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Die Eichhörnchenbedrohung

Text: lapetitekuechenfee
Feiertage sind eigentlich fürchterlich. Normalerweise erfahre zwei Tage vorher davon (Was aber den Überraschungseffekt nur steigert. Außerdem muss ich dann nicht tagelang seufzend darauf warten) oder eben auch nicht. An Heilige Drei Könige zum Beispiel wäre ich einmal beinahe zum Einkaufen in die Stadt gegangen. Einzig die Kirchenglocken meines geliebten Dorfs haben mich gerettet. Ich wunderte mich, seit wann mein bigottes Dorf denn so fromm ist, dass es auch unter der Woche zur Messe ruft, doch schnell kapierte ich: Hier muss ein spezieller Sachverhalt vorliegen. God safes the Kirchenglocken? I love those bells! They are so oooossom!



[Kleine Klammerbemerkung: Ungeheuerlich also folgende Begebenheit: Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg möchte gegen den Pfarrer des Weltstädtchens Miltenberg ermitteln, weil er ein böser Junge war. Als Ende Juli eine Versammlung der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ im beschaulichen Miltenberg stattfand, hat er aus Versehen 20 Minuten die Kirchenglöckchen geläutet. Die NPD-Fritzis fanden das nicht so toll und zeigten den couragierten Pfarrer wegen Verstoßes gegen die Versammlungsfreiheit an. Und die Staatsanwaltschaft hat nichts Besseres zu tun, als dieser Anzeige nachzugehen. Gottseidank leben wir in einem RECHTSstaat... ]



Feiertage haben aber noch viel weitreichendere Auswirkungen, die einem vielleicht gar nicht so auffallen. Als ich am 17. August die Zeitung aufschlug, die am Tag davor, also einem Tag nach einem christlichen Feiertag, dessen Namen ich vergessen habe, nicht erschienen war, traf mich der Schlag. Eigentlich hatte ich erwartet, dass nach einem Tag Pause die nächste Ausgabe doppelt so dick sein müsste, weil doppelt so viele Jugendliche unter Rauscheinwirkung aufgegriffen worden waren, doppelt so viele frisierte Mofas aus dem Verkehr gezogen worden waren und doppelt so viele Stere Holz gestohlen worden waren. Fakt war, dass die „Aus aller Welt“-Seite so banane war, das man sie auch hätte weglassen können. Pavarotti darf sich zu seiner Krebserkrankung äußern, Paris Hilton hat einen Rekord aufgestellt, Christina Aguilera ist fest davon überzeugt, schonmal gelebt zu haben und Prinz Harry mag die „Sun“ nicht mehr (Er sollte es stattdessen mit Kirchenglocken versuchen). Ich begann beinahe zu heulen. Was interessierte mich das? Wo waren die brutalen Vergewaltigungen, die südamerikanischen Erdbeben, die Beinahebombenexplosionen und natürlich die toten Kinder, die man im Müll gefunden hatte?

Nun ja. Ich trocknete meine Tränen, auch wenn sie mir natürlich sehr gut standen, doch als ich mich durch die Starnews gekämpft hatte, begann ich gleich wieder mit der Flennerei, dieses Mal aber aus Angst. Reine, nackische Angst. Denn folgendes war passiert:



„Ein wütendes Eichhörnchen hat im westenglischen Cheltenham eine Wohnung verwüstet und einen Schaden von mehreren tausend Pfund angerichtet.“ (Ich lasse die Quellenangaben absichtlich weg, denn die Zeitung, in der der Artikel erschien, hat mich brüsk abgelehnt, als ich dort schülerjobtechnisch mein Glück versuchen wollte. Also kauft auf keinen Fall das Main Echo!)



Ist denn das zu glauben? So ein kleines Viech ist tatsächlich wie der Weihnachtsmann durch den Kamin gefetzt und hat alles putt gemacht. Das muss gewütet haben wie ein Berserker! Nun muss man wissen, dass die Eichhörnchen in England was ganz Spezielles sind. Ich zitiere dazu eine in England weilende Freundin, die sich die Zeit genommen hat, einen von mir entworfenen Emailfragebogen mit Liebe fürs Detail zu beantworten.



DEINE EINSTELLUNG ZU...

...EICHHÖRNCHEN

die roten und braunen sind entzueckend suess. aber in england gibt es nur diese ratten-aehnlichen grauen riesigen, die alle roten damals aufgefressen haben und niemand mag sie weil es soviele von ihnen gibt und sie gar nicht scheu sind. sie machen mir ein bisschen angst.



Mir machen um ehrlich zu sein schon die banane roten Eichhörnchen Angst. Ich habe so viele Stories über sie gehört. Zum Beispiel, dass sie alle nikotinabhängig sind, weil sie die Zigarettenstummel im Park essen und wir alle wissen: Zigaretten sind fantastische Einstiegsdrogen. Nach Schätzungen der kleinen Küchenfee sind 60 Prozent der in Park lebenden Eichhörnchen Crack- oder Heroin-abhängig, doch die Dunkelziffer soll nach Angaben des Ministeriums für die nationale Eichhörnchengesundheit wesentlich höher liegen.

Außerdem überlege man dies: Diese Tiere vergraben ihre Sachen und finden sie dann nicht mehr. Das nenne ich mal unökonomisch. Eine Laune der Natur. Die Dinosaurier sind ausgestorben, weil sie kein Essen mehr gefunden haben. Was hat sich Gott nur dabei gedacht, als er diese Klobürsten (die Eichhörnchen, nicht die Dinosaurier, versteht sich) durch den TÜV gelassen hat? Wenn Gott nicht göttlich wäre, würde ich behaupten: Menschliches Versagen, aber da ich mir noch nicht mal im Klaren darüber bin, welches Geschlecht das Gott jetzt eigentlich hat, halte ich mich zurück. Ohne Geschlecht nämlich keine Möglichkeit für einen geschlechtsklischeebeladenen Folgewitz („Äääääh, Frauen beim TÜV, das wird teuer!“)



Wie es nun mal meine Art ist, machte ich mir eine Menge Gedanken über diese besorgniserregende Entwicklung. Ich meine, wenn es einmal einen Einbruch von einem Eichhörnchen gegeben hat, könnten genausogut noch tausend andere auf das Konto dieser possierlichen Nager gehen. Vielleicht sind sie mafiös organisiert. Vielleicht schicken sie ihre minderjährigen Eichhörnchenwelpen zum Klauen, weil sie genau wissen, dass sie rechtlich noch nicht belangt werden können. Vielleicht haben sie sogar damals die Bomben in der Londoner U-Bahn gezündet. Vielleicht arbeiten sie mit Osama zusammen. Vielleicht scheuen sie nicht davor, zu töten, wenn sie dich im Schlaf überraschen. Vielleicht sind die Zeiten, da nur die Handtaschen cracksüchtiger Seniorinnen nicht safe waren ja längst vorbei... Und das zu Zeiten der Globalisierung! Man weiß nicht, wann sie zu uns rüberschwappen. Es reicht ja, wenn sich ein Eichhörnchen in der Ölwanne eines Familienvans festbeißt, der durch diesen unterirdischen Tunnel kurvt, um Urlaub auf dem Festplatz zu machen. Oder sie höhlen eine Stewardess von British Airways aus, besetzen sie mit ihren besten Nagern (Nager - Schläfer - Stirnrunzeln), landen in Frankfurt und verbreiten sich innerhalb kürzester Zeit im ganzen Land, indem sie die roten Männchen fressen und deren Weibchen vergewaltigen und zwingen, für sie zu kochen und zu putzen, wenn sie abends in die Baumhöhle kommen, die schweren, schlammverkrusteten Stiefel auf den Stubentisch knallen und nach einem Bier grölen. O Gott! Ich sehe schwere Zeiten auf uns zukommen! Haben die Geschäfte noch offen? Ich muss mich sofort mit Schrotflinten, Fallen und Chemiebomben eindecken! Ich kann dieser Bedrohung nicht unbewaffnet und arglos gegenüber treten! Um Himmels Willen! Jemand läute die Kirchenglocken! Unser Land befindet sich im Ausnahmezustand!



Und nun die gute Nachricht: „Das Eichhörnchen ist vermutlich durch den Kamin eingedrungen. Es lag tot und rußüberzogen hinter dem Sofa.“ (Plötzliches Herzversagen, zurückzuführen auf Drogengebrauch. Ganz sicher)

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