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zu viele Menschen können einfach nicht mit Alkohol umgehen
Es gibt so viele kaputte Menschen in Hamburg, mit kaputten Leben, in der Stadt, im Bus, in meinem Haus.
Die Alkoholikerin aus dem 9. Stock, der ich oft im Fahrstuhl begegne, sieht noch schlechter aus als sonst und sagt "Heute ist ein schlimmer Tag".
Sie hat blondierte Haare, so dünn, dass man die Kopfhaut durchschimmern sieht. Ein großes Gesicht mit einer großen, leicht blau getönten Brille und schlaffer Haut. Sie riecht nach Rauch und immer auch ganz leicht nach Alkohol. Sie trägt Leggings und Stöckelschuhe, in denen sie sehr unsicher geht, überhaupt sind ihre Bewegungen fahrig und wackelig, auch ihr Kopf wackelt immer beim Reden. Ihrer Stimme hört man an, dass sie seit zwanzig Jahren Kette raucht. Sie sagt, sie fühle sich, als ob sie gleich zusammenklappe, sie habe seit Ewigkeiten nicht geschlafen. Ihr Mann sei schwerer Alkoholiker. "Der steht schon um sieben Uhr morgens vor meiner Tür, schläft gar nicht. Ich schaffe das nicht mehr." Ihr Mann wohnt im Haus nebenan, sie besucht ihn immer, deswegen fährt sie auch so viel Fahrstuhl. Ihre Augen sehen in letzter Zeit viel stumpfer aus. Im Winter hat sie mir von ihrer Augenoperation erzählt, Grauer Star oder so. 9. Stock, sie steigt aus. Ich traue mich nicht, ihr einen schönen Tag zu wünschen, diese Abschiedsfloskel, die ihr wie ein Hohn vorkommen muss. Ich bin erstaunt über ihre Offenheit.
(Einschub: Übrigens wirken ja nicht alle Männer mit Dreitage- oder längerem Bart stark und würdevoll, manche sehen damit einfach Entschuldigung- aus wie Penner, zumindest wie Alkoholiker, z.B. Thomas Fritsch, bekannt aus "Rivalen der Rennbahn", und der derzeitige Henning von Anstetten aus "Verbotene Liebe". "Heroin-Chic" war vielleicht perverserweise chic, aber einen "Alkohol-Chic" wird es nie geben, das ist einfach nie chic, zu Recht.)
Vorher im Bus setzt sich ein etwa 50Jähriger in Lederklamotten und mit langen grauen Haaren mir schräg gegenüber. Er hat Bartstoppeln im eingefallenen Gesicht, dunkelrote Haut und riecht ziemlich intensiv nach Alkohol, dieser fiese beißende Geruch, der einem Trinker bei entsprechendem Pegel überall aus der Haut strömt. Ich glaube, er hat auch eine Bierdose in der Hand, ich mag nicht so genau hinsehen, hinriechen. Zwei Stationen weiter steigt ein ähnlich aussehender Mann mit wässrigen Glubschaugen und einer Halbliter-Holsten-Dose ein, er setzt sich zu dem Altrocker, die beiden begrüßen sich freundschaftlich. Sie haben sich anscheinend länger nicht gesehen, denn es gibt erstmal ein Update. Welche Drogen sie zur Zeit nehmen, "Koks, ja, das nehme ich auch manchmal, Ketamin auch...", "Und, haste schon AIDS? Nee? Ich auch nicht." Der mit den Glubschaugen fängt dann an, von der Arbeit zu reden, und dass er heute Urlaub bekommen habe. Es wundert mich schon, dass er überhaupt Arbeit hat, ich frage mich, was das für ein Job sein kann, im Büro sicher nicht. Ich kriege nur Satzfetzen mit, "dann trennt sich die Spreu vom Weizen,... wir sind ja schließlich Deutsche,... Ich sach mal, ich bin nicht ausländerfeindlich, aber ich bin auch nicht... den Ausländern wohlgesonnen, ne, das is meine ehrliche Meinung. Ich arbeite auch mit Iranern, mit Türken, hab ich kein Problem mit ... Da trennt sich die Spreu vom Weizen!" Der andere murmelt Zustimmendes. Ich weiß nicht genau, was die beiden mit dem Spreu und Weizen Gerede meinen, aber ich halte diese beiden Männer eher für die Spreu. Ich verachte die Dummheit, die aus ihren Sätzen spricht. Neulich gelesen: "Dummheit ist keine Schande. Hauptsache, man hält den Mund dabei."
Ich hasse die Dummheit, denn sie ist immer laut, sie geht immer den einfachen Weg, sie denkt nicht nach, sie ist ignorant, ich hasse sie. Sie macht mich auch stumm und traurig, denn dagegen kann man nicht argumentieren. Das kenne ich schon. Mit Besoffenen oder mit Rechten zu diskutieren versuchen bringt überhaupt nichts, außer mir schlechte Laune. Ich sage also nichts, verkrieche mich nur in mir selbst, bis ich aussteige, ich ekele mich vor diesen Männern.
So wie neulich im Zug, einem dieser kurzen Regionalzüge, die für die Expo entwickelt wurden und in denen fast nie ein Schaffner mitfährt. Dafür oft unangenehme Personen. Neulich: besoffene Fußballfans mit Schals um den Hals und Bierdosen in der Hand. Der Boden klebte schon, als ich einstieg. Die Besoffenen rannten die ganze Zeit im Zug hin und her, grölten, torkelten gegen die Sitze, pöbelten sich gegenseitig an. Ich habe keine Angst vor denen. Ich ekele mich nur. Verkrieche mich in meiner Musik, hinter meiner Zeitung, aber entspannen kann ich mich dabei nicht.
Alkohol ist so eine schrecklich aufdringliche Droge.
Die Alkoholikerin aus dem 9. Stock, der ich oft im Fahrstuhl begegne, sieht noch schlechter aus als sonst und sagt "Heute ist ein schlimmer Tag".
Sie hat blondierte Haare, so dünn, dass man die Kopfhaut durchschimmern sieht. Ein großes Gesicht mit einer großen, leicht blau getönten Brille und schlaffer Haut. Sie riecht nach Rauch und immer auch ganz leicht nach Alkohol. Sie trägt Leggings und Stöckelschuhe, in denen sie sehr unsicher geht, überhaupt sind ihre Bewegungen fahrig und wackelig, auch ihr Kopf wackelt immer beim Reden. Ihrer Stimme hört man an, dass sie seit zwanzig Jahren Kette raucht. Sie sagt, sie fühle sich, als ob sie gleich zusammenklappe, sie habe seit Ewigkeiten nicht geschlafen. Ihr Mann sei schwerer Alkoholiker. "Der steht schon um sieben Uhr morgens vor meiner Tür, schläft gar nicht. Ich schaffe das nicht mehr." Ihr Mann wohnt im Haus nebenan, sie besucht ihn immer, deswegen fährt sie auch so viel Fahrstuhl. Ihre Augen sehen in letzter Zeit viel stumpfer aus. Im Winter hat sie mir von ihrer Augenoperation erzählt, Grauer Star oder so. 9. Stock, sie steigt aus. Ich traue mich nicht, ihr einen schönen Tag zu wünschen, diese Abschiedsfloskel, die ihr wie ein Hohn vorkommen muss. Ich bin erstaunt über ihre Offenheit.
(Einschub: Übrigens wirken ja nicht alle Männer mit Dreitage- oder längerem Bart stark und würdevoll, manche sehen damit einfach Entschuldigung- aus wie Penner, zumindest wie Alkoholiker, z.B. Thomas Fritsch, bekannt aus "Rivalen der Rennbahn", und der derzeitige Henning von Anstetten aus "Verbotene Liebe". "Heroin-Chic" war vielleicht perverserweise chic, aber einen "Alkohol-Chic" wird es nie geben, das ist einfach nie chic, zu Recht.)
Vorher im Bus setzt sich ein etwa 50Jähriger in Lederklamotten und mit langen grauen Haaren mir schräg gegenüber. Er hat Bartstoppeln im eingefallenen Gesicht, dunkelrote Haut und riecht ziemlich intensiv nach Alkohol, dieser fiese beißende Geruch, der einem Trinker bei entsprechendem Pegel überall aus der Haut strömt. Ich glaube, er hat auch eine Bierdose in der Hand, ich mag nicht so genau hinsehen, hinriechen. Zwei Stationen weiter steigt ein ähnlich aussehender Mann mit wässrigen Glubschaugen und einer Halbliter-Holsten-Dose ein, er setzt sich zu dem Altrocker, die beiden begrüßen sich freundschaftlich. Sie haben sich anscheinend länger nicht gesehen, denn es gibt erstmal ein Update. Welche Drogen sie zur Zeit nehmen, "Koks, ja, das nehme ich auch manchmal, Ketamin auch...", "Und, haste schon AIDS? Nee? Ich auch nicht." Der mit den Glubschaugen fängt dann an, von der Arbeit zu reden, und dass er heute Urlaub bekommen habe. Es wundert mich schon, dass er überhaupt Arbeit hat, ich frage mich, was das für ein Job sein kann, im Büro sicher nicht. Ich kriege nur Satzfetzen mit, "dann trennt sich die Spreu vom Weizen,... wir sind ja schließlich Deutsche,... Ich sach mal, ich bin nicht ausländerfeindlich, aber ich bin auch nicht... den Ausländern wohlgesonnen, ne, das is meine ehrliche Meinung. Ich arbeite auch mit Iranern, mit Türken, hab ich kein Problem mit ... Da trennt sich die Spreu vom Weizen!" Der andere murmelt Zustimmendes. Ich weiß nicht genau, was die beiden mit dem Spreu und Weizen Gerede meinen, aber ich halte diese beiden Männer eher für die Spreu. Ich verachte die Dummheit, die aus ihren Sätzen spricht. Neulich gelesen: "Dummheit ist keine Schande. Hauptsache, man hält den Mund dabei."
Ich hasse die Dummheit, denn sie ist immer laut, sie geht immer den einfachen Weg, sie denkt nicht nach, sie ist ignorant, ich hasse sie. Sie macht mich auch stumm und traurig, denn dagegen kann man nicht argumentieren. Das kenne ich schon. Mit Besoffenen oder mit Rechten zu diskutieren versuchen bringt überhaupt nichts, außer mir schlechte Laune. Ich sage also nichts, verkrieche mich nur in mir selbst, bis ich aussteige, ich ekele mich vor diesen Männern.
So wie neulich im Zug, einem dieser kurzen Regionalzüge, die für die Expo entwickelt wurden und in denen fast nie ein Schaffner mitfährt. Dafür oft unangenehme Personen. Neulich: besoffene Fußballfans mit Schals um den Hals und Bierdosen in der Hand. Der Boden klebte schon, als ich einstieg. Die Besoffenen rannten die ganze Zeit im Zug hin und her, grölten, torkelten gegen die Sitze, pöbelten sich gegenseitig an. Ich habe keine Angst vor denen. Ich ekele mich nur. Verkrieche mich in meiner Musik, hinter meiner Zeitung, aber entspannen kann ich mich dabei nicht.
Alkohol ist so eine schrecklich aufdringliche Droge.