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Das Mädchen ohne Waschmaschine oder Der Junge mit Mädchen ohne Waschmaschine

Text: Insecuritate
Sein Einkauf ist gewöhnlich sehr unspektakulär.

Er kauft sich meistens Pizza und etwas zum Dessert.

Nur am Monatsanfang, da kauft er manchmal viel,

auch schon mal etwas Seife, frische Lappen und Persil.

So stand er vor zwei Monaten am Waschmittelregal,

dort änderte sein Leben sich auf einmal radikal:

Ein Tippen auf die Schulter, er sah sich um, verdutzt.

Ein Mädchen war’s, sie sagte: „Mein T-Shirt ist beschmutzt.“



Es war tatsächlich schmutzig. Sie selber war sehr schön.

Er nahm es sich heraus, sie sich genauer anzusehen.

Ihr Haar war braun und glänzend, die Beine lang und schmal,

sie trug das Flecken-T-Shirt, eine Jeans und einen Schal

und auf dem Rücken trug sie, den Scheitel überragend,

sesshaftem Heimatleben und Ruhe wohl entsagend,

einen riesengroßen Rucksack, bepackt bis obenhin.

Sah aus als sei ihr Hausstand, ihr halbes Leben drin.



So stand sie da und sah ihn mit Hundeaugen an.

„Ich wollte dich mal fragen, ob ich bei dir waschen kann.“

war schließlich ihre Frage und auch, noch wusst er’s nicht,

sein Untergang, sein Schicksal, ein Faustschlag ins Gesicht.

Er war also sehr freundlich und sagte schnell: „Na klar!“

weil ihm das schöne Mädchen nicht unsympathisch war.

Er trug ihr ihren Rucksack, was ihr sehr gut gefiel,

lächelnd ging sie mit und trug ihm sein Persil.



In seiner Wohnung fing sie das große Waschen an.

Erst wusch sie ihr Gesicht, dann warn die Kleider dran.

Sie stopfte die Maschine voll und machte Wäschehaufen.

Das ganze Bad war voll davon, man konnte kaum noch laufen.

Sie wusch auch ihre Hose mit, das T-Shirt und die Socken.

Er kam ins Bad, er sah sie an, sein Herz geriet ins Stocken.

Er war verwirrt, doch auch erfreut. Die Waschmaschine brummte

als ob sie für die beiden ein Waschfrauliedchen summte.



Sie saßen vor der Waschmaschine, zählten ihre Runden

für viele lange Waschgänge und viele lange Stunden,

bis sie ihn schließlich küsste, sie im Wäscheozean trieben

und er begann das Mädchen und die Dreckwäsche zu lieben.

Sie zog ihm seine Hose aus, das T-Shirt und die Socken

und die Maschine schleuderte die Wäschestücke trocken.

Der Wasserdampf und Leidenschaft vernebelten die Sicht,

die Wäsche war dann sauber, alles andre war es nicht.



Sie wuschen und ließen kaum noch voneinander ab,

nur, wenn sie neue Wäsche in die Waschmaschine gab.

Und als alles frisch gewaschen und sie schließlich müde waren,

ist er ihr mit den Fingern durch das feuchte Haar gefahren

und sagte: „Bleib doch bei mir und wasche Tag um Tag,

weil ich noch öfter waschen und dich schmutzig machen mag.“

Sie sagte darauf nichts und warf die Waschmaschine an,

weil man auch saubre Wäsche ja noch mal waschen kann.



Die Waschmaschine lief am Tag rund zehn bis dreizehn Mal,

ob 40, 60, 90 Grad, ob voll, ob leer, egal.

Strom und Schweiß und Wasser floss strömend und in Massen.

Bis gestern konnte er sein Glück in all der Zeit kaum fassen.

Doch heute ist die Waschmaschine einfach explodiert.

Es war damit zu rechnen, dass das irgendwann passiert.

Er kauft bald eine neue, doch was bringt ihm das schon?

Denn auch das schöne Mädchen ging mit der Explosion.



Dort wo noch gestern Wäsche lag, ein Mädchen drauf gebettet,

hat er nur eine Lache ihres Waschwassers gerettet.

Auch die wird bald verdampfen und nie wieder erscheinen.

Er wird ihm Becken waschen und dabei leise weinen.

Das Mädchen ohne Waschmaschine, das ist ihm fortgelaufen,

sie nahm sein Herz, drei Äpfel und alle Wäschehaufen.

Wahrscheinlich sucht sie jetzt, in Straßen und in Städten,

nach Männern, die so aussehen, als ob sie Waschmaschinen hätten.

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