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(Happy) Birtday...

Text: BlueGreen
Auf meinem Schreibtisch liegt ein Umschlag der SOS Kinderdörfer. Darin ein Spendenaufruf und ein Überweisungsträger. Ich kenne diese Briefe.



Gestern wurde meine Urgroßmutter 93 Jahre alt. Bei ihrer Geburt war gerade zwei Monate zuvor der erste Weltkrieg ausgebrochen. Den zweiten erlebte sie mit 25. Ihr Mann kehrte zurück, starb jedoch ein paar Jahre später an Leukämie. Alleine mit drei Kindern, das jüngste gerade fünf. Es waren sicherlich harte Jahre, von denen wir uns heutzutage vermutlich kaum eine Vorstellung machen können.

Trotz ihres Alters geht es ihr gut. Wenn auch das Laufen schwer fällt und der graue Star des Sehen etwas behindert, so kann sie doch ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden verbringen, weil sich meine Oma um sie kümmert.

Nach meinem Umzug trennen uns mehr als 300 km und ich sehe sie selten. Dennoch werde ich bei jedem Besuch an meine Kindertage erinnert. Daran, wie wir Sonntagnachmittage mit Mensch-ärgere-dich-nicht und alten Fotos verbrachten. Daran, wie wir oft im Dunklen am Fenster saßen und erzählten oder gemeinsam spazieren gingen.

Obwohl diese Tage längst vorbei sind und ich inzwischen auf die 30 zugehe, nennt sie mich noch immer ihr „Ströbbelchen“. Ich weiß nicht, was das auf Hochdeutsch bedeutet, ich weiß nur, dass sie mich so schon immer nannte und ich finde es schön.

Heute bin ich es, die ihre Hand hält, ihr Geschichten erzählt oder über ihre Wange streicht, wenn sie traurig ist.

Leider ist sie das häufiger als sie sollte, denn selbst an ihrem Geburtstag konnte meine Mutter es nicht lassen, sie mit verbalen Ausbrüchen zu überschütten und kundzutun, wie wenig sie von mir hält. Nein, eigentlich ist das falsch ausgedrückt. Sie tat wieder einmal kund, wie sehr sie mich hasst. Es tut mir weh und es macht mich wütend zu wissen, dass meine Urgroßmutter an ihrem Geburtstag stundenlang geweint hat.



Ich reiße den Umschlag auf und trage meinen Spendenbeitrag in das dafür vorgesehene Feld auf dem Überweisungsträger ein. Wenn ich meine Oma am Telefon dann ebenfalls weinen höre, fühle ich mich solidarisch mit den Kindern, die keine Eltern haben…



Nur hatte ich das Glück, Oma, Opa und meine Urgroßmutter zu haben.






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