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Wie man einen Zahir los wird

Text: seltsamerHERZklumpen
Ein Freund von mir ist gerade frisch verliebt. die Situation ist etwas kompliziert, eigentlich, denn die beiden waren vorher sehr gute Freunde. Eigentlich. Weil es zwar kompliziert ist, sich aber nicht so anfühlt. Als nebenstehende Person, bin ich also so zufrieden damit, wie die beiden selbst. Augenscheinlich. Das dachte ich zumindest bis letzten Donnerstag, denn da erzählte er mir von seinem ganz persönlichen Zahir.



Diesen Begriff, den Zahir, hat ihn Coelho ins Ohr gesetzt. Der gab ihm, meinem Freund, die Definition, nach der dieser dann feststellte, dass er nicht nur davon las, sondern ihn hatte. Ein Zahir, den Begriff hat Coelho im Übrigen von Borges, ist eine Obsession. Etwas, das man mehr oder weniger kurz besitzt, berührt oder einfach nur sieht und dann nie wieder vergessen kann. Bis zum Wahnsinn kann das gehen. Und eben dieser Zahir ist meinem Freund die K.



Die K. ist eigentlich bedeutungslos, aber durch zwei Dinge machte sie sich zum Zahir: Sie beendete das kurze Ding zwischen den beiden so abrupt, wie es begonnen hatte. Und nun ist sie nur noch mental da und hat sich als Vorstellung in sein Gehirn verbissen und das kann sehr langwierig und intensiv schmerzen, zerren und einen so zum Wahnsinn treiben. Die Obsession ist perfekt.













Wie wir da so saßen und er mir seinen Wahnsinn schilderte, dachte ich an meinen Zahir. Das war vor vier oder fünf Jahren. Ich hatte noch nie so um einen Mann geweint. Als er mich aus seinem Leben entfernte bin ich fast gestorben. Diese Gefühle, das weiß ich heute, waren Kleine.Mädchen.Träume, aber sie fühlten sich an wie eine Krankheit, machten mich bewegungslos. Körperlich und geistig. Danach musste ich wieder lernen, wie man richtig fühlt, so wie manche wieder lernen müssen, zu essen, zu gehen und zu sprechen, wenn sie aus einem wirklich langen Koma erwachen. Ich sah ihn in den folgenden Monaten von weitem und war besessen.



Ein Jahr später entzauberte ich meinen Zahir. Ich schlief ein letztes Mal mit ihm. Das ganze war weder ein Unfall noch eine schnelle Nummer, sondern verabredet, als wäre nie etwas gewesen. Wir verbrachten die ganze Nacht eng umschlungen miteinander und am nächsten Morgen schickte ich ihn weg. Einfach so. Da erkannte ich, dass nicht ich besessen war, sondern er. Ich hatte ihm den Zahir ausgetrieben und er, sein Körper, vielleicht ein wenig von seinem Geist, waren dort geblieben. Ein wenig leerer als vorher und darum lange nicht mehr so gut. So stand er in meinem Türrahmen und drehte sich ein letztes Mal um und hielt mich unnötig auf, während ich die Tür schnell schließen wollte hinter ihm.



Ende Teil 1.

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