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Ja, ich war ein ungezogenes Mädchen...

Text: Mia_Miranda
…UND JETZT VERSOHL MIR DEN ARSCH DU SAU

Seit ich vier bin, hat mir niemand mehr so richtig anständig den Hintern versohlt. Ich glaube genau das ist der Grund, dass ich heute so ein schlechter Mensch bin. Nur ganz selten biete ich Schwangeren in der S-Bahn meinen Platz an, freue mich sogar irgendwie noch, dass ich sitze und die anderen nicht. Oft werde ich dafür von Menschen mit einem tadelnden Blick gestraft, Menschen, die selbst den Platz nicht räumen und vielleicht gerade mal zehn Jahre älter sind als ich. Beim Autofahren kann ich mich einfach nicht zurückhalten, immer wieder sprudeln die schmutzigen Wörter nur so aus mir heraus, wenn ich dann richtig in Form gekommen bin und mir meine letzten Hemmungen weggeflucht habe, dann mache ich auch noch das Fenster runter und pöble sogar Hausfrauen in Familienwagen an. Den Hintern hat mir dafür noch niemand versohlt, nicht mal Fernsehverbot oder eine Standpauke habe ich bekommen. Wenn mich jemand auf der Straße bittet, kurz an einer Umfrage teilzunehmen, bin ich meistens sehr unfreundlich, dann fühle ich mich sogar richtig gut, wenn ich einfach weiter gehe, weil ich dann ja gewonnen habe. Einmal habe ich beobachtet, wie einem alten Mann der Geldbeutel runter gefallen ist, als ich ihm helfen wollte das Geld aufzuheben, hab ich ein paar mit dem Stock gekriegt und wurde beschimpft, dass ich ihn bestehlen wolle. Wenn heute jemandem was runter fällt zucke ich innerlich zusammen. Tief in meiner Seele habe ich immer noch Angst, dass gleich der Opa wieder dasteht und mich mit dem Stock verjagt. An der Kasse drängle ich mich manchmal vor, einfach so, ohne Rücksicht darauf, dass die Frau hinter mir einen vollen Wagen und zwei schreiende Kinder dabei hat. Viel lieber beschwere ich mich über das Quengeln der Kinder. Zur Kassiererin bin ich meistens freundlich, weil sie immer so nervös ist, mit der Kasse und dem Geld und eigentlich nur, weil sie mir meistens zwei Euro zu viel raus gibt. Ich sage ihr das nie, ganz schnell packe ich immer meine Sachen zusammen und renne aus dem Geschäft, so was rettet oft meinen Tag. Der Kassiererin ist das wohl öfters passiert, die arbeitet seit zwei Tagen nämlich nicht mehr da, die Neue mag ich nicht, die gibt immer genau raus, dank ihr kann ich mir meine Nikotinsucht nicht mehr finanzieren.

Aber heute Morgen hat mir der Busfahrer vor der Nase die Tür zugemacht, da habe ich Besserung gelobt, vielmehr ich habe erst geflucht, dann Passanten beschimpft und dann habe ich Besserung gelobt. Und am besten hätte mir der Busfahrer noch anständig den Hintern versohlt, dann würde ich die nächsten Tage beim Hinsetzten immer an ihn denken und nicht gleich wieder raus auf die Straße gehen und einem Kind den letzten Lolli vor der Nase wegschnappen.

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