber eingetrocknet und traurig werfe ich ihn in den Müll zu den LTU-Kinderkapitän-Anstecknadeln und den neongelben, durchsichtigen Minispitzern.

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