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This girl is tocotronic
Ich habe ein TV Spielfilm Abo. Und ich halte es für das Rockigste, was ich überhaupt je hatte. Nicht, weil es eine tolle Fernsehzeitung wäre, sondern weil es ein Zeugnis ist. Ein Zeugnis für Liebe und Leidenschaft. Liebe und Leidenschaft zu Tocotronic.
Im Juni bin ich mit meiner besten Freundin Lene nach Augsburg zur MTV Campus Invasion gefahren, um Tocotronic, die Band unserer Freundschaft zu sehen.
Als wir ankamen erschraken wir ganz fürchterlich: eine endloslange Schlange und irgendjemand plärrte über uns hinweg, dass es keine Karten mehr geben würde.
Das war dumm, denn Karten hatten wir keine.
So lungerten wir herum, schrieben einen Zettel, auf dem in kleinen Buchstaben stand, dass wir 2 Karten bräuchten. Mitleidige Blicke gab es ausreichend, aber Tickets wollte uns keiner schenken. Ein Augsburger Junge setzte sich sogar zu uns und gab uns einen Schluck Wein ab, weil wir so traurig aussahen. Das half ja aber auch nichts und wir mussten uns was einfallen lassen, denn wir wollten Tocotronic sehen;
/ denn das war jetzt der einzige Zweck.
Also ging ich zu einem Ordner und fragte ihn verzweifelt, was wir da machen könnten, und er zwinkerte und sagte: "Wenn die Schlange kleiner ist und das Konzert angefangen hat und ihr ganz lieb fragt, dann lassen die Ordner so hübsche Mädchen wie euch auch mal so rein." Das gab uns Mut, aber im Grunde konnten wir nicht abwarten und hoffen.
Deswegen striffen wir umher, um mögliche Schwachstellen in der Undurchdringbarkeit des Schutzwalls aufzutun und für uns zu nutzen. Drüberklettern, schnell durchrennen, durch Gänge des Unigebäudes irren....alles ! Unsere waghalsigen Pläne durchkreuzte, dass ich dringend pinkeln musste.
So schlugen wir uns in die Büsche. Zu spät merkten wir, dass die Büsche stachen, pieksten, kratzten und an den Haaren ziepften. Ich hatte mir einen Dorn in den Daumen gerammt ehe ich auch nur ans Pinkeln denken konnte...Doch die Dornröschenfreundinnen meisterten auch diese Hürde und versuchten weiterhin alles, um zu ihren Prinzen Arne, Jan und Dirk zu gelangen und den Schloßgraben zu überwinden.
Vielleicht konnte man sich akkreditieren, wenn schon die Absperrung nicht zu überwinden war? Nur wie? Wir setzten uns auf die Wiese vor dem Eingang und ich schmiedete Pläne für den großen Coup, als uns ein Typ ein TV Spielfilm Abo andrehen wollte. Wir lehnten dankend ab und ich ärgerte mich weiter, meinen Presseausweis fürs Radio nicht dabei zu haben, den Bekannten von MTV nicht gut genug zu kennen, um ihn um einen Gefallen bitten zu können, und auch darüber, dass alle dahergelaufenen Augsburger sich bei der städtischen Sparkasse schon lange Karten gekauft hatten, " Wenn schomal was losch is, gä ".
Ich entwickelte gewagte Szenen in meinem Kopf, die alle den Konsens hatten: " Ich muss da rein, du Akkreditierlümmel, und wenn du dein Leben nur ein bisschen liebst, dann gibst du mir ein hässliches rosa Plastikband, SOFORT, und alles wird gut."
Die Idee war gut, doch ich noch nicht bereit. Ich traute mich nicht.
Wir beschlossen, noch einmal das Gelände zu umzingeln, um nicht tatenlos herumzusitzen.
Auf dem Weg kam uns ein junger Mann entgegen und eigentlich nahm ich nur sein rosa Band um sein Handgelenk wahr. Das war meins! Ich lief gradewegs auf ihn zu, lächelte, und fragte ihn, ob er noch eins hatte. Er zögerte und ich witterte unsre Chance.
Ich erzählte ihm davon, dass wir extra aus München gekommen waren und dass wir unbedingt Tocotronic sehen wollten und dass wir keine Karte hatten, vielleicht erzählte ich auch, dass ich meinen Presseausweis vergessen hatte. Auf alle Fälle klappte es tatsächlich!!
Der Typ hatte eine Werbeagentur und noch ein anderes VIP- Bändchen für uns. Der Deal war einfach: Wir sollten den Leuten Abos andrehen, er verschaffte uns dafür Zutritt. Dazu mussten wir uns erstmal als ordentliche Promogirls ausstaffieren lassen: Schwarze Taschen mit Kulis, Keyholdern, Lutschern, Karten und Klemmbrett und wir mussten beide ein blütenweißes Sweatshirt mit TV Spielfilm- Aufdruck anziehen.
Wir sahen entsetzlich aus und ich ahnte, dass es sich so anfühlen muss, seine Seele zu verkaufen.
Dann bekam ich endlich das Stück rosa Plastik. Lene sollte ihres innen bekommen und sich mit uns reinschmuggeln. Doch: "Bitte setzt doch noch die weißen Käppies auf, das will der Auftraggeber so." Es gab kein Zurück, wir mussten acuh ncoh die Käppies aufsetzen.
Die Zeit bis zum Konzert überbrückten wir tatsächlich damit, ganz in weiß und völlig entstellt, Abos an Betrunkene zu verkaufen. So gut das eben geht.
Und nach einer halben Stunde oder so spielten sie dann auch endlich- und es war alle Mühen wert.
Doch dann wendete sich alles noch einmal: Ich merkte nach dem Konzert , dass ich den ausgezogenen schneeweißen Pulli im Gerangel und Gehüpfe verloren hatte. Mein Blick wanderte auf den Boden: Matsch.
Ich war wirklich zerknirscht und Lene und ich beschlossen schließlich, nicht weiter danach zu suchen, weil es noch viel blöder wäre, einen zerrissenen matschbraunen Pulli zurückzugeben als gar keinen.
Wir hatten also erneut ein Problem zu lösen: Die Taschen abzugeben, ohne den Pulli ersetzen zu müssen. Mit unseren immerhin vier verkauften (gut, eins hab ich eben auf meinen Namen ausgefüllt) Abos ließen wir uns blicken. Mein Herz hörte kurz auf zu schlagen, als der Werbetyp uns fragte, wo denn die ganzen Sachen seien. Ich antwortete, die hätten wir in die Taschen gestopft; gerade als er nachschauen wollte, hatte Lene das Thema auf unsre Bezahlung gelenkt, die uns natürlich scheißegal war.
So schnell es ging, machten wir uns aus dem Staub, denn ich wollte nicht im letzten Moment als Lügnerin enttarnt, des Geldes benommen und der Moral gepredigt bekommen. So liefen wir zügig zu Lenes treuem Auto Marco Polo um abzuhauen.
Wir glucksten und freuten uns, klatschten in unsere Hände, waren aufgewühlt, verklebt, müde und glücklich, denn wir wussten, dass wir die Besten waren:
Wir hatten alles gewagt und alles gewonnen.
Gut, wir haben unsere Seele an TV Spielfilm verkauft. Aber für Tocotronic. Und das wars wert.
Für Lene, die am Samstag wegzieht.
Du bist der Jackpot meines Lebens ;-)
Im Juni bin ich mit meiner besten Freundin Lene nach Augsburg zur MTV Campus Invasion gefahren, um Tocotronic, die Band unserer Freundschaft zu sehen.
Als wir ankamen erschraken wir ganz fürchterlich: eine endloslange Schlange und irgendjemand plärrte über uns hinweg, dass es keine Karten mehr geben würde.
Das war dumm, denn Karten hatten wir keine.
So lungerten wir herum, schrieben einen Zettel, auf dem in kleinen Buchstaben stand, dass wir 2 Karten bräuchten. Mitleidige Blicke gab es ausreichend, aber Tickets wollte uns keiner schenken. Ein Augsburger Junge setzte sich sogar zu uns und gab uns einen Schluck Wein ab, weil wir so traurig aussahen. Das half ja aber auch nichts und wir mussten uns was einfallen lassen, denn wir wollten Tocotronic sehen;
/ denn das war jetzt der einzige Zweck.
Also ging ich zu einem Ordner und fragte ihn verzweifelt, was wir da machen könnten, und er zwinkerte und sagte: "Wenn die Schlange kleiner ist und das Konzert angefangen hat und ihr ganz lieb fragt, dann lassen die Ordner so hübsche Mädchen wie euch auch mal so rein." Das gab uns Mut, aber im Grunde konnten wir nicht abwarten und hoffen.
Deswegen striffen wir umher, um mögliche Schwachstellen in der Undurchdringbarkeit des Schutzwalls aufzutun und für uns zu nutzen. Drüberklettern, schnell durchrennen, durch Gänge des Unigebäudes irren....alles ! Unsere waghalsigen Pläne durchkreuzte, dass ich dringend pinkeln musste.
So schlugen wir uns in die Büsche. Zu spät merkten wir, dass die Büsche stachen, pieksten, kratzten und an den Haaren ziepften. Ich hatte mir einen Dorn in den Daumen gerammt ehe ich auch nur ans Pinkeln denken konnte...Doch die Dornröschenfreundinnen meisterten auch diese Hürde und versuchten weiterhin alles, um zu ihren Prinzen Arne, Jan und Dirk zu gelangen und den Schloßgraben zu überwinden.
Vielleicht konnte man sich akkreditieren, wenn schon die Absperrung nicht zu überwinden war? Nur wie? Wir setzten uns auf die Wiese vor dem Eingang und ich schmiedete Pläne für den großen Coup, als uns ein Typ ein TV Spielfilm Abo andrehen wollte. Wir lehnten dankend ab und ich ärgerte mich weiter, meinen Presseausweis fürs Radio nicht dabei zu haben, den Bekannten von MTV nicht gut genug zu kennen, um ihn um einen Gefallen bitten zu können, und auch darüber, dass alle dahergelaufenen Augsburger sich bei der städtischen Sparkasse schon lange Karten gekauft hatten, " Wenn schomal was losch is, gä ".
Ich entwickelte gewagte Szenen in meinem Kopf, die alle den Konsens hatten: " Ich muss da rein, du Akkreditierlümmel, und wenn du dein Leben nur ein bisschen liebst, dann gibst du mir ein hässliches rosa Plastikband, SOFORT, und alles wird gut."
Die Idee war gut, doch ich noch nicht bereit. Ich traute mich nicht.
Wir beschlossen, noch einmal das Gelände zu umzingeln, um nicht tatenlos herumzusitzen.
Auf dem Weg kam uns ein junger Mann entgegen und eigentlich nahm ich nur sein rosa Band um sein Handgelenk wahr. Das war meins! Ich lief gradewegs auf ihn zu, lächelte, und fragte ihn, ob er noch eins hatte. Er zögerte und ich witterte unsre Chance.
Ich erzählte ihm davon, dass wir extra aus München gekommen waren und dass wir unbedingt Tocotronic sehen wollten und dass wir keine Karte hatten, vielleicht erzählte ich auch, dass ich meinen Presseausweis vergessen hatte. Auf alle Fälle klappte es tatsächlich!!
Der Typ hatte eine Werbeagentur und noch ein anderes VIP- Bändchen für uns. Der Deal war einfach: Wir sollten den Leuten Abos andrehen, er verschaffte uns dafür Zutritt. Dazu mussten wir uns erstmal als ordentliche Promogirls ausstaffieren lassen: Schwarze Taschen mit Kulis, Keyholdern, Lutschern, Karten und Klemmbrett und wir mussten beide ein blütenweißes Sweatshirt mit TV Spielfilm- Aufdruck anziehen.
Wir sahen entsetzlich aus und ich ahnte, dass es sich so anfühlen muss, seine Seele zu verkaufen.
Dann bekam ich endlich das Stück rosa Plastik. Lene sollte ihres innen bekommen und sich mit uns reinschmuggeln. Doch: "Bitte setzt doch noch die weißen Käppies auf, das will der Auftraggeber so." Es gab kein Zurück, wir mussten acuh ncoh die Käppies aufsetzen.
Die Zeit bis zum Konzert überbrückten wir tatsächlich damit, ganz in weiß und völlig entstellt, Abos an Betrunkene zu verkaufen. So gut das eben geht.
Und nach einer halben Stunde oder so spielten sie dann auch endlich- und es war alle Mühen wert.
Doch dann wendete sich alles noch einmal: Ich merkte nach dem Konzert , dass ich den ausgezogenen schneeweißen Pulli im Gerangel und Gehüpfe verloren hatte. Mein Blick wanderte auf den Boden: Matsch.
Ich war wirklich zerknirscht und Lene und ich beschlossen schließlich, nicht weiter danach zu suchen, weil es noch viel blöder wäre, einen zerrissenen matschbraunen Pulli zurückzugeben als gar keinen.
Wir hatten also erneut ein Problem zu lösen: Die Taschen abzugeben, ohne den Pulli ersetzen zu müssen. Mit unseren immerhin vier verkauften (gut, eins hab ich eben auf meinen Namen ausgefüllt) Abos ließen wir uns blicken. Mein Herz hörte kurz auf zu schlagen, als der Werbetyp uns fragte, wo denn die ganzen Sachen seien. Ich antwortete, die hätten wir in die Taschen gestopft; gerade als er nachschauen wollte, hatte Lene das Thema auf unsre Bezahlung gelenkt, die uns natürlich scheißegal war.
So schnell es ging, machten wir uns aus dem Staub, denn ich wollte nicht im letzten Moment als Lügnerin enttarnt, des Geldes benommen und der Moral gepredigt bekommen. So liefen wir zügig zu Lenes treuem Auto Marco Polo um abzuhauen.
Wir glucksten und freuten uns, klatschten in unsere Hände, waren aufgewühlt, verklebt, müde und glücklich, denn wir wussten, dass wir die Besten waren:
Wir hatten alles gewagt und alles gewonnen.
Gut, wir haben unsere Seele an TV Spielfilm verkauft. Aber für Tocotronic. Und das wars wert.
Für Lene, die am Samstag wegzieht.
Du bist der Jackpot meines Lebens ;-)