Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

„Und – fickt er gut?“

Text: tomanic
Du kamst sehr spät, ich lag schon seit einer Weile im Bett. Schlaflos.

Seit 2 Stunden, 3 Stunden? Keine Ahnung.



Hatte versucht mich mit Fernsehen abzulenken, aber die Bilder fanden keinen Halt in meinem Kopf.

Ich sah Menschen, die sich liebten, sich anschrieen, um ihr Leben rannten, sah Explosionen, Geschosse, bescheuerte Hollywood-Monster und die noch lächerlicheren realen, die auf geschmacklosen Showbühnen vor hunderten mitklatschender Hände dumme Lieder sangen, ich sah perfide Jackass-Späße, Leute, die Milchfontänen kotzten, zerknitterte Korrespondenten, die sich schön gedrechselte Sorgen um die Welt machten – und sah nichts.



Außer dich, alleine auf der Party dieser bescheuerten Kuh, bei der ich noch nie verstanden habe, dass du sie zu deinen Freundinnen zählst.



Wir sind immer zusammen auf Partys gewesen, seit wir zusammen sind. Nicht aus Verpflichtung. Es hat uns einfach keinen Spaß gemacht – ohne den Anderen.



Und nun die Premiere ausgerechnet nach einem Riesenzoff. Wie soll man da schlafen.



Vielleicht hatte ich ja wirklich nicht das Recht dazu, mich so abfällig zu äußern über jemanden, der dir aus – verdammt-ich-weiß-wirklich-nicht-welchen – Gründen etwas bedeutet.

Aber sie ist nun mal einfach ein dämliches, oberflächliches Miststück.

Konnte noch nie auch nur einen anregenden Gedanken aus ihr rauskitzeln. Nur Beziehungstratsch, ungefragte Auskünfte über anderer Leute Angelegenheiten, vorgebracht wie Staccato-Maschinengewehrsalven, bei denen du keine andere Chance hast, als Deckung zu suchen und zu warten, bis es vorbei ist.



„Dann bleib halt hier“, hast du schließlich gesagt und ich hab’s getan.



Und das war eigentlich nur die Verdichtung einer undefinierbaren Spannung, die sich schon seit einigen Wochen in unser Leben geschlichen hatte – wie ein unsichtbarer Virus, der alles, was wir taten und sagten mit einer latenten Bösartigkeit infizierte.



Ich konnte die Bilder dieser Party virtuos in meinem Kummerkopf zusammensetzen, kannte all die üblichen Verdächtigen, die dort auftauchen würden, sah sie mit ihren Becks-Flaschen und Zigaretten lässig jonglieren, dazu frivol und übertrieben lächeln; ihre Seitenblicke, mit denen sie zwischendurch abscannten, ob ihnen keine avisierte Aufmerksamkeit abhanden käme.



Und ihn sah auch. Party’s Liebling derzeit. Bloß weil er mit seiner opportunen Deutsch-Hip-Hop-Band ( „du brichst das Eis in meiner Seele, so dass ich mich nicht mehr quäle….“) gerade einen Deal mit dem Produzenten von Xavier Naidoo abgestaubt hat.



Den fandst du auch so toll. „Ist doch super, wenn’s mal einer schafft“, hast du zu mir gesagt, aber ich habe gehört: ‚der macht eben Musik, die die Leute hören wollen, nicht so Trauerkloß-Mucke wie du’.



Bei „Frauen über 40 machen alles für dich“, hab ich mit dem Zappen aufgehört und bin in die Koje.



Und lag da und hab mir vorgestellt, wie er dich gerade zu seinem Eisbrecher macht –auserkoren aus all den überdrehten Mädels, die den ganzen Abend um ihn herum schlawenzelt sind.



Hab so getan, als schliefe ich, als ich den Schlüssel im Schloss hörte.



Leise hast du dich zu mir gelegt und dabei den Dunst der Party mitgebracht, den Geruch viel zu vieler Kippen und Drinks.



Bist schnell eingeschlafen - ich weiß genau, wie du atmest, wenn du schläfst.



Warum bin ich nur noch mal aufgestanden? Oder vielmehr: wäre es besser gewesen, liegen zu bleiben? Darauf zu spekulieren, dass du einen guten Abend hattest ohne mich und dein schlechtes Gewissen deswegen dich morgen wieder in meine Arme treiben würde?



Scheiße, ich bin aufgestanden, wie von fremder Hand gesteuert, bin die Treppe runter ins Bad, zum Wäschekorb. Dein Slip war nicht einmal darin verbuddelt. Und in ihm waren frische Spuren von Sperma.



Der Wichser hatte noch nicht einmal ein Kondom benutzt! Als würdest du ihm sowieso gehören.



Und ich sitz da, neben dem Wäschekorb, zittere am ganzen Körper und kann an nichts denken, als daran, wie er dich auszieht, deinen Körper mit seinem Mund (seinem Großmaul…) erkundet, wie du ihn leckst und streichelst und er schließlich seinen gottverdammten Schwanz in dich steckt.



Und es fühlt es so erbärmlich an, dass es mir nicht gelingen will, an den Verlust von Nähe und Vertrautheit, von gemeinsamem Lachen und codierten Wortspielen zu denken, sondern nur diesen Porno im Kopf zu haben.



Eifersucht zieht dich einfach in runter in den Dreck deiner Seele, sie degradiert Liebe auf ein animalisches Niveau, und der geliebte Mensch ist plötzlich mehr ein verlorenes Revier als eine verbündete Seele.



Ich fühle einen dreckigen Hass und überlege mir zig Variationen, wie ich dir nach deinem Aufwachen begegnen könnte: „Und – fickt er gut?“ – ist nur eine von den dämlichen Plattitüden, die mir einfallen. Du würdest aufhören, in deinem Kaffe zu rühren, erkennen, dass Verteidigung zwecklos ist und in irgendeine Form von Offensive übergehen. Und das wär’s dann.



Dass ich haltlos vor mich hin schluchze, merke ich erst, als ich deine Hand auf meiner Schulter spüre und du sagst: „Ich habe einen riesengroßen Fehler gemacht. Es tut mir so leid.

Ich würde alles dafür geben, dass das nicht passiert wäre. Ich liebe dich, auch wenn du mich jetzt zum Teufel jagen wirst!“



Ich lasse deinen Slip fallen und sehe hoch zu dir.

Da sind immer noch diese Augen, ohne die ich keinen Tag beginnen will.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: