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wer liebt, der leidet. wer mehr liebt, leidet mehr. ZWEI

Text: gewitter_im_anzug


und jetzt dieses gefühl: "immer wenn wir uns küssen, springt die platte". und überhaupt. mit juri ist alles wie im film, die höhen und tiefen und alles ein bisschen zu viel.





[ juri fischt im kaffee. maika fischt in juris gesicht. schweigen. ]



und dann doch: "ich habe eine freundin. seit zweieinhalb jahren. sie ist seit neun monaten in schottland." maika schluckte. maika stahl sich im geiste davon. dann kam ihr mitbewohner in die küche. der mitbewohner schaltete herdplatten an und suchte in den gesichtern von maika und juri nach etwas und ein bisschen nach den richtigen worten und weil er keine fand, machte er apfelpfannkuchen. sogar maikas zimmer roch danach, später, als sie hinaus in die pfützen vier stockwerke darunter sah. wie sie so hinaus sah, da schaffte maika etwas, was sie nie von sich gedacht hätte. sie saß da, vollkommen zwischen sich, und schaffte es zu lachen, zu lächeln. juris blicke ließ sie abprallen, sie weinte nicht. sie weinte nicht einmal als juri nicht dabei war, eine ganze stunde lang verlor sie keine einzige träne, juri stand am küchenfenster und rauchte hinunter in den grünen hof, und draußen auf der straße, zwischen den pfützen auf die maika zuvor hinuntergestarrt hatte, packte er ihre schultern, so wie maika es bloß aus filmen kannte und fragte, was sie jetzt denke. dass es ehrlich gewesen sei, alles, was passiert sei. und was maika jetzt denke, noch einmal. "es ist grässlich, die zu sein, mit der irgendwer seine freundin betrügt" und das "irgendwer" sagte sie absichtlich wie jemand, der ausspuckt. in der tram weinte maika, da konnte sie nicht anders. es war als liefen ihre augen über, wie ein volles wasserglas. juri stieg kurz mit ihr aus, maika war froh, dass er nicht versuchte, sie zu berühren. sie war einer dieser menschen, die jeder kontakt noch mehr zum weinen brachte. stattdessen tat sie etwas, was sie in nervösen momenten immer tat: sie beschäftigte ihre hände. maika riss blüten von einem baum und steckte sie an ihren schwarzen pullover. die seien giftig, sagte einer später. maika störte das nicht. und juri? juri hob die hand zum abschied: er müsse nachdenken, herumfahren. maika wartete nicht ab, bis er nur noch ein punkt am horizont war, maika hatte es aufgegeben menschen nachzuschauen und noch einen blick zu erhaschen. als maika auf dem gelände ankam, weinte sie. zwei stunden lang. dann zitterte sie bloß noch und sog den duft der giftigen blume tief, als die anderen beim mittagessen saßen, das sie nicht hinunterbekam.



maika wusste nicht, was juri tun würde. die passivität schmerzte sie noch mehr als jede entscheidung, die juri treffen könnte. maika war sicher, dass er seine freundin nicht verlassen würde. maika war sicher, den kürzeren zu ziehen. maika war sicher, das alles eine große lüge gewesen war und nässte die schultern vieler, die sie traf, ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte. nicht einmal darüber sprechen konnte sie, weil ihr regelmäßig die stimme brach und die, die alles nur fragmentarisch wussten, warfen ihr mitleidende blicke zu. "was ist denn?" fragte maikas mutter zwischen zwei türen und maika log etwas zusammen, von dem sie wusste, dass die mutter es nie glauben würde, aber das war egal, in diesem moment. von da an lief auch maikas mutter mit dieser verzweiflung des halbwissens im gesicht herum und abends rief sie maikas mitbewohner an, um zu erfahren, was los war. "dass sie sich immer so in alles hineinstürzen muss", sagte die mutter, und "was soll denn werden, wenn sie dreißig ist? sie hat doch jetzt schon alles gelebt." und der mitbewohner erzählte maika davon, an die wohnungstür gelehnt und maikas hände fahrig auf dem laminat und in den haaren.

maika sah juri erst am abend wieder, als der himmel wieder bröckelte, wie vor einem gewitter. sein gesicht zu deuten schien maika ein einziges wagnis und sie glaubte, alle antworten schon zu kennen, wie es alte frauen von sich denken.

maika stellte sich darauf ein, dass ihr nach weinen sein würde und dass sie stark sein müsste. wie schon so viele male zuvor, als sei das leben nichts mehr als eine einzige wiederholungsschleife.



"i know you think i'm holding you down

and i've fallen by the wayside now

and i don't understand the same things as you

but i do"

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