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Erinnerungslücken und Parallelwelten

Text: lilluvya
Sieben Glockenschläge um Mitternacht und ich weiß, dass alle meine Uhren falsch gehen. Ich wache morgens auf und habe meinen Namen vergessen und ich schlafe abends ein und habe vergessen, früh aufgewacht zu sein. Ich gehe in meine Wohnung um einbisschen Geld zu holen und schaue im Kühlschrank nach. Neulich fand ich mein Handy im Keller, in dem ich 3 Tage nicht mehr war und mein Wecker war hinter dem Schrank versteckt. Manchmal drehe ich den Wasserhahn auf und lasse ihn laufen, bis mir Stunden später ein ungewöhnliches Rauschen auffällt und ich mich wundere, wieso das Wasser läuft.

Sieben weiße Zettel, in einem Umschlag bugsiert zu mir gesendet, liegen weit hinter dem Klavier und bei jeder Taste, die ich drücke flüsterst du mir ein Wort daraus zu.

Mein Leben ist ein ständiges Vergessen und Wiedererinnern, zurückrufen ins Gedächtnis und so ist der Lauf meines Lebens ein ganz anderer, als eurer, da ich ständig im fliegenden Wechsel mit der Vergangenheit in Verbindung stehe, mit Erinnerungen, die mir zufliegen und sich für mich somit der Gang der Zeit in einen Zick-Zack-Pfad verwandelt. Wenn ich vergesse die Kaffeemaschine auszuschalten, weil mir auf einmal S. Gesicht in den Sinn schwebt und die Nacht, als unsere Gesichter wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, hat sie flüsternd zu singen begonnen und aufeinmal werde ich aus den Gedanken gerissen, weil Kaffee über den Boden läuft. Ich bin hier und manchmal im nächsten Moment ganz wo anders, auf jeden Fall nicht mehr dort, wo ihr seid, sondern weggeflogen, an andere Orte, an ferne Orte, oder in die Vergangenheit, oder in meine eigene Wirklichkeit. Und so liege ich an der Ostsee mit J. und sie tippt mir im gleißenden Licht kichernd auf die Nase und ihre Lippen sind weich, wie Freitag Nacht.

Aber J. liegt zu Hause und schläft.

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