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Libuse Safránková kriegt Pavel Trávnícek, dann ist Ruhe im Karton
Ich mache Frühstück. Papa füttert die Hasen, es gibt Blumenkohl und Kopfsalat. Die zweite Kanne Kaffee rattert durch die Maschine, Mama trinkt schon die erste in kleinen Schlucken.
Heute Nacht habe ich wieder bis um zwei an meiner Abschlussarbeit gesessen. Ich habe mich in der schwarzen Fensterscheibe gespiegelt, mein blasses, bebrilltes Gesicht, erleuchtet vom Laptopschimmer, und konnte durch das geschlossene Fenster die Bässe vom Dorffest hören. Mama schlief oben schon und Papa hat geschnarcht.
Ich bin dann auch irgendwann hochgegangen. Die Katze habe ich mit ins Bett genommen. Die ist alt, die braucht ein bisschen Wärme.
Mamas Sauerstoffgerät hat gejault und gepumpt und geröchelt, aber Mama schlief leise mit ihrem segensreichen Schlauch in der Nase und dann konnten die Katze und ich auch beruhigt in die Matratzen steigen.
Als ich aufwache, ist wieder diese Sonntagsstille, 8:30 Uhr; die hat nur Vögel und Fliegen und Hunde zum Inhalt. Das reicht auch. Das Haus riecht nach Nacht, abgestandener Luft, in der Küche nach dem Essen von gestern. Mama sitzt in ihrem Bett und weint. Sie hat Schmerzen im Kopf, ich muss runter und Kaffee kochen, dann geht es ihr besser.
Ich mache Frühstück. Papa füttert die Hasen, es gibt Blumenkohl und Kopfsalat. Die zweite Kanne Kaffee rattert durch die Maschine, Mama trinkt schon die erste in kleinen Schlucken, ich schreie nach oben, was sie auf ihren Toast haben will, Marmelade und Honig.
Damit wir alle zusammen essen können, decke ich auf Mamas Beistelltisch und zwei dazugestellten Stühlen, Papa murrt.
Mit allem fertig, stiefeln Papa und ich viermal die Treppe hoch und runter, um Kanne und Brotkorb, Butterdose, Marmeladentopf und Käsescheiben wieder ordnungsgemäß in der Küche zu verstauen. Mama bittet um Pfefferminztee und weint schon wieder, weil ich soviel laufen muss wegen ihr.
Du bist mein Fitnessprogramm, sage ich und denke an die zig Stunden, die ich vorm Laptop sitze und nebenbei Kekse esse. Sie lacht wieder ein bisschen, aber jetzt müssen wir ein Sprudelbad machen, weil Mama ihre Füße mal wieder nicht spürt und dann tut so ein warmes Plätschern ganz gut.
Wir baden also ihre Füße, ich dusche ihr auch gleich die Waden, sie sitzt im Bad im Nachthemd und kichert, weil es sie so kitzelt. Dann kichert sie noch mehr, als ich ihr die Zehenzwischenräume trockne, mit meinem Zeigefinger bohre ich hinein und mache Geräusche wie ein Traktor. Aber das hilft irgendwie nicht, Mama weint wieder, sagt, sie hat so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr jetzt so helfen muss, weil sie gar nichts mehr alleine kann, aber dann schmieg ich sie an mich, und meine nur, dass das ja alles in Vorkasse passiert ist. Dass ich als Kind auch kein schlechtes Gewissen hatte, wenn sie mir die Stullen geschmiert hat oder mit zum Arzt kam.
Während ich ganz professionell Füße und Waden mit erlesener Handcreme bestreiche, macht Mama Mhm und Oh und sagt Wie gut das tut!. Weil Sonntag ist, kommen im MDR eigenartige DEFA-Filme aus der ehemaligen Tschechoslowakei, die haben alle einen Rotstich und verworrene Prinzen und Mägde zum Inhalt. Dieser wird flankiert von schlecht sitzenden Frisuren und stark geschminkten Augen. Ich lege mich zu Mama ins Bett, heute ist Sonntag, keine Arbeit und keine Zukunft, Mama hustet nur ab und zu und dann bebt das Bett, aber ich sehe trotzdem wie Libuse Safránková als Aschenputtel den schäbigen Prinzen Pavel Trávnícek abkriegt, wonach es im Laufe des Filmes gar nicht mal unbedingt aussah, weil der sich einfach dämlich anstellte, bei all den Indizien, die ihm die Safránková so streute.
Mann, sehen die scheußlich aus, sagt Mama.
Ich nicke. Aber wenigstens kriegen die sich, dann ist endlich wieder Ruhe im Karton.
Ja, sagt Mama, endlich Ruhe im Karton.
Ich stehe noch mal auf und hole Kirschen.

Bildquelle: Märchenfilme.com
Heute Nacht habe ich wieder bis um zwei an meiner Abschlussarbeit gesessen. Ich habe mich in der schwarzen Fensterscheibe gespiegelt, mein blasses, bebrilltes Gesicht, erleuchtet vom Laptopschimmer, und konnte durch das geschlossene Fenster die Bässe vom Dorffest hören. Mama schlief oben schon und Papa hat geschnarcht.
Ich bin dann auch irgendwann hochgegangen. Die Katze habe ich mit ins Bett genommen. Die ist alt, die braucht ein bisschen Wärme.
Mamas Sauerstoffgerät hat gejault und gepumpt und geröchelt, aber Mama schlief leise mit ihrem segensreichen Schlauch in der Nase und dann konnten die Katze und ich auch beruhigt in die Matratzen steigen.
Als ich aufwache, ist wieder diese Sonntagsstille, 8:30 Uhr; die hat nur Vögel und Fliegen und Hunde zum Inhalt. Das reicht auch. Das Haus riecht nach Nacht, abgestandener Luft, in der Küche nach dem Essen von gestern. Mama sitzt in ihrem Bett und weint. Sie hat Schmerzen im Kopf, ich muss runter und Kaffee kochen, dann geht es ihr besser.
Ich mache Frühstück. Papa füttert die Hasen, es gibt Blumenkohl und Kopfsalat. Die zweite Kanne Kaffee rattert durch die Maschine, Mama trinkt schon die erste in kleinen Schlucken, ich schreie nach oben, was sie auf ihren Toast haben will, Marmelade und Honig.
Damit wir alle zusammen essen können, decke ich auf Mamas Beistelltisch und zwei dazugestellten Stühlen, Papa murrt.
Mit allem fertig, stiefeln Papa und ich viermal die Treppe hoch und runter, um Kanne und Brotkorb, Butterdose, Marmeladentopf und Käsescheiben wieder ordnungsgemäß in der Küche zu verstauen. Mama bittet um Pfefferminztee und weint schon wieder, weil ich soviel laufen muss wegen ihr.
Du bist mein Fitnessprogramm, sage ich und denke an die zig Stunden, die ich vorm Laptop sitze und nebenbei Kekse esse. Sie lacht wieder ein bisschen, aber jetzt müssen wir ein Sprudelbad machen, weil Mama ihre Füße mal wieder nicht spürt und dann tut so ein warmes Plätschern ganz gut.
Wir baden also ihre Füße, ich dusche ihr auch gleich die Waden, sie sitzt im Bad im Nachthemd und kichert, weil es sie so kitzelt. Dann kichert sie noch mehr, als ich ihr die Zehenzwischenräume trockne, mit meinem Zeigefinger bohre ich hinein und mache Geräusche wie ein Traktor. Aber das hilft irgendwie nicht, Mama weint wieder, sagt, sie hat so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr jetzt so helfen muss, weil sie gar nichts mehr alleine kann, aber dann schmieg ich sie an mich, und meine nur, dass das ja alles in Vorkasse passiert ist. Dass ich als Kind auch kein schlechtes Gewissen hatte, wenn sie mir die Stullen geschmiert hat oder mit zum Arzt kam.
Während ich ganz professionell Füße und Waden mit erlesener Handcreme bestreiche, macht Mama Mhm und Oh und sagt Wie gut das tut!. Weil Sonntag ist, kommen im MDR eigenartige DEFA-Filme aus der ehemaligen Tschechoslowakei, die haben alle einen Rotstich und verworrene Prinzen und Mägde zum Inhalt. Dieser wird flankiert von schlecht sitzenden Frisuren und stark geschminkten Augen. Ich lege mich zu Mama ins Bett, heute ist Sonntag, keine Arbeit und keine Zukunft, Mama hustet nur ab und zu und dann bebt das Bett, aber ich sehe trotzdem wie Libuse Safránková als Aschenputtel den schäbigen Prinzen Pavel Trávnícek abkriegt, wonach es im Laufe des Filmes gar nicht mal unbedingt aussah, weil der sich einfach dämlich anstellte, bei all den Indizien, die ihm die Safránková so streute.
Mann, sehen die scheußlich aus, sagt Mama.
Ich nicke. Aber wenigstens kriegen die sich, dann ist endlich wieder Ruhe im Karton.
Ja, sagt Mama, endlich Ruhe im Karton.
Ich stehe noch mal auf und hole Kirschen.

Bildquelle: Märchenfilme.com