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Besichtigung des Flughafentowers im Hamburg Airport
Einleitung
Bei dem Wort Flughafen fallen jedem zunächst Duty- Free-Geschäfte ein, Flugzeuge, die auf dem Rollfeld stehen und vielleicht die seit dem 11. September stark verschärften Sicherheitskontrollen. Dies alles sind die Bereiche, die bei der Abfertigung von Reisenden für diese sichtbar sind. Schon seit ich etwas mehr als ein Jahr alt war reise ich regelmäßig mit dem Flugzeug. Die Abfertigung auf dem Flughafen läuft dabei immer mehr oder weniger gleich ab: Man betritt die große, mit Geschäften und Cafés ausgestattete Eingangshalle des Abflugbereichs (Terminals), geht zu einem Schalter von der Fluggesellschaft, mit der man fliegt, um seinen gelegentlich noch durchleuchteten Koffer aufzugeben. Dann kommt man durch die Sicherheitskontrolle. Bei einigen Flughäfen kommt diese erst direkt vor dem Flugsteig (Gate). Dort sucht man sich dann einen freien Platz und hofft, dass die Maschine pünktlich abfliegt. Wenn das Flugzeug schon vor dem Gate steht, kann man da oft schon optimistisch sein. Anschließend steigt man durch einen fahrbaren Tunnel in das Flugzeug oder wird mit einem Bus über das Rollfeld zum Flugzeug gekarrt, wenn es weiter weg vom Flughafengebäude steht. Wenn man dann im Flugzeug ist, hofft man, dass es pünktlich losfliegt, damit man den Anschlussflug bekommt oder Termine nicht verpasst. Fast immer hat sich bei mir die Hoffnung erfüllt. Am Zielflughafen geht man dann durch eventuelle Grenzkontrollen zum Gepäckkarussel und dann durch den Zoll, um dann den Urlaub zu genießen. Dies ist in der Regel alles, was man vom Flughafen mitbekommt und alle Gedanken, die man daran verschwendet. Im Laufe der Zeit ist dies dann auch zur Gewohnheit geworden. Aber dies ist nur ein kleiner Teil vom Flugbetrieb, den man tatsächlich sieht. Ich kann mich erinnern, wie ich einmal als kleines Kind mit einer Freundin von dessen Mutter zum Cockpit einer Hapag- Loyd- Maschine auf dem Flug von Ibiza nach Hamburg geführt wurde. Mehr als dass dort große Fenster, viele Knöpfe und ein netter Pilot waren, habe ich jedoch nicht mehr in Erinnerung. Seit 9/11 ist sowas nicht mehr möglich.
Flughafen hinter den Kulissen
Aber was kann man beim Flughafen selber hinter den Kulissen sehen? Ist dies überhaupt möglich? Es gab eine offizielle Bustour im Hamburg Airport, auf der man über das Rollfeld sehr nah an die Flugzeuge heranfuhr und gegen einen Aufpreis noch die Werksfeuerwehr sehen konnte. Aber irgendwie fand ich dies nicht so interessant, da ich mir dies irgendwie vorstellen konnte. Vor meinem Abitur habe ich mehrere Online Berufstests gemacht. Einer der Berufe, die dabei herauskamen und mich sehr erstaunten, war Fluglotse. Diese sitzen im Lotsenturm des Flughafens und stehen in Funkkontakt mit den Piloten. Sie überwachen den Bereich des Flughafens, geben grünes Licht für Start (Takeoff) und Landung (Touchdown) und kontrollieren auch im größeren Umkreis des jeweiligen Flughafens, ob die einzelnen Flugzeuge Sicherheitsabstand zueinander haben, so dass sie nicht zusammenstoßen, und wie die Wetterverhältnisse sind. Kurzum, sie sorgen dafür, dass der Pilot sicher fliegen kann. Sie haben also eine hohe Verantwortung. Wegen der Berufstests und auch weil ich mir unter diesem Bereich des Flughafens nichts vorstellen konnte sowie aus großer Neugier wollte ich also den Tower besichtigen. Dies war einfacher gesagt als getan, da wie bereits erwähnt dort keine offiziellen Touren hingingen. Ich rief beim Flughafen an und erfuhr, dass der Tower zu einer anderen Firma, der Deutschen Flugsicherung (DFS) gehört. Ich suchte die Telefonnummer im Internet, rief an und ein fröhlicher Mann sagte mir, dass die Besichtigung des Towers kein Problem sei. Dies überraschte mich, da ich erwartet hatte, dass dies wegen hoher Sicherheit nicht möglich sei. Er nannte mir einen Ansprechpartner, einen Herrn Karsten Albrecht, den ich dann nach einigen herumtelefonieren auch erreichte. Dieser sagte mir, dass eine Besichtigung im Prinzip möglich sei, aber eigentlich nur für Piloten und Lotsen von anderen Flughäfen. Aber dann bot er mir überraschend einen Termin an. Ich musste Adresse, Geburtsdatum und Telefonnummer nennen, damit er einen Ausweis beantragen konnte. Meine Mutter meinte scherzhaft, ob ich fragen könnte, ob ich zwei Flugzeuge zusammenstoßen lassen könnte, um dies auf dem Radarbildschirm zu photographieren.
Ankunft
Die Besichtigung sollte um 14:00 beginnen. Herr Albrecht hatte mir den Weg beschrieben. Er führte von der anderen Seite an den Flughafen heran. Hier war ich noch nie, und der Flughafen sah aus diesem Winkel fremd aus, wie ein Gewerbegebiet mit niedrigen Gebäuden und vielen Zäunen. Hier befand sich die Lufthansa- Basis, an die ich vorbeifahren musste. Dann bog ich ab auf das Gelände durch die Einfahrt Geschäftsfliegerzentrum und fuhr von der Seite an den Flughafen heran. Es gab keine Sicherheitskontrolle. Ich stellte das Auto auf einem großen Parkplatz ab, musste aber feststellen, dass er zur Lufthansa- Basis gehörte. Um hier zu parken, brauchte man einen blauen Lufthansa- Parkschein. Schließlich fand ich einen Parkplatz, als ich noch weiter auf das Gelände fuhr. Von hier aus konnte man auch gut den Tower sehen, welcher orange angestrichen war und große dunkle Fenster aufwies. Er stand recht weit abseits vom eigentlichen Flughafen. Ich hatte immer gedacht, der Tower sei der Turm am Flughafengebäude mit dem großen roten Radarschirm. Ich sollte nun eine Sicherheitswache finden und mich dort melden. Ich ging in das nebenstehende Gebäude, welches dicht an einem Zaun zum Rollfeld stand. Hier befanden sich Geräte zum Durchsuchen von Gepäck, wie man sie vom Flughafen auch kennt. Ein Mann sagte mir, dass dies hier nur eine Kontrollstelle sei. Ich müsste zur Sicherheitswache noch etwas weiter die Straße entlang laufen. Dies tat ich dann, vorbei an einem großen grauen Gebäude, bis ich zu einem großen Pförtnerhaus mit Schlagbäumen kam. Hier standen mehrere Lufthansa- Lastwagen. Ich trat ein in das Pförtnerhaus, und der Pförtner fragte, ob ich Frau Lissner sei. Im Pförtnerhaus saßen noch ein junger Mann und zwei langhaarige Mädchen. Ich musste dem Pförtner meinen Personalausweis zeigen und bekam dann einen Ausweis, auf dem DFS und Zugang zu allen sensiblen Bereichen in Begleitung einer zugangsberechtigten Person stand. Nun sollte ich noch im danebenliegenden Raum durchsucht werden. Aber zuerst waren die Lastwagenfahrer dran, so dass ich noch warten musste. Auch die Lastwagen selber wurden kontrolliert. Dann kam eine blonde Frau um mich abzutasten. Meine Jacke und mein Rucksack mussten durchleuchtet werden. Schließlich konnte ich wieder zurück in das Pförtnerhaus. Der junge Mann bot mir galant seinen Stuhl an. Dann trat ein älterer gedrungener Herr mit grauen Haaren und Bart ein und begrüßte uns fröhlich. Er war Herr Albrecht und holte nun uns Besucherscharen ab. Er führte uns zu seinem Auto, in das wir uns hinein quetschen mussten. Dann fuhr er über das Gelände und zum nicht weit entfernten Gebäude der DFS.
Gespräch und Fragen der Bewerber
Herr Albrecht führte uns in das Gebäude und durch Gänge mit Büroräumen zu einem Raum mit einem großen Tisch, eine Art Konferenzraum. An den Wänden hingen Bilder vom Tower und von Flugzeugen. Vom Fenster aus konnte man über das Rollfeld schauen. Ein Flugzeug hob gerade mit lautem Gedröhn ab. Wir setzten uns an den Tisch und dann stellte sich Herr Albrecht noch einmal vor. Er war Wachleiter im Tower, dass heißt, er hatte zumindest im Moment, da sein Vorgesetzter nicht da war, die höchste Verantwortung. Er musste aufpassen, dass die Lotsen ihre Arbeit ordentlich machten, die Dienstpläne erstellen und alle Aufgaben, die mit der Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Flughafen zu tun hatten, übernehmen. Er hatte bei den Airport Days im September 2007 auch die Flugschau organisiert, während sein Kollege aus Bremen dies beim Hafengeburtstag übernahm. Die beiden Mädchen und der junge Mann waren Abiturienten, die Fluglotse werden wollten und sich auch bereits beworben hatten. Das Bewerbungsverfahren ist sehr schwierig, nur fünf Prozent der Bewerber werden überhaupt angenommen. Sie müssen zahlreiche Kriterien erfüllen, um den hohen Anforderungen des Berufes gerecht zu werden. Dazu gehören gute Englischkenntnisse bis zum bitteren Ende, da die Kommunikation mit den Piloten oft auf Englisch und mit Fachausdrücken erfolgt. Außerdem darf man in Mathematik und Physik keine Niete sein. Aber die meisten Fähigkeiten, die benötigt wurden, konnte man nicht erlernen: Räumliches Vorstellungsvermögen, Fähigkeit zum schnellen, aber verantwortungsvollen Entscheiden unter großem Stresseinfluss und Intelligenz. Nur wenige Personen sind dazu in der Lage. Es gibt zum Bewerbungsverfahren mehrere Tests, auch im moralischen Bereich, sowie ein Gespräch vor einer Jury aus zwei Psychologen und zwei Fluglotsen. Wer diese harten Aufnahmeprüfungen besteht, muss über mehrere Jahre einer harten theoretischen Ausbildung im Zentrum der DFS in Langen nachgehen, bevor das On- Job- Training beginnt. Dabei wird man speziell auf eine Position in einem bestimmten Flughafen ausgebildet, da Verkehrssituation und Wetterbedingungen von Flughafen zu Flughafen variieren. So kann man also nicht zwangsversetzt werden, da man an einem anderen Flughafen die ganze Ausbildung noch einmal machen müsste. Auch werden die Fluglotsen der DFS nur in Deutschland eingesetzt. Aus Mangel an genug qualifizierten Personen werden manchmal welche aus dem Ausland angemietet. Die Mädchen stellten noch Fragen zu der Wohnsituation in Langen, was nach Albrecht winzige 12- Quadratmeter- Zimmer seien, und zu Verkehrsanbindung sowie Lohn. Beim On- Job- Training bekommt man 2500 Euro steuerfrei, da die DFS staatlich ist. Ein ausgebildeter Fluglotse in Hamburg bekommt 6200 Euro im Monat ohne Steuern. In Langen befindet sich auch die Kontrollzentrale, von der aus alle Strecken in Deutschland überwacht werden. Dort arbeiten weit über hundert Lotsen. Herr Albrecht sagte, dass der Hamburg Airport zu den 100 busiest Airports worldwide gehört. Allerdings steht er auf Platz 100. In anderen Flughäfen wie Frankfurt und München ist noch mehr los. Darum sind dort tagsüber bis zu sechs Lotsen im Turm, hier nur bis zu vier. Ich konnte einen Mythos über den Hamburg Airport klären. Der Mythos lautet: Nach 22 Uhr darf hier kein Flugzeug mehr landen und ist weit verbreitet, aber unwahr. Tatsächlich dürfen ab 23 Uhr nur noch leise Maschinen landen und welche mit Sondergenehmigungen. Auch nachts ist der Tower besetzt, allerdings nur von zwei Lotsen. Einer davon macht immer jeweils Pause, während der andere aufmerksam weiterarbeiten muss. Die Pausen sind lang, bis über zwei Stunden, und es herrscht wenig Betrieb bei Nacht. Dennoch darf der diensthabende Lotse nicht einschlafen, da immer etwas passieren kann. Die Nachtschicht dauert von 21 bis 6 Uhr. Dann werden sich von der nächsten Schicht abgewechselt. Das Telefon von Herrn Albrecht klingelte, und er fing ein lockeres Gespräch mit jemand an, der Peter hieß. Nach dem Telefonat erzählte er, dass dies der Verkehrsleiter des Flughafens war und sie gerade besprochen hatten, den Bahnverkehr auf dem Rollfeld zu sperren. Da keiner von uns mehr Fragen hatte, rief er im Tower an, um uns anzukündigen. Er wies noch darauf hin, dass Handys verboten seien und man am besten die Taschen und Jacken hier lässt.
Im Tower
Herr Albrecht führte uns wieder durch schmale Flure und dann in den Verbindungsgang, der Gebäude und Tower miteinander verband und orangefarbende Fensterrahmen hatte. Am Ende des Gangs gingen wir durch eine schwere Tür und gelangten in ein kaltes dunkles und rundes Betontreppenhaus mit Wendeltreppe. Der Beton und das Kalte dienten dem Feuerschutz, so sollten möglichst wenige Brennmöglichkeiten für Feuer bestehen. Die Mädchen protestierten beim Anblick der Treppe, aber es gab einen Fahrstuhl, dessen Tür sich überraschend schnell und kraftvoll öffnete. Wir fuhren nach oben. Als wir aus dem Fahrstuhl stiegen, waren wir wieder in dem kalten Betontreppenhaus. Ein Mann kam uns freundlich grüßend entgegen. Wir stiegen noch eine Betontreppe hinauf, bevor Herr Albrecht noch eine weitere Tür öffnete. Ich merkte, dass ich es total aufregend fand. Wir kamen in einen Raum, wo es warm war und noch eine weitere Treppe hochführte. Das Erste, was ich dann sah, waren die vier Fluglotsen, die an halbkreisförmig angeordneten Tischen saßen. Durch die großen Fenster vor ihnen konnte man über das gesamte Flughafengelände und die weitere Umgebung blicken. Obwohl Herr Albrecht vorher gesagt hatte, dass das Geschlechterverhältnis bei den Fluglotsen in Hamburg ausgeglichen sei, waren im Moment nur Männer im Dienst, zwei jüngere und zwei ältere. Sie begrüßten uns freundlich, bevor sie mit ihrer Arbeit fortfuhren. Ihre Schreibtische wiesen Monitore auf, Mikrofone zum Hineinsprechen und zahlreiche Knöpfe. Herr Albrecht führte uns nun an seinen Platz, der hinter denen der Lotsen war. Hier waren drei Bildschirme und ebenfalls zahlreiche Knöpfe. Auf dem mittleren Monitor war ein Radarbild vom Flughafen und dessen Umgebung zu sehen. Herr Albrecht erklärte uns alles mit gedämpfter Stimme, um die Lotsen nicht bei der Arbeit zu stören. Ich sah, dass der Flughafen die Form eines Kreuzes hatte, vom Turm aus längs war die Landebahn, quer die Startbahn. Dies konnte man auch bei einem Blick aus dem Fenster deutlich sehen. Eine gestrichelte Linie umkreiste in etwa den Großraum von Hamburg. Dies war der zu überwachende Bereich. Man konnte auf dem auch die Elbe erkennen. Zudem bewegten dich hier kleine weiße Punkte mit unterschiedlicher Geschwindigkeit: Die Flugzeuge. Bei jedem der weisen Punkte standen in Codes und Nummerierung die Art der Maschine sowie die aktuelle Flughöhe in Fuß. Entgegen der Richtung, in die sich der Punkt bewegte, befand sich eine gestrichelte Linie von begrenzter Länge, welche anzeigte, aus welcher Richtung das Flugzeug kam. Ein Flugzeug flog gerade mit hoher Geschwindigkeit in 12 Kilometer Höhe über den Flughafen hinweg. Durch die Wolken war es unsichtbar. Über der Elbe befand sich gerade ein Helikopter. Der junge Mann aus unserer Gruppe hatte gute Augen und entdeckte ihn. Die Arbeit der Fluglotsen beinhaltet auch sehr viel das tatsächliche Beobachten der Maschinen. Daher dürfen sie nicht zu stark sehbehindert sein wie ich es war. Ich sah den Helikopter nicht, sondern nur die Mundsburg- Hochhäuser. Auf dem Flughafen selber war gerade wenig Betrieb, da keine Urlaubssaison war und zu dieser Zeit auch wenig Flugverkehr war. Schließlich tauchte als blinkender Punkt am Horizont eine Lufthansa- Maschine auf und setzte zum Landeanflug an. Bei den Fluglotsen kamen mehrere Mikrophondurchsagen vom Piloten. Aber da die Landebahn frei war, teilten die Lotsen dem Piloten mit, dass er sicher landen konnte. Auf der Bahn wurde ein Licht angeschaltet, was wohl Fahrzeuge anweisen sollte, diese frei zu halten. Dann setzte das Flugzeug auf. Der Punkt, der es auf dem Radarschirm darstellte, verschwand. Nun wurde eine Delta Airlines auf das Vorfeld gezogen und startklar gemacht. Ich erinnerte mich an Situationen auf Reisen, wo ich in einem Flugzeug, was auf dem Vorfeld stand, saß und der Pilot ansagte, dass er noch auf die Durchsage vom Tower wartet, damit sie sicher losfliegen konnten. Wenn viel Betrieb war, musste man dann manchmal lange warten. Aber jetzt erlebte ich das Ganze erstmals von der anderen Seite, was ein komisches Gefühl war. Die Flugzeuge bekamen jetzt etwas anonymes, wurden zu Objekten und Nummern und waren irgendwie nicht mehr das, als was ich sie kannte: Transportmittel voller abenteuerlicher Reisende. Trotzdem stand natürlich die Sicherheit von Passagieren und Crew hier an erster Stelle. Aber das Gefühl war trotzdem fast unangenehm. Einer der Lotsen machte eine Durchsage, und das Flugzeug konnte nun auf die Startbahn rollen und starten. Als es eine Höhe von etwa 100 Metern hatte, erschien das Flugzeug als neuer Punkt auf dem Radarschirm dicht beim Flughafen. Ein weiteres Flugzeug setzte zum Landeanflug an, und wieder kamen mehrere Durchsagen, teils auf Englisch. Auf dem Platz von Herrn Albrecht befand sich auch noch ein Monitor, welcher die aktuellen Wetterdaten anzeigte, darunter Windgeschwindigkeit, Luftdruck und Temperatur. Momentan war ein starker Wind, welcher problematisch war. Die Lotsen mussten daher darauf achten, dass die Flugzeuge in dem überwachten Bereich nicht in Bereiche mit zu starken Turbulenzen flogen. Einer der Lotsen, einer der älteren Männer, mit Halbglatze, besprach nun etwas Arbeitsrelevantes mit Herrn Albrecht. Anschließend zeigte uns letzterer noch den dritten Bildschirm, welcher die Abflugplanung der Maschinen anzeigte. Hier war zu sehen, welche Maschinen als nächstes starten oder landen sollten. An der Decke hing ein großer, ausgeschalteter Scheinwerfer. Wenn ein Pilot in einem Flugzeug im Überwachungsbereich aus irgendeinem Grund nicht mehr zu erreichen war, wurden hiermit Morsezeichen vermittelt in der Hoffnung, dass der Pilot sie sehen und deuten konnte. Die Lotsen besprachen nun etwas untereinander, denn keiner arbeitet hier für sich. Teamwork ist sehr wichtig. Einer machte Pause und verspeiste ein Sandwich, bevor er mit der Arbeit fortfuhr. Da momentan nicht viel Betrieb war, standen sie nicht so stark unter Stress. Eine Kollegin, die ich bei einem Praktikum in einer Reederei kennengelernt hatte, hatte einmal erzählt, dass Fluglotsen wegen dem hohen Stress sehr oft Selbstmord begingen. Hier war davon aber nicht anzumerken. Die Lotsen waren fröhlich und schienen Spaß bei der Arbeit zu haben. Sogar ein Teller mit Kuchen stand herum. Auf dem Radarbildschirm erschienen kleine Kreuze, die oft schnell wieder verschwanden. Dies waren Störungen, die gelegentlich auftraten. Herr Albrecht zeigte uns nun noch die verschiedenen Knöpfe auf seinem Platz. Die meisten waren für Kontaktpartner. Ab und zu drückte er einen Knöpf und gab Informationen oder Anweisungen durch. Unter einem großen roten Knopf stand jedoch Bombenalarm. Nach Herrn Albrecht musste dieser jedoch bisher noch nie gedrückt werden. Schließlich kam noch ein Handwerker hinauf, um etwas zu reparieren. Nach Herrn Albrecht war das gute Verhältnis zwischen Handwerker und Lotsen auch nicht selbstverständlich, sondern nur hier in Hamburg besonders ausgeprägt. Wir gingen nun wieder nach unten. Ich sah noch, dass bei einem der Fluglotsen ein großer roter Knopf neben seinem Monitor leichtete. Dies bedeutete, dass die Landebahn durch ein Fahrzeug versperrt war und dort jetzt also kein Flugzeug landen durfte. Herr Albrecht erzählte von einem Fall, wo ein großer Jumbo einem Transportwagen das Dach abgezogen hatte. Der Fahrer wurde dabei nicht verletzt, starb jedoch an einem Herzinfarkt. Die Tür, die aus dem Lotsenraum hinausführte, durfte nicht zu lange geöffnet sein, da es sonst ein Alarmsignal gab.
Nachbesprechung
Wir gingen wieder nach unten und verließen den Tower. Herr Albrecht musste noch etwas Geschäftliches besprechen, während wir schon in den Konferenzraum gingen. Die Mädchen holten ihre Handys hervor und begannen SMS zu verschicken. Dann kam Herr Albrecht und wollte wissen, ob bei der Besichtigung noch neue Fragen aufgekommen waren. Eines der Mädchen meinte, sie hätte sich die Fluglotsen mit dicken Kopfhörern vorgestellt. Diese waren auch tatsächlich neu vorgeschrieben, aber hier war es gelungen, die Einführung bis jetzt über vier Jahre hinauszuzögern, weil sie von den Lotsen unerwünscht waren. Auf der Rollbahn fuhren plötzlich Rettungswagen mit Blaulicht. Diese hatte Herr Albrecht hinausgeschickt. Wir fanden auch schnell heraus, warum: Durch sein Walky- Talky kam noch eine Durchsage von einem Flugzeug, dass ein Kind große Schmerzen hätte und einen Notarzt brauche. Das Flugzeug setzte gerade zur Landung an, und die Rettungswagen sollten es in Empfang nehmen, um dem Kind so schnell wie möglich zu helfen. Dann gab Herr Albrecht den drei Abiturienten noch den Tipp, vor der Prüfung ein Glas Bier oder Rotwein zu trinken, damit sie entspannt in die Prüfung gehen konnten. Er hoffte, den dreien einen guten Einblick in den Beruf zu geben und mir bei der Orientierung helfen zu können. Ausschließlich führte uns Herr Albrecht wieder aus einer, weil die Eingangstür nun alarmgesichert war, anderen Tür hinaus und fuhr uns zurück zur Sicherheitswache. Hier mussten wir die Ausweise wieder abgeben und Herr Albrecht verabschiedete sich von uns.
Ich weiß, dass Fluglotse sicher nicht der richtige Beruf für mich ist. Es ist zu spezialisiert und außerdem kann ich gar nicht Fluglotse werden, da ich eine Kurzsichtigkeit habe, die die der zugelassenen -5 Dioptrien weit übersteigt. Allerdings war es eine äußerst interessante Erfahrung, den Flughafen aus einer völlig anderen uns meist verschlossenen Perspektive zu erleben. Ich werde die nächste Flugreise nun anders wahrnehmen.
Bei dem Wort Flughafen fallen jedem zunächst Duty- Free-Geschäfte ein, Flugzeuge, die auf dem Rollfeld stehen und vielleicht die seit dem 11. September stark verschärften Sicherheitskontrollen. Dies alles sind die Bereiche, die bei der Abfertigung von Reisenden für diese sichtbar sind. Schon seit ich etwas mehr als ein Jahr alt war reise ich regelmäßig mit dem Flugzeug. Die Abfertigung auf dem Flughafen läuft dabei immer mehr oder weniger gleich ab: Man betritt die große, mit Geschäften und Cafés ausgestattete Eingangshalle des Abflugbereichs (Terminals), geht zu einem Schalter von der Fluggesellschaft, mit der man fliegt, um seinen gelegentlich noch durchleuchteten Koffer aufzugeben. Dann kommt man durch die Sicherheitskontrolle. Bei einigen Flughäfen kommt diese erst direkt vor dem Flugsteig (Gate). Dort sucht man sich dann einen freien Platz und hofft, dass die Maschine pünktlich abfliegt. Wenn das Flugzeug schon vor dem Gate steht, kann man da oft schon optimistisch sein. Anschließend steigt man durch einen fahrbaren Tunnel in das Flugzeug oder wird mit einem Bus über das Rollfeld zum Flugzeug gekarrt, wenn es weiter weg vom Flughafengebäude steht. Wenn man dann im Flugzeug ist, hofft man, dass es pünktlich losfliegt, damit man den Anschlussflug bekommt oder Termine nicht verpasst. Fast immer hat sich bei mir die Hoffnung erfüllt. Am Zielflughafen geht man dann durch eventuelle Grenzkontrollen zum Gepäckkarussel und dann durch den Zoll, um dann den Urlaub zu genießen. Dies ist in der Regel alles, was man vom Flughafen mitbekommt und alle Gedanken, die man daran verschwendet. Im Laufe der Zeit ist dies dann auch zur Gewohnheit geworden. Aber dies ist nur ein kleiner Teil vom Flugbetrieb, den man tatsächlich sieht. Ich kann mich erinnern, wie ich einmal als kleines Kind mit einer Freundin von dessen Mutter zum Cockpit einer Hapag- Loyd- Maschine auf dem Flug von Ibiza nach Hamburg geführt wurde. Mehr als dass dort große Fenster, viele Knöpfe und ein netter Pilot waren, habe ich jedoch nicht mehr in Erinnerung. Seit 9/11 ist sowas nicht mehr möglich.
Flughafen hinter den Kulissen
Aber was kann man beim Flughafen selber hinter den Kulissen sehen? Ist dies überhaupt möglich? Es gab eine offizielle Bustour im Hamburg Airport, auf der man über das Rollfeld sehr nah an die Flugzeuge heranfuhr und gegen einen Aufpreis noch die Werksfeuerwehr sehen konnte. Aber irgendwie fand ich dies nicht so interessant, da ich mir dies irgendwie vorstellen konnte. Vor meinem Abitur habe ich mehrere Online Berufstests gemacht. Einer der Berufe, die dabei herauskamen und mich sehr erstaunten, war Fluglotse. Diese sitzen im Lotsenturm des Flughafens und stehen in Funkkontakt mit den Piloten. Sie überwachen den Bereich des Flughafens, geben grünes Licht für Start (Takeoff) und Landung (Touchdown) und kontrollieren auch im größeren Umkreis des jeweiligen Flughafens, ob die einzelnen Flugzeuge Sicherheitsabstand zueinander haben, so dass sie nicht zusammenstoßen, und wie die Wetterverhältnisse sind. Kurzum, sie sorgen dafür, dass der Pilot sicher fliegen kann. Sie haben also eine hohe Verantwortung. Wegen der Berufstests und auch weil ich mir unter diesem Bereich des Flughafens nichts vorstellen konnte sowie aus großer Neugier wollte ich also den Tower besichtigen. Dies war einfacher gesagt als getan, da wie bereits erwähnt dort keine offiziellen Touren hingingen. Ich rief beim Flughafen an und erfuhr, dass der Tower zu einer anderen Firma, der Deutschen Flugsicherung (DFS) gehört. Ich suchte die Telefonnummer im Internet, rief an und ein fröhlicher Mann sagte mir, dass die Besichtigung des Towers kein Problem sei. Dies überraschte mich, da ich erwartet hatte, dass dies wegen hoher Sicherheit nicht möglich sei. Er nannte mir einen Ansprechpartner, einen Herrn Karsten Albrecht, den ich dann nach einigen herumtelefonieren auch erreichte. Dieser sagte mir, dass eine Besichtigung im Prinzip möglich sei, aber eigentlich nur für Piloten und Lotsen von anderen Flughäfen. Aber dann bot er mir überraschend einen Termin an. Ich musste Adresse, Geburtsdatum und Telefonnummer nennen, damit er einen Ausweis beantragen konnte. Meine Mutter meinte scherzhaft, ob ich fragen könnte, ob ich zwei Flugzeuge zusammenstoßen lassen könnte, um dies auf dem Radarbildschirm zu photographieren.
Ankunft
Die Besichtigung sollte um 14:00 beginnen. Herr Albrecht hatte mir den Weg beschrieben. Er führte von der anderen Seite an den Flughafen heran. Hier war ich noch nie, und der Flughafen sah aus diesem Winkel fremd aus, wie ein Gewerbegebiet mit niedrigen Gebäuden und vielen Zäunen. Hier befand sich die Lufthansa- Basis, an die ich vorbeifahren musste. Dann bog ich ab auf das Gelände durch die Einfahrt Geschäftsfliegerzentrum und fuhr von der Seite an den Flughafen heran. Es gab keine Sicherheitskontrolle. Ich stellte das Auto auf einem großen Parkplatz ab, musste aber feststellen, dass er zur Lufthansa- Basis gehörte. Um hier zu parken, brauchte man einen blauen Lufthansa- Parkschein. Schließlich fand ich einen Parkplatz, als ich noch weiter auf das Gelände fuhr. Von hier aus konnte man auch gut den Tower sehen, welcher orange angestrichen war und große dunkle Fenster aufwies. Er stand recht weit abseits vom eigentlichen Flughafen. Ich hatte immer gedacht, der Tower sei der Turm am Flughafengebäude mit dem großen roten Radarschirm. Ich sollte nun eine Sicherheitswache finden und mich dort melden. Ich ging in das nebenstehende Gebäude, welches dicht an einem Zaun zum Rollfeld stand. Hier befanden sich Geräte zum Durchsuchen von Gepäck, wie man sie vom Flughafen auch kennt. Ein Mann sagte mir, dass dies hier nur eine Kontrollstelle sei. Ich müsste zur Sicherheitswache noch etwas weiter die Straße entlang laufen. Dies tat ich dann, vorbei an einem großen grauen Gebäude, bis ich zu einem großen Pförtnerhaus mit Schlagbäumen kam. Hier standen mehrere Lufthansa- Lastwagen. Ich trat ein in das Pförtnerhaus, und der Pförtner fragte, ob ich Frau Lissner sei. Im Pförtnerhaus saßen noch ein junger Mann und zwei langhaarige Mädchen. Ich musste dem Pförtner meinen Personalausweis zeigen und bekam dann einen Ausweis, auf dem DFS und Zugang zu allen sensiblen Bereichen in Begleitung einer zugangsberechtigten Person stand. Nun sollte ich noch im danebenliegenden Raum durchsucht werden. Aber zuerst waren die Lastwagenfahrer dran, so dass ich noch warten musste. Auch die Lastwagen selber wurden kontrolliert. Dann kam eine blonde Frau um mich abzutasten. Meine Jacke und mein Rucksack mussten durchleuchtet werden. Schließlich konnte ich wieder zurück in das Pförtnerhaus. Der junge Mann bot mir galant seinen Stuhl an. Dann trat ein älterer gedrungener Herr mit grauen Haaren und Bart ein und begrüßte uns fröhlich. Er war Herr Albrecht und holte nun uns Besucherscharen ab. Er führte uns zu seinem Auto, in das wir uns hinein quetschen mussten. Dann fuhr er über das Gelände und zum nicht weit entfernten Gebäude der DFS.
Gespräch und Fragen der Bewerber
Herr Albrecht führte uns in das Gebäude und durch Gänge mit Büroräumen zu einem Raum mit einem großen Tisch, eine Art Konferenzraum. An den Wänden hingen Bilder vom Tower und von Flugzeugen. Vom Fenster aus konnte man über das Rollfeld schauen. Ein Flugzeug hob gerade mit lautem Gedröhn ab. Wir setzten uns an den Tisch und dann stellte sich Herr Albrecht noch einmal vor. Er war Wachleiter im Tower, dass heißt, er hatte zumindest im Moment, da sein Vorgesetzter nicht da war, die höchste Verantwortung. Er musste aufpassen, dass die Lotsen ihre Arbeit ordentlich machten, die Dienstpläne erstellen und alle Aufgaben, die mit der Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Flughafen zu tun hatten, übernehmen. Er hatte bei den Airport Days im September 2007 auch die Flugschau organisiert, während sein Kollege aus Bremen dies beim Hafengeburtstag übernahm. Die beiden Mädchen und der junge Mann waren Abiturienten, die Fluglotse werden wollten und sich auch bereits beworben hatten. Das Bewerbungsverfahren ist sehr schwierig, nur fünf Prozent der Bewerber werden überhaupt angenommen. Sie müssen zahlreiche Kriterien erfüllen, um den hohen Anforderungen des Berufes gerecht zu werden. Dazu gehören gute Englischkenntnisse bis zum bitteren Ende, da die Kommunikation mit den Piloten oft auf Englisch und mit Fachausdrücken erfolgt. Außerdem darf man in Mathematik und Physik keine Niete sein. Aber die meisten Fähigkeiten, die benötigt wurden, konnte man nicht erlernen: Räumliches Vorstellungsvermögen, Fähigkeit zum schnellen, aber verantwortungsvollen Entscheiden unter großem Stresseinfluss und Intelligenz. Nur wenige Personen sind dazu in der Lage. Es gibt zum Bewerbungsverfahren mehrere Tests, auch im moralischen Bereich, sowie ein Gespräch vor einer Jury aus zwei Psychologen und zwei Fluglotsen. Wer diese harten Aufnahmeprüfungen besteht, muss über mehrere Jahre einer harten theoretischen Ausbildung im Zentrum der DFS in Langen nachgehen, bevor das On- Job- Training beginnt. Dabei wird man speziell auf eine Position in einem bestimmten Flughafen ausgebildet, da Verkehrssituation und Wetterbedingungen von Flughafen zu Flughafen variieren. So kann man also nicht zwangsversetzt werden, da man an einem anderen Flughafen die ganze Ausbildung noch einmal machen müsste. Auch werden die Fluglotsen der DFS nur in Deutschland eingesetzt. Aus Mangel an genug qualifizierten Personen werden manchmal welche aus dem Ausland angemietet. Die Mädchen stellten noch Fragen zu der Wohnsituation in Langen, was nach Albrecht winzige 12- Quadratmeter- Zimmer seien, und zu Verkehrsanbindung sowie Lohn. Beim On- Job- Training bekommt man 2500 Euro steuerfrei, da die DFS staatlich ist. Ein ausgebildeter Fluglotse in Hamburg bekommt 6200 Euro im Monat ohne Steuern. In Langen befindet sich auch die Kontrollzentrale, von der aus alle Strecken in Deutschland überwacht werden. Dort arbeiten weit über hundert Lotsen. Herr Albrecht sagte, dass der Hamburg Airport zu den 100 busiest Airports worldwide gehört. Allerdings steht er auf Platz 100. In anderen Flughäfen wie Frankfurt und München ist noch mehr los. Darum sind dort tagsüber bis zu sechs Lotsen im Turm, hier nur bis zu vier. Ich konnte einen Mythos über den Hamburg Airport klären. Der Mythos lautet: Nach 22 Uhr darf hier kein Flugzeug mehr landen und ist weit verbreitet, aber unwahr. Tatsächlich dürfen ab 23 Uhr nur noch leise Maschinen landen und welche mit Sondergenehmigungen. Auch nachts ist der Tower besetzt, allerdings nur von zwei Lotsen. Einer davon macht immer jeweils Pause, während der andere aufmerksam weiterarbeiten muss. Die Pausen sind lang, bis über zwei Stunden, und es herrscht wenig Betrieb bei Nacht. Dennoch darf der diensthabende Lotse nicht einschlafen, da immer etwas passieren kann. Die Nachtschicht dauert von 21 bis 6 Uhr. Dann werden sich von der nächsten Schicht abgewechselt. Das Telefon von Herrn Albrecht klingelte, und er fing ein lockeres Gespräch mit jemand an, der Peter hieß. Nach dem Telefonat erzählte er, dass dies der Verkehrsleiter des Flughafens war und sie gerade besprochen hatten, den Bahnverkehr auf dem Rollfeld zu sperren. Da keiner von uns mehr Fragen hatte, rief er im Tower an, um uns anzukündigen. Er wies noch darauf hin, dass Handys verboten seien und man am besten die Taschen und Jacken hier lässt.
Im Tower
Herr Albrecht führte uns wieder durch schmale Flure und dann in den Verbindungsgang, der Gebäude und Tower miteinander verband und orangefarbende Fensterrahmen hatte. Am Ende des Gangs gingen wir durch eine schwere Tür und gelangten in ein kaltes dunkles und rundes Betontreppenhaus mit Wendeltreppe. Der Beton und das Kalte dienten dem Feuerschutz, so sollten möglichst wenige Brennmöglichkeiten für Feuer bestehen. Die Mädchen protestierten beim Anblick der Treppe, aber es gab einen Fahrstuhl, dessen Tür sich überraschend schnell und kraftvoll öffnete. Wir fuhren nach oben. Als wir aus dem Fahrstuhl stiegen, waren wir wieder in dem kalten Betontreppenhaus. Ein Mann kam uns freundlich grüßend entgegen. Wir stiegen noch eine Betontreppe hinauf, bevor Herr Albrecht noch eine weitere Tür öffnete. Ich merkte, dass ich es total aufregend fand. Wir kamen in einen Raum, wo es warm war und noch eine weitere Treppe hochführte. Das Erste, was ich dann sah, waren die vier Fluglotsen, die an halbkreisförmig angeordneten Tischen saßen. Durch die großen Fenster vor ihnen konnte man über das gesamte Flughafengelände und die weitere Umgebung blicken. Obwohl Herr Albrecht vorher gesagt hatte, dass das Geschlechterverhältnis bei den Fluglotsen in Hamburg ausgeglichen sei, waren im Moment nur Männer im Dienst, zwei jüngere und zwei ältere. Sie begrüßten uns freundlich, bevor sie mit ihrer Arbeit fortfuhren. Ihre Schreibtische wiesen Monitore auf, Mikrofone zum Hineinsprechen und zahlreiche Knöpfe. Herr Albrecht führte uns nun an seinen Platz, der hinter denen der Lotsen war. Hier waren drei Bildschirme und ebenfalls zahlreiche Knöpfe. Auf dem mittleren Monitor war ein Radarbild vom Flughafen und dessen Umgebung zu sehen. Herr Albrecht erklärte uns alles mit gedämpfter Stimme, um die Lotsen nicht bei der Arbeit zu stören. Ich sah, dass der Flughafen die Form eines Kreuzes hatte, vom Turm aus längs war die Landebahn, quer die Startbahn. Dies konnte man auch bei einem Blick aus dem Fenster deutlich sehen. Eine gestrichelte Linie umkreiste in etwa den Großraum von Hamburg. Dies war der zu überwachende Bereich. Man konnte auf dem auch die Elbe erkennen. Zudem bewegten dich hier kleine weiße Punkte mit unterschiedlicher Geschwindigkeit: Die Flugzeuge. Bei jedem der weisen Punkte standen in Codes und Nummerierung die Art der Maschine sowie die aktuelle Flughöhe in Fuß. Entgegen der Richtung, in die sich der Punkt bewegte, befand sich eine gestrichelte Linie von begrenzter Länge, welche anzeigte, aus welcher Richtung das Flugzeug kam. Ein Flugzeug flog gerade mit hoher Geschwindigkeit in 12 Kilometer Höhe über den Flughafen hinweg. Durch die Wolken war es unsichtbar. Über der Elbe befand sich gerade ein Helikopter. Der junge Mann aus unserer Gruppe hatte gute Augen und entdeckte ihn. Die Arbeit der Fluglotsen beinhaltet auch sehr viel das tatsächliche Beobachten der Maschinen. Daher dürfen sie nicht zu stark sehbehindert sein wie ich es war. Ich sah den Helikopter nicht, sondern nur die Mundsburg- Hochhäuser. Auf dem Flughafen selber war gerade wenig Betrieb, da keine Urlaubssaison war und zu dieser Zeit auch wenig Flugverkehr war. Schließlich tauchte als blinkender Punkt am Horizont eine Lufthansa- Maschine auf und setzte zum Landeanflug an. Bei den Fluglotsen kamen mehrere Mikrophondurchsagen vom Piloten. Aber da die Landebahn frei war, teilten die Lotsen dem Piloten mit, dass er sicher landen konnte. Auf der Bahn wurde ein Licht angeschaltet, was wohl Fahrzeuge anweisen sollte, diese frei zu halten. Dann setzte das Flugzeug auf. Der Punkt, der es auf dem Radarschirm darstellte, verschwand. Nun wurde eine Delta Airlines auf das Vorfeld gezogen und startklar gemacht. Ich erinnerte mich an Situationen auf Reisen, wo ich in einem Flugzeug, was auf dem Vorfeld stand, saß und der Pilot ansagte, dass er noch auf die Durchsage vom Tower wartet, damit sie sicher losfliegen konnten. Wenn viel Betrieb war, musste man dann manchmal lange warten. Aber jetzt erlebte ich das Ganze erstmals von der anderen Seite, was ein komisches Gefühl war. Die Flugzeuge bekamen jetzt etwas anonymes, wurden zu Objekten und Nummern und waren irgendwie nicht mehr das, als was ich sie kannte: Transportmittel voller abenteuerlicher Reisende. Trotzdem stand natürlich die Sicherheit von Passagieren und Crew hier an erster Stelle. Aber das Gefühl war trotzdem fast unangenehm. Einer der Lotsen machte eine Durchsage, und das Flugzeug konnte nun auf die Startbahn rollen und starten. Als es eine Höhe von etwa 100 Metern hatte, erschien das Flugzeug als neuer Punkt auf dem Radarschirm dicht beim Flughafen. Ein weiteres Flugzeug setzte zum Landeanflug an, und wieder kamen mehrere Durchsagen, teils auf Englisch. Auf dem Platz von Herrn Albrecht befand sich auch noch ein Monitor, welcher die aktuellen Wetterdaten anzeigte, darunter Windgeschwindigkeit, Luftdruck und Temperatur. Momentan war ein starker Wind, welcher problematisch war. Die Lotsen mussten daher darauf achten, dass die Flugzeuge in dem überwachten Bereich nicht in Bereiche mit zu starken Turbulenzen flogen. Einer der Lotsen, einer der älteren Männer, mit Halbglatze, besprach nun etwas Arbeitsrelevantes mit Herrn Albrecht. Anschließend zeigte uns letzterer noch den dritten Bildschirm, welcher die Abflugplanung der Maschinen anzeigte. Hier war zu sehen, welche Maschinen als nächstes starten oder landen sollten. An der Decke hing ein großer, ausgeschalteter Scheinwerfer. Wenn ein Pilot in einem Flugzeug im Überwachungsbereich aus irgendeinem Grund nicht mehr zu erreichen war, wurden hiermit Morsezeichen vermittelt in der Hoffnung, dass der Pilot sie sehen und deuten konnte. Die Lotsen besprachen nun etwas untereinander, denn keiner arbeitet hier für sich. Teamwork ist sehr wichtig. Einer machte Pause und verspeiste ein Sandwich, bevor er mit der Arbeit fortfuhr. Da momentan nicht viel Betrieb war, standen sie nicht so stark unter Stress. Eine Kollegin, die ich bei einem Praktikum in einer Reederei kennengelernt hatte, hatte einmal erzählt, dass Fluglotsen wegen dem hohen Stress sehr oft Selbstmord begingen. Hier war davon aber nicht anzumerken. Die Lotsen waren fröhlich und schienen Spaß bei der Arbeit zu haben. Sogar ein Teller mit Kuchen stand herum. Auf dem Radarbildschirm erschienen kleine Kreuze, die oft schnell wieder verschwanden. Dies waren Störungen, die gelegentlich auftraten. Herr Albrecht zeigte uns nun noch die verschiedenen Knöpfe auf seinem Platz. Die meisten waren für Kontaktpartner. Ab und zu drückte er einen Knöpf und gab Informationen oder Anweisungen durch. Unter einem großen roten Knopf stand jedoch Bombenalarm. Nach Herrn Albrecht musste dieser jedoch bisher noch nie gedrückt werden. Schließlich kam noch ein Handwerker hinauf, um etwas zu reparieren. Nach Herrn Albrecht war das gute Verhältnis zwischen Handwerker und Lotsen auch nicht selbstverständlich, sondern nur hier in Hamburg besonders ausgeprägt. Wir gingen nun wieder nach unten. Ich sah noch, dass bei einem der Fluglotsen ein großer roter Knopf neben seinem Monitor leichtete. Dies bedeutete, dass die Landebahn durch ein Fahrzeug versperrt war und dort jetzt also kein Flugzeug landen durfte. Herr Albrecht erzählte von einem Fall, wo ein großer Jumbo einem Transportwagen das Dach abgezogen hatte. Der Fahrer wurde dabei nicht verletzt, starb jedoch an einem Herzinfarkt. Die Tür, die aus dem Lotsenraum hinausführte, durfte nicht zu lange geöffnet sein, da es sonst ein Alarmsignal gab.
Nachbesprechung
Wir gingen wieder nach unten und verließen den Tower. Herr Albrecht musste noch etwas Geschäftliches besprechen, während wir schon in den Konferenzraum gingen. Die Mädchen holten ihre Handys hervor und begannen SMS zu verschicken. Dann kam Herr Albrecht und wollte wissen, ob bei der Besichtigung noch neue Fragen aufgekommen waren. Eines der Mädchen meinte, sie hätte sich die Fluglotsen mit dicken Kopfhörern vorgestellt. Diese waren auch tatsächlich neu vorgeschrieben, aber hier war es gelungen, die Einführung bis jetzt über vier Jahre hinauszuzögern, weil sie von den Lotsen unerwünscht waren. Auf der Rollbahn fuhren plötzlich Rettungswagen mit Blaulicht. Diese hatte Herr Albrecht hinausgeschickt. Wir fanden auch schnell heraus, warum: Durch sein Walky- Talky kam noch eine Durchsage von einem Flugzeug, dass ein Kind große Schmerzen hätte und einen Notarzt brauche. Das Flugzeug setzte gerade zur Landung an, und die Rettungswagen sollten es in Empfang nehmen, um dem Kind so schnell wie möglich zu helfen. Dann gab Herr Albrecht den drei Abiturienten noch den Tipp, vor der Prüfung ein Glas Bier oder Rotwein zu trinken, damit sie entspannt in die Prüfung gehen konnten. Er hoffte, den dreien einen guten Einblick in den Beruf zu geben und mir bei der Orientierung helfen zu können. Ausschließlich führte uns Herr Albrecht wieder aus einer, weil die Eingangstür nun alarmgesichert war, anderen Tür hinaus und fuhr uns zurück zur Sicherheitswache. Hier mussten wir die Ausweise wieder abgeben und Herr Albrecht verabschiedete sich von uns.
Ich weiß, dass Fluglotse sicher nicht der richtige Beruf für mich ist. Es ist zu spezialisiert und außerdem kann ich gar nicht Fluglotse werden, da ich eine Kurzsichtigkeit habe, die die der zugelassenen -5 Dioptrien weit übersteigt. Allerdings war es eine äußerst interessante Erfahrung, den Flughafen aus einer völlig anderen uns meist verschlossenen Perspektive zu erleben. Ich werde die nächste Flugreise nun anders wahrnehmen.