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Oma Hans! Ich vermisse Euch.

Text: miffikatze
Oma Hans – Ein Nachruf



Ich weiß, ich weiß. Die Oma gibt es jetzt schon seit einem Jahr nicht mehr. Aber ich vermisse sie immer noch. Mehr als je zuvor. Ich kann mir Kettcar, Tomte oder Muff Potter einfach nicht geben. Das ist Schrott. Also im Vergleich mit der Oma. Im Vergleich zu Phil Collins sind sie ganz okay, aber Phil Collins steht hier nicht zur Debatte. Hier geht es um OMA HANS und den Vergleich hält keine Band stand (zu mindestens keine aus deutschen Gefilden).



"Ich finde, das ist echt alles zu viel mit den ganzen Interviews. Es ist alles das Gleiche. Immer dieselben Fragen! Wie ist das Label? Wie ist die Platte entstanden? Wie bist du auf den Text gekommen? Das kann man sich doch alles selber beantworten. Wahrscheinlich sogar noch fantasievoller als der Interviewte.“



Vielleicht lag in dem Statement von Jens Rachut, Sänger und Kopf von Oma Hans, das ganze Geheimnis dieser Band. Sie waren etwas verquert und unkonventionell. Dieser Sonderstatus begründete sich nicht alleine darauf, dass Rachut gerne mal nur mit einer Kochschürze bekleidet auftrat, oder die gesamte Band in Pelzkostümen die Bühne enterte. Gut fünf Jahren gab es Oma Hans aus Hamburg und um ihre Band, geschweige denn ihre Personen haben die vier Musiker nie großes Aufheben gemacht. Selbst dann nicht, als Muff Potter ihre Scheiben bei Universal veröffentlichen, Marcus Wiesbusch erfolgreicher Jungunternehmer wurde und Tomte auf heavy rotation gingen. Oma Hans lehnten weiterhin jegliche Promoaktionen oder Interviews ab und veröffentlichten ihre Alben auch weiterhin grundsätzlich nur auf Vinyl. Das man dabei dem langjährigen Kleinstindielabel Schiffen Records die Treue hielt, verstand sich von selbst. Trotz alledem spielten sie regelmäßig vor über 500 Zuschauern, wurden von den Sternen bis zu Pale als großer Einfluss genannt.



Oma Hans sind schon vor den ersten Aufnahmen und Auftritten im Jahr 2001 keine Unbekannten gewesen. Die Kunde von einer neuen `Jensen – Band´ machte in den einschlägigen Zirkeln schnell die Runde. Gemeint war damit Jens Rachut. Der sang schon bei den legendären Hamburger Bands Angeschissen, Blumen am Arsch der Hölle und Dackelblut. Bei den beiden letztgenannten Bands spielte auch Andreas Ness Gitarre, der ebenfalls bei Oma Hans mit an Board war und auch dort wieder die Seiten bearbeitete. Gerade Dackelblut sind eine der wenigen Bands gewesen, auf die sich in den Neunziger Jahren das eher traditionelle Punk Publikum und die Spex Jüngerschaft einigen konnten. Oma Hans knüpften an diese Vergangenheit an. Sie wandelten stetig weiter auf dem schmalen Grat zwischen aufbäumen und resignieren, zwischen Wipers und Joy Division. Die Fähigkeit von Rachut die Irrungen, Verklärtheiten und Stimmungslagen seiner ganz eigenen Lebenswelt zu artikulieren und mit der Musik in Einklang zu bringen, kam auch bei Oma Hans wieder zum Vorschein.

Aber Oma Hans entwickelte mit der Zeit ihren eigenen Sound. Dafür sorgten auch die beiden `Neuen´. Bassistin Peta Devlin, die zuvor bei Die Braut haut ins Auge gespielt hatte und Schlagzeuger Armin, der nebenbei noch für die Postrock Formation Kurt trommelte. Für das im Sommer 2004 aufgenommene Album Peggy, stand er allerdings nicht zur Verfügung. Zwei Tage vor Aufnahmebeginn hätte er fast einen Finger verloren und konnte nicht mit ins Studio. Das einzige, was es über diesen Vorfall zu hören gab, war folgendes Statement: „Ach, der ist besoffen auf der Reeperbahn über einen Zaun geknallt und wollte sein Astra retten. Dabei hat er sich den Ringfinger abgerissen.“ So mussten kurzerhand alte Kontakte aktiviert und ein Ersatz für die Aufnahmen gefunden werden. Stephan Mahler, der ehemalige Schlagzeuger von Slime, übte die Songs drei Tage mit dem Rest der Band, um sie dann in einem Tag einzuspielen. Es war aber vor allem Bassistin Peta, die bei einigen Stücken auch sang, die dem eingespielten Duo Rachut/ Ness neue Impulse gab. Mit ihrer melodischen Stimme stand sie im Kontrast zur mal monoton, mal geschrienen Stimme von Rachut. Nicht wenige fanden, dass es dieser Kontrast war, der Oma Hans einen Ausnahmestatus verlieh und die Band von den übrigen `Jensen – Bands´ abhob.



Anfang 2006 zirkulierte dann das Gerücht, dass eine Auflösung kurz bevor stünde. Als sie kurz darauf eine 7“ mit dem Titel Abschied veröffentlichten, wurde es amtlich. Ihre letzte Tour im Frühjahr 2006, spielten sie wieder in ausverkauften Clubs. Fast immer mussten sie ihr komplettes Set zweimal spielen, da die Leute einfach nicht nach Hause gehen wollten. Über die Gründe der Auflösung gibt es bis heute keine Informationen. Interviews oder Pressemitteilungen gab es natürlich keine. Aber vielleicht hatte Jens Rachut eine Vorahnung, als er den Text zu dem Song 0832 schrieb. „Das ist meine kleine Nische, wenn’s bekannt wird hau ich ab. Denn fast alles, was berühmt ist, ist so öde. Ich will so was nicht hören, ich will so was nicht fühlen, ich kann so was nicht ab.“


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