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Playboy-Mann

Text: karin-gespenst
Der zweite Fahrradfahrer sieht unglücklich aus. Er trägt im Gegensatz zu dem ersten einen Helm, aber keinen Rucksack. Ob das der Grund ist?

Noch 20 Minuten, bis der Bus kommt. Seit zwei Minuten warten wir an der Kasse alle, bis der Mitarbeiter herausgefunden hat, was die Dose Sprottenaufstrich kostet. Eine lange Zeit für den Kunden hinter mir. Der fühlt sich sichtlich unwohl und vermeidet jeglichen Blickkontakt. Bestimmt ist ihm sein Einkauf peinlich. Dass er Zigaretten kauft, kann man ihm vorwerfen oder hoch anrechnen, je nachdem, ob man gesundheitsbewusst oder zynisch sein möchte. Aber der Playboy, dessen halbentkleidetes Titelmodel er mit der Schachtel verdeckt, der ist eindeutiger. Ein Bekenntnis an seine Männlichkeit. Gut möglich, dass er sich ein wenig alt fühlt, so ganz ohne Haare auf dem Kopf. Dabei ist er noch erwerbstätig, sonst würde er ja keinen Anzug tragen. Doch ich frage mich im Stillen, was er von mir denkt. Schließlich habe ich auch nur zwei Dinge zu bezahlen: Ein halbes Kilo Brot - und eine Salatgurke...

Kaum habe ich gezahlt und bin auf dem Weg zum Ausgang, da begegnet mir das absolute Gegenstück zum Tabaksteuerzahler: Jung, langhaarig, bärtig, im Metal-T-Shirt. Ich muss grinsen, aber nur solange, bis ich die Verkäuferin an der Bäckertheke sehe. Die schaut mich grimmig an. Ist wohl enttäuscht, dass ich mein Brot nicht bei ihr gekauft habe. Schulterzucken, jetzt ist es zu spät.

An der roten Ampel stehen zwei Fahrradfahrer. Der eine stützt sich am Ampelmasten ab. Er hat sein rechtes Jeansbein hochgekrempelt. Trägt die gleichen Schuhe wie ich, nur in ner anderen Farbe. Seine sind braun, meine grün. Ohne politische Bedeutung. Er hat Ohrstöpsel in den Ohren, wie es sich gehört. Der zweite Fahrradfahrer sieht unglücklich aus. Er trägt im Gegensatz zu dem ersten einen Helm, aber keinen Rucksack. Ob das der Grund ist für seine grimmige Miene? Oder hat bei ihm auch niemand Brot gekauft? Die Ampel wird grün. Ohne politische Bedeutung. Die Uhr an der Bushaltestelle informiert mich, dass ich noch fünf Minuten Zeit habe, bis der Bus kommt. Ich denke über den Bärtigen nach. Seine Augenfarbe hat mich an meinen Lieblingshelden erinnert. Dabei kann ich mir Luke Skywalker im Metal-T-Shirt nicht vorstellen. Neben mir auf der Bank sitzt ein älterer Mann, älter als der Playboy-Mann, aber mit vollem schwarzem Haar. Liegt wohl an seiner südländischen Herkunft. Die verrät mir nicht nur sein Teint, sondern auch die Tüte mit dem Fladenbrot, die er auf dem Schoß hält. Er sieht das Brot in meiner Hand und lächelt. Der Abstand zwischen uns auf der Bank schrumpft auf ein paar schüchterne Momente, in denen keiner sich traut, etwas Freundliches zu sagen. Beim Einsteigen in den Bus lässt er mir den Vortritt.

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