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Niemand nimmt die Netten

Text: EtwasdasmanmaggibtmankeinenoriginellenNamen
Hobby-Psychologie, hemmungslose Verallgemeinerungen, eine Prise Nietzsche und ein Graf Bobby Witz – voilà: eine erschöpfende Abhandlung über ein viel beklagtes Phänomen.



Frauen stehen bekanntlich auf Arschlöcher. Die Netten, die zuhören können? Missbraucht als emotionaler Mistkübel, von Anfang an chancenlos. Die Problematik wird oft genug erörtert, ich möchte nun 2 dabei immer wieder auftauchende Irrtümer beheben.



Irrtum Nr. 1:

Dieses Phänomen ist ein rein weibliches.



Kommt schon, Burschen. Bei euch läuft das nicht anders. Klar, ihr geizt vielleicht weniger mit Geschlechtsverkehr, aber wer ist es, dem ihr letztlich immer wieder mit Haut und Haar verfallt? Doch auch eher nicht das liebe Mädel. Sondern die Femme Fatale.



Das Folgende wird also überwiegend aus weiblicher Sicht geschildert, ist aber umgekehrt das Gleiche in grün.



Irrtum Nr. 2:

Dieses Phänomen ist auch nur ansatzweise bemerkenswert, da mysteriös.



Das Alles ist in etwa so geheimnisvoll wie der Stau zu Ferienbeginn und die Geldknappheit am Monatsende. Die Gründe sind zahlreich und offensichtlich:



1.) Masochismus



2.) Zu schön, um wahr zu sein.



Wir schließen von uns selbst auf andere. Irgendwo müssen sie also sein, die dunklen Flecken auf der weißen Weste und wenn bis jetzt noch nichts davon zu sehen war, dann heißt das nur, dass uns diese unliebsame Entdeckung erst bevorsteht - aber erst zu einen Zeitpunkt, an dem wir endgültig eingelullt durch so viel Sensibilität jegliche Wachsamkeit aufgegeben haben und am verletzlichsten sind. Diese Aussicht hängt wie ein Damokles-Schwert über der Beziehung.



2.) a.) Niemand mag einen Heuchler.



Ich warte zum Beispiel immer noch auf den Mann, der sich partnerschaftlich benimmt, einfach aus einem inneren Bedürfnis heraus, nicht wie der letzte Affe daher zu kommen. Tatsache ist, dass all die Nettigkeiten tatsächlich weitgehend Heuchelei zu sein scheinen, sonst würdet ihr nicht dauernd ausbleibende Gegenleistungen einklagen. Tugend ist sich nämlich selbst ihr Lohn und ihre Unbedanktheit daher nahezu konstituierend.



3.)"Du bist zu gut für mich."



Das ist keine fadenscheinige Ausflucht. Wir selbst sind nämlich nicht immer gar so arg nett und neben Herrn Halb-Schon-Heilig daher quasi verdammt zu einem Leben voller Minderwertigkeitskomplexe und Schuldgefühle. Ja, und wir müssen auch ein bisschen an die Zukunft denken, wenn wir im Rosenkrieg die jeweiligen Verfehlungen der Vergangenheit gegeneinander aufrechnen werden, wozu uns der Nette einfach zu wenig Munition liefert.





4.) Wo bleibt das Feuer?



Nette Menschen bieten zu wenig Reibungsflächen. Durch Reibung enstünde aber Hitze und die wäre bekanntlich nicht schlecht fürs Liebesleben.





5.) Die Logik des Marktes.



Je höher das Angebot, desto niedriger der Preis. Und was nichts kostet, ist nichts wert. Wer nett ist, ist freigiebig mit Zuwendung und Zuneigung und das ist kontraproduktiv, weil:



5.)a.)Wir brauchen die Herausforderung.



Was wir betreiben, ist nicht die "Suche nach der verlorenen Hälfte", wie in der alten Sage. Es ist ein verdammter Sport. Und der Sprung vom Fünf-Meter-Brett ist besser für das Ego als der Sprung vom Beckenrand. Wir wollen gar keinen, der es uns leicht macht, ihn zu lieben.



5.b.) Wir brauchen die Auszeichnung.



Wenn jemand, der nett ist, etwas Nettes zu uns sagt, ist das nichts Besonderes. Das Arschloch hingen inspiriert immer zur reizvollen Phantasie: Ja, zu allen anderen ist er grauslich, aber zu mir…



6.) Sklavenmoral ist unsexy



Nietzsches Theorie zufolge ist Moral nichts als ein Erpressungsmittel, das sich die Zukurzgekommenen ausgedacht haben, um den von der Natur Bevorzugten doch noch irgendwie am Zeug zu flicken, um sich einen Maßstab zu schaffen, dem sie selbst auch genügen können Kurz: Wer nett hat’s nötig.



7.) Es ist alles ein schlechter Witz.



Graf Bobby besucht Graf Mucki und findet ihn von der Haustür, verzweifelt nach seinem Schlüssel suchend. Wo hast ihn denn normalerweise, fragt Graf Bobby. - In der linken Manteltasche. – Und warum schaust dann nicht da?



Weil wir nicht dort suchen, wo wir Gefahr laufen, fündig zu werden. Den Schlüssel nicht in der Manteltasche und die Liebe nicht bei denen, die bereit dazu sind. Weil wir uns sehnen müssen. Nach etwas, das uns ganz macht. Und da ist dieser dumpfe Verdacht, dass wir vielleicht nicht alles haben können, nicht gleichzeitig und dass immer irgendwo in uns dieses Loch bleiben wird. Beim Arschloch wissen wir wenigstens, woran die Liebe scheitert. Aber bei jemand, bei dem die Liebe möglich sein könnte – was, wenn es dann die Liebe ist? Was, wenn das Loch trotzdem bleibt?



Und warum schaust dann nicht da, fragt Graf Bobby. Weil, sagt Graf Mucki, wenn er da auch nicht ist...



Dann hab ich meine letzte Hoffnung verloren.

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