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Emo-Sex und

Text: messypulp
Dicke-Mädchen-Literatur erkennen und verstehen. Ein Genre wird erkundet. Oder: puster erkundet den Weg zwischen messypulps Beine.

Es war einmal ein Tag, an dem puster sich vornahm, messypulp im Sturm zu erobern. Ihm war klar, dass das nicht einfach werden würde, aber als belesener Jetztler wusste er frei nach Herr_K:



"Der Weg zum Herzen einer Frau führt über ihren Kopf. Der zwischen ihre Beine auch."



Und so beschloss puster, mit einem eigenen Wikipedia-Eintrag aufzuwarten und verfasste ein Stück Sachliteratur, wie es keine kluge Frau unbeeindruckt lassen konnte, zu einem Thema, das zielsicher jedes Gemüt erregte. Und um Erregung ging es ihm schließlich.



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Def.: Dicke-Mädchen-Literatur



1. Allgemeines



Dicke-Mädchen-Literatur, die (neudt.) a) literarische Subgattung einer prosaischen Kurzform der Epik, die eine dichte Aneinanderreihung klischierter Gefühlssituationen beinhaltet und das Schicksal einer weiblichen Einzelperson, in der Regel in Ich-Form, im Kontext einer humiden Umgebung (vgl. Hedwig Rain: Bedeutung von Tiefdruckgebieten im Umfeld der Trivialliteratur, Schlechtwetterverlag, Regensburg, 2005) beschreibt; b) Beleidigung; Als Genrebezeichnung hat sich im Laufe der Zeit der umgangsprachliche Begriff der Emo-Literatur (vgl. -> emo, adj.) etabliert und zur Genese des Verbs caken (), rglm. (ich cake, du cakest, er/sie/es caked; passiv: ich wurde gecaked) beigetragen. Dass dieses Verb auf die Orangenkekse von Griesson Soft Cake zurückzuführen ist, ist eine sog. urban legend, gegen deren imageschädigende Weiterverbreitung das Unternehmen eine einstweilige Verfügung erwirkt hat.



2. Der/die Autor/in



In aller Regel handelt es sich um eine Autorin, wenngleich auch vereinzelt männliche Autoren Dicke-Mädchen-Literatur veröffentlichen (siehe -> metrosexuell, adj.). Der Name leitet sich aus dem typischen Erscheinungsbild der landläufigen Autorin ab und könnte daher auch treffend Kegelrobbenliteratur heißen. Um einer falschen Einordnung in den Bereich Fachbuch -> Biologie -> Tierbuch -> Dokumentation vorzubeugen, wurde jedoch die derzeitige Bezeichnung gewählt. Weiterhin gilt ein signifikanter Drang der Autorin, die Handlungsträgerin sowohl als emotional tiefgehende als auch attraktive Person darzustellen (siehe -> Science Fiction).



3. Inhalt



Häufig ist eine dokumentarisch angehauchte emotionale Krisensituation der Protagonistin Gegenstand der Story, die sich durch den Kontrast einer vermeintlichen Alltagssituation mit einem außergewöhnlichen gefühlsmäßigen Spannungsfeld auszeichnet. Desweiteren obligatorisch sind homophobe Witterungsbedingungen in Form von stark wasserstoffhaltigem Niederschlag, vulgo: schlechtes Wetter. Typischerweise werden heterosexuelle Beziehungsanbahnungen im Stile des Kitschromans beschrieben, deren ausschweifende Larmoyanz durch vermeintlich bedeutungsschwangere Ellipsen (bspw. “Im Regen.“ oder „Noch immer.“) und tendenziell hyperbolische Metaphern verstärkt wird („…Tränen wie Regentropfen.“, „…Herzschläge wie Donner.“). Unabdingbarer Bestandteil des Textes sind explizite Beweihräucherungssentenzen der Protagonisten durch weitere Figuren der jeweiligen Geschichte.



4. Identifikation



Dicke-Mädchen-Literatur kann vor allem durch Schlagwortsuche (Tränen, Regen, Nebel, Dunkelheit, Fahrräder, Karussell, Wasser) oder durch Klischeeauszählung geortet werden, wobei letzteres Verfahren die Anwendung der so genannten Emo-Formel erfordert (weibliche Protagonistin (y) + (weibliche Protagonistin (y) + (H2O-Vorkommen Klischee pro Satz x Worthäufigkeit „Ich“) / Summe Sätze). Ein ebenso verlässlicher Indikator ist das ausgeprägte Identifikationsbedürfnis der Leserschaft, bzw. der inkontinente Drang, dieses kundzutun („Ich fühle genauso.“)



5. Fazit



The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy schreibt dazu, dass Dicke-Mädchen-Literatur „(…) als Reaktion auf unerfüllte Phantasien pubertierender (vom Affen abstammender) Mädchen vorzugsweise im Kreise Gleichgesinnter veröffentlicht wird, um fehlende Zuneigung sowie gesellschaftliche Anerkennung (siehe -> Halluzination, die, -en) durch ebenfalls fehlendes Talent auszugleichen.“



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Messypulp las aufmerksam und puster wartete geduldig, bis sie sich vom Bildschirm wieder ab- und ihm zuwandte. Er sah erwartungsvoll in ihre tiefgründigen grünen Augen, doch ihr unergründlicher Blick war unmöglich zu deuten. Er konnte nicht wissen, dass es nichts weiter als ein profanes Blöde-Glupschen war, und sie gerade so viel verstand wie Kachelmann von rechtsdrehenden Milchsäuren.



Erneut inspirierte Herr_Ks überragende Lebenshilferhetorik pusters Bemühungen:

"Frauen mögen Poesie. Und noch viel mehr mögen sie es, wenn man ihnen diese Poesie vorliest."

Also nahm er messy bei der Hand und führte sie hinaus in die Welt, kniete anschaulicherweise in eine Pfütze vor ihr nieder und rezitierte folgende Verse, während sich der saure Regen mit seinen salzigen Tränen vermischte:



Das Leben

ist wie ein Schwanz im Regen

nicht aufzulösen

nicht in Metaphern aufzubröseln,

aber hart, wenn es Widerstand begegnet,

vor allem, wenn es dabei regnet.

Oder nieselt. Oder zumindest pieselt.



Das Leben

überrollt uns mit Tränen, wir beben

wie ein Meer im Regen

in dem wir weinend schweben

und melancholisch wedeln

mit Räucherstäben.

Auf einem Fahrrad.



Das Leben

ist kein Eiertanz

um den Schwanz,

drum geht's an regenreichen Tränentagen

uns bei der Frage aller Fragen:

handgemacht oder mundgeblasen?

nie um Schwänze, nur um Blumenvasen.

Und schalenartige Gefäße für Heißgetränke ohne Henkel.



Das Leben

kann so emo sein,

man muss sich nur Mühe geben.

Und dann, ganz fein,

gibt die Bilanz

der ganzen Emo-Penetranz

noch mehr Stimmungsdissonanz

und soo+++++++oo viele Lebenswert-Punkte.



Messypulp hatte zwar nicht ganz verstanden, worum es ging, aber es kamen "Tränen" und "Regen" darin vor, und das ging soooo tief - bis in die tiefsten Öffnungen ihrer Seele. Und auch ihre weniger spirituellen Öffnungen empfingen puster daraufhin ekstatisch. So ist das eben bei den Künstlern.



Und wenn sie nicht gestorben sind, dann haben sie bis heute noch ganz wilden Sex. Der geht so:



"Aaaah"

"Ja, geht mir genauso."

"Ooooh"

"Ja, das kann ich so gut nachvollziehen!"

"Uuuuh"

"Ich versteh dich so gut!"

"Ich komme!"

"Ich weiß genau, wie du dich fühlst!"



Das ist sooooo schön.

*

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