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Gewalt in Ton

Zusammen mit Martin Becker habe ich 2004 das Technoprojekt Gewalt in Ton ins Leben gerufen. Da wir beide große Fans von Cristian Vogel, Jamie Lidell und Subheab waren, wollten wir auch ein Projekt starten, dass in diese Richtung geht. Ich hatte ja schon eine Platte, die in die Richtung geht, auf Ibrahim Alfas Label Semi Automatic raus gebracht.

Semi Automatic war ein sehr angesagtes Label, auf dem man Künstler, wie z.B. Subhead, Mark Hawkins, S-Max, Fym, Digital Princess oder Lo.Max wiederfand. Ibrahim selber war 1999 neben Cristian Vogel oder Justin Berkovi, einer der angesagtesten Underground Acts, die nebenbei alle aus Brighton kommen, weshalb auch der Begriff Brighton Techno entstand. Diese Musikrichtung war für ihre bleep und quitsche Sounds bekannt, die immer wieder verdreht, gepitcht und mit verschiedenen Effekten bearbeitet wurden. Diverse Label, wie z.B. Mosquito, Subhead, Automatic, Nest oder Sativae, spezialisierten sich auf diesen Sound und hatten mehrere Jahr großen Erfolg damit. Heute ist in Deutschland die Brighton Techno Welle leider vorbei, was wohl auch mit der Schließung vom Kassler Stammheim und der Stuttgarter Neuen Heimat zu tun hatte. Es gab plötzlich keine großen Vertreter dieser Musikrichtung mehr und selbst DJ Pierre, der durch seinen schrägen Stil und dem Stammheim bekannt wurde, legt mittlerweile Minimal auf.
Wir versuchten allerdings trotzdem unser Glück mit dieser Musikrichtung, da wir wussten, dass in Ost-Deutschland Brighton Techno immer noch angesagt ist. Durch unsere Booking Agentur kamen wir dann auch genau in die Club, die wir schon vom Hörensagen her kannten. In recht kurzem Abstand spielten wir in der Alten Papierfabrik in Rodersdorf, den Sandsteinhöhlen in Halberstadt, Motoranch Barleben in Magdeburg, dem Chrom Club und dem Sound Zero Radio in Leipzig.
In Magdeburg Barleben befand sie im Feld eine alte Scheune, die zu einer Partylocation umgebaut wurde. Wir waren früh angereist, um noch genügend Zeit für eine Soundcheck zu haben. Während Herbert, mit unserem damaligen Partner Chris, das Liveequipment aufbaute, spielte ich mich schon mal an der Anlage warm. Vorteil an der Location war zum einen die CD Player, die ich bereitgestellt bekommen habe, um meine eigenen noch unveröffentlichten Tracks spielen zu können und zum anderen die drei Plattenspieler, die ich ebenfalls geordert hatte. Ich hatte schon lange keine drei Decks vor mir gehabt, deshalb wollte ich erstmal testen, ob ich es noch kann. Da der Sound super klar und sehr druckvoll war, hatte ich keine Probleme drei Plattengleichzeitig laufen zu lassen. Die Stimmung beim unserem Liveact und meinem DJ Set war einfach bombig und die Gäste kamen reihenweise und wollten Autogramme und Fotos von uns haben. Enforcer, ein Resident DJ des Berliner Tresors, nannte uns total Verrückt, was uns natürlich schmeichelte. Mit ihm, Anne und Jana, zwei Freundinnen, die ich nur selten sehe, da sie in Magdeburg wohnen, verbrachten ich fast den ganzen Abend im VIP Bereich oder auf der Tanzfläche. Aber auch so ein schöner Abend geht mal vorbei und wir machten uns früh morgens auf den Heimweg.

Die Sandsteinhöhle ist mit Abstand einer der besten Locations, in der ich je gespielt habe. Anfangs konnten wir uns kein Bild machen, was uns erwartet, außer ein übertriebenes Line Up auf drei Floors. Ein riesiger Acker, auf der über Tausend Autos standen, erinnerten mich an die Nature One oder an das Sonne, Mond und Sterne Festival. Die Sandsteinhöhlen selber waren sehr beeindruckend. Wir standen eine Weile fassungslos im Eingangsbereich, bis sich riesige Freude über unseren Gesichtern breit machte. Unser Auftritt war nicht der beste, was allerdings eher an der Uhrzeit und an der schlechten Anlage lag. Auch die Veranstalter waren nicht gerade die freundlichsten und wäre ich nicht während unseres Auftritts kurz in den VIP Raum gegangen, dann hätten wir unser Geld wahrscheinlich nicht mehr bekommen. Der für uns verantwortliche Betreuer wollte gerade gehen, was mich richtig sauer machte, aber trotzdem blieb ich ruhig. Nachdem ich unsere Gage erhalten hatte, übernahm ich wieder die Plattenspieler und legte nochmal einen Zahn zu, um so meine Wut abzubauen. Kurz darauf spielten wir unseren Liveact, der sich über die Anlage schrecklich anhörte. Total unzufrieden und mit Ohrenschmerzen verließen wir die Sandsteinhöhlen und fuhren direkt zurück nach Mainz.

In Leipzig spielte ich, mit einer Stunde Verspätung und direkt nach unserer Ankunft, ein DJ-Set im Radio. Völlig außer Atem drehte ich eine knappe Stunde, statt eigentlich zwei vollen Stunden, meine dafür ausgewählten Platten. Es war zwar nur ein kurzes Gastspiel, aber dafür hat es Spaß gemacht. Kurz darauf standen wir schon im Chrom Club, wo uns die Besitzer mitteilten, dass der Club gerade polizeilich geschlossen wurde. Da wir völlig aufgedreht waren und noch etwas machen wollte, riefen wir einen Bekannten an, der zufällig am selben Abend eine Veranstaltung hatte, zu der wir dann fuhren und unsere Aufwandsentschädigung in Alkohol umtauschten.
Am nächsten Tag fuhren wir nach Rodersdorf, um dort neben Louis Osbourne und vielen anderen aufzutreten. Wir waren dort die Underground Headliner und das, obwohl wir bisher erst vier Gigs im Osten hatten. Wir kamen ca. eine Stunde bevor die Party losging, zeitgleich mit Dennis Siemion aus dem Fusion Club an. Er stellte uns auch direkt seinen Freunden Brixton und Rob Acid vor und brachte uns dann zum Veranstalter. Im Gegensatz zu der Sandsteinhöhle, war hier der Veranstalter ein ganz netter, dessen Eltern sogar am Eingang kassierten. In der alten Papierfabrik gab es fünf Floors, auf denen Techno, Underground Hard Tekk, House, Minimal und Ambient gespielt wurde. Ich verbrachte die meiste Zeit zusammen mit Anne und Jana, die extra wegen mir nach Rodersdorf kamen, im Houseraum. Der DJ spielte die meisten Platten in einer extrem hohen Geschwindigkeit, so dass kaum einer darauf tanzen konnte. Trotzdem hatten wir unseren Spaß und wir versuchten zumindest ein bisschen zu tanzen. Als wir unseren Auftritt hatten, war unser Floor auch der vollste. Die Leute zwängten sich in dem Raum, scheinbar um uns zu hören. Die Stimmung war unbeschreiblich gewesen und selbst nach dem Liveact kamen ständig Leute zu mir und fragten mich:
Du bist doch von Gewalt in Ton, oder?
Ja
Immer wieder, alter! Immer wieder!
Danke, antwortete ich.
Ach dem Auftritt in der alten Papierfabrik haben wir unser Projekt erstmal aufs Eis gelegt, da ich momentan mit anderen Sachen zu beschäftigt bin. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir nach diesem Sommer nochmals eine kleine Tour starten werden!
