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H A U P T S A C H E N

Text: petersile
--Vorwort--



Heuschnupfen, Zahnarzt-, und Friseurbesuche fallen für mich seit jeher in ähnliche Kategorien.

Als im wahrsten Sinne des Wortes „einschneidend“ möchte ich meine tief traumatischen Erlebnisse auf diversen Coiffeur-Stühlen bezeichnen, von denen hier heute die Rede sein soll.



Mein physischer Zustand ist derzeit im wahrsten Sinne des Wortes verhäärend, nichts desto trotz schiebe ich den Termin zum Haare schneiden mal wieder vor mir her, bis es gar nicht mehr anders geht. (Vermutlich nächsten Dienstag)

Anders als die meisten Frauen, die sich Friseurtermine schon Wochen im Voraus rot im (Mond)Kalender markieren. „Weißt du, man gönnt sich ja sonst nichts. Ach, ich freu mich schon. Was hältst du von Strähnchen…? So oder ähnlich hört sich das dann immer im Zwiegespräch mit Kolleginnen oder Busenfreundinnen an.

Die Farbe rot hat für mich in diesem Zusammenhang eine etwas andere Bedeutung, nicht nur angesichts der Tatsache, dass mir bei einem unlängst vergangenen Friseurbesuch fast das linke Ohrläppchen wegguillotiniert wurde.



Alarmstufe rot also für notorische Kontrollfreaks.

Friseurbesuche sind wahrlich kein Spaß. Im Gegenteil.

Eher eine Zerreißprobe für schwache Nerven und Geduldsfäden.



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Es fängt ja schon immer damit an, dass am Tag des Termins die Haare paradoxerweise so gut sitzen wie lange nicht mehr. „Wozu also gehen…?“ Entweder frau lässt sich jetzt eine gute Ausrede einfallen, (Migräne vielleicht?!) oder sie beisst in den sauren Apfel, getreu dem Motto Augen zu und durch.

Spätestens vor dem Friseurspiegel bereut sie dann jegliche moralische Skrupel, wenig erfreut darüber, mehrere Stunden mit der eigenen Visage konfrontiert zu sein.

Ein Gutes kann ich persönlich der Sache ja dann doch noch abgewinnen: Friseurspiegel strecken meistens ungemein. Eine neue Folge also von Selbstbetrug: immer gut.

Den Kaffee, Tee und das feilgebotene Kleingebäck nehme ich also stets dankend an. Nervennahrung ist ja auch wichtig an solchen Tagen.



Nach dem üblichen Smalltalk-Geplänkel „Oh die sind aber lang geworden, da müssen WIR aber wirklich was machen, ja und wie läuft’s sonst so…“ geht's dann im wahrsten Sinne des Wortes zur Hauptsache. „Was stellen Sie sich denn vor…?“

Der Hals schnürt sich zu. Keksstücke bleiben darin stecken. Schluck. Jetzt bloß Ruhe bewahren. Langsam ein-, und ausatmen nicht vergessen und los:

„Also eigentlich wie immer. Nur ein bisschen kürzer. In Form schneiden. Sie wissen schon…“ Ein O-Ton, den man jetzt eher einer Rentnerin zuschreiben würde als einer 21-jährigen. Aber was meinen Kopf angeht, war und bin ich nun mal nicht sehr experimentierfreudig.

Die Aussage „Ein schönes Gesicht entstellt nichts“ konnte ich sowieso noch nie nachvollziehen. Frisuren in Fußgängerzonen, die an Körperverletzung grenzen, stützen meine These immer wieder. Eine unpassende Frisur entstellt ungemein.



Weiter im Text. Soweit so schlecht. Mit diesem Hintergrundwissen am Waschbeckenrand sitzend beruhigt mich die gutgemeinte und sicher hochprofessionelle Kopfmassage meiner Friseurin dann auch nicht mehr wirklich. Mir dauert das auch immer zu lange.

Obwohl ich doch zugeben muss, dass Friseurshampoos eine recht angenehme Angelegenheit sind und meine Haare immer so schön glänzen und duften lassen. Hach.



Eine meiner schlimmsten Visionen unter dem meist lauwarmen Wasserstrahl (ich traue mich ja meistens nicht etwas dazu zu sagen) jedoch sieht so aus: Auf dem Weg zurück zum Frisierstuhl mit Handtuchturban treffe ich jeman(n)den, den ich kenne. Oder noch schlimmer: mit trocken gerubbeltem, zerzaustem Haupt – das sieht ja mal total bescheuert aus.

Nein, so eine Begegnung wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.



„Kleinen Moment bitte, ich muss nur schnell die Haube hier drüben einstellen…“

Meistens verabschieden sich Friseurinnen mindestens einmal pro Sitzung für unbestimmte Zeit auf diese Art und Weise. Also kurz Zeit, um sich wieder zu sammeln und die neuesten Trendschöpfe in bunten Illustrierten zu bewundern.

Wenn ich eins von Friseurbesuchen mitnehme, ist es ja immer, wer in der Prominentenwelt wen heiratet, schwängert oder sitzen lässt, oder alles zusammen, in beliebiger Reihenfolge.

Wenn schon kreuzunglücklich über den neuen Pony, die Vokuhila-frisur, (mit der vielleicht Nena gut aussehen mag, aber das ist ja auch schon wieder eine Weile her) dann doch bitteschön auf dem neuesten Stand der Dinge. Immerhin.

Ein gefährlicher Irrtum dagegen ist, mit ausgeschnittenen Frisurenbildern aus der Instyle oder Gala aufzutauchen und sich insgeheim schon längst als Star in der neuesten Kopfkino-Filmproduktion mit dem Titel: „Alle wollen xxx, weil sie ja so toll ist und so gut aussieht…“ oder so ähnlich zu feiern.

Als ich vor ein paar Jahren mal ein Photo eines flotten Kurzhaar-Bobs als Schnittvorlage vorlegte, wurde ich danach darauf aufmerksam gemacht, dass ich irgendwie wie ein Junge aussehen würde jetzt. Danke für’s Gespräch.

Seitdem passiert mir das nicht mehr. Kurzhaarfrisuren sind sowieso nichts für mich.



„Moment mal, ist das nicht zuviel? Bitte nicht zu kurz, ja…?“ Einen Moment gedanklich abgeschweift und schon so was. Konzentration bitte jetzt und die Schere nicht aus den Augen lassen. (beim Pony stutzen heimlich das rechte Auge kurz aufmachen)



Als krönender Abschluss hier noch ein bisschen auftoupiert, drapiert und das Ozonloch mit fünf Litern Haarspray gleich um ein paar Zentimeter Durchmesser vergrößert. Das volle Programm. Mein Adrenalinspiegel hat zwischenzeitlich Werte erreicht, für die andere Extremsportarten ausüben müssen. Aber es ist mal wieder geschafft. Puh.



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--Nachwort--



Nach jedem Besuch renne ich auf schleunigstem Weg und im besten Fall ungesehen nach hause und wasche mir immer erst mal die Haare, um mich wieder einigermaßen wie ich selbst zu fühlen und nicht wie von Außerirdischen entführt, verprügelt und in freiem Fall zurück auf die Erde geschickt.

Verständlich, oder?






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