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Dein Stein in meinem Brett

Text: AnonymesMaedchen
Tja. Jetzt kannst du dir was einbilden.

Ich nutze meinen wohlverdienten Feierabend (und den hab ich mir heute wirklich verdient) um dir zu schreiben. Ja. Lach ruhig. Jämmerlich, nicht war? Ich habe nichts besseres zu tun, als abens eine Email an deine dienstliche Emailadresse zu schreiben. Aber was soll ich tun? Du spuckst nunmal in meinem Kopf herum. Ich für meinen Teil finde das äußerst seltsam; nichts gegen dich.

Aber ich dachte, ich hätte mit der Männerwelt abgeschlossen. Und dann wäre da ja auch noch ein gewisser Altersunterschied.

Du hattest von Anfang an einen Stein bei mir im Brett. Ich weiß nicht warum. Du warst mir einfach sympatisch.

Verdammt, meine Gedanken haben sich schon um dich gedreht, mich verwirrt, als ich noch mit Jasmine zusammen war. Als ich damals mit meiner Therapeutin darüber sprach meinte sie nur, dass ich mir nicht zusehr Gedanken darüber machen solle. Es wäre doch eine schöne Situation.

Also wurde ich unbefangener und die Beziehung zu Jasmine ging in die Brüche.

Du warst noch da. Und die Sympatie zu dir. Und wir haben uns immer besser verstanden.

Verdammt. Und du hast dich immer mehr in meine Gedanken geschlichen.

Dann das letzte Wochenende. Ich ging durch Himmel und Hölle. Abgesehen, dass ich permanent an dich dachte war da auch dieses Kribbeln. Ich habe ständig gedacht mein Handy würde eine Mitteilung von dir Anzeigen. Ich hab es mir so gewüscht. Zum anderen hab ich mir aber auch versucht, alles auszureden. Ich meine, es kann nicht sein. Und es darf auch nicht! Du darfst mir nichts bedeuten. Aus so vielen Gründen! Ich denke, die kennst du selbst zu genüge.

Eines kannst du mir glauben: Als am Montag die Arbeit wieder los ging, wollte ich nichts mehr, als ein anderes Leben. Aber du warst immer noch so nett zu mir! Und dann dieser Kuss.

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde ich habe es zu Anfang nicht seltsam gefunden. Aber das waren meine Gedanken. Angefühlt hat es sich anders.

Naja. Und letztendlich war die Entscheidung von Mittwoch die richtige. Natürlich hätte ich die ursprungliche Variante ohne Erwartung auch für richtig befunden. Aber wenn ich nachdenke und vernünftig bin weiß ich dass da nie eine Chance für irgendwas war. Ich weiß es. Aber es war schön. Auch der Begrüßungskuss am Mittwoch Morgen. Es war einfach jemand da. Und ich konnte mich anlehnen. Von dir ging soviel Wärme aus und mir ist doch immer kalt.

Ich war verdammt ehrlich zu dir. Und du warst einfach kein Arschloch. Ich glaube nicht, dass du irgendwas ausgenutzt hast oder hättest. Allein heute hättest du jeden guten Grund gehabt um mich zu meiden. Schließlich hab ich dich in eine verdammt beschissene Situation gebracht. Und du? Du gehst mit mir mittags Kaffee trinken. Verstehst du, das machen nicht viele Menschen. Um ehrlich zu sein, niemand den ich sonst kenne hätte so gehandelt wie du. Und das hat den Stein in meinem Brett noch viel viel größer gemacht. Mittwoch Abend war ich wirklich traurig. Hab mich allein gefühlt. Donnerstags hab ich dich in der Früh gesehen und alles war gut. Egal was tags zuvor war. Und ich hab den Donnerstag genossen. Einfach zu arbeiten, micht mit dir gut zu verstehen und zu scherzen per Mail.

Und verdammt dann war halb sechs. Nicht, dass ich nicht nach Hause wollte weil mir dort zur Zeit die Decke auf den Kopf fällt. Da war dein Angebot. Und ich habe gewartet. Getrödelt. Stand drei, vier Minuten vor der Altregistratur und wartete, ob du kommen würdest. Die Kollegen haben mich schon blöd angesehen, weil ich so lange meine Schlüssel in der Handtasche suchte.

Aber du kamst nicht. Ich saß erst viertel vor Sechs in meinem Auto.

Doch warscheinlich war es gut, dass wir nicht aufeinander trafen.

Und mir geht dennoch nicht aus dem Kopf, was wohl gewesen wäre.



Jetzt sitz ich also Zuhause. Die Katze neben mir. Und mache mir Gedanken. Über dich.

Du bist in mein Leben getreten und hast es ziemlich durcheinander gebracht. Und eigentlich will ich das alles nicht. Aber es hat sich so gut angefühlt. So gut, dass ich es eigentlich doch will. Aber das passt nicht zu mir.

Versteh mich nicht falsch. Es war heute ein schöner Tag, falls man das über die Arbeit sagen kann. Aber von dir umarmt zu werden, geküsst zu werden war das Tüpfelchen auf dem 'i'.

Und die Medikamente, die mir schlafen helfen sollen helfen nicht gerade dabei, einen klaren Gedanken zu fassen.

Weißt du, ich glaube du könntest machen mit mir, was du willst. Und ich glaube, du weißt das. Und dennoch tust du nichts. Bist anständig. Sowas vermisse ich an der Menschheit.

Und dann muss ich mich auch stets fragen ob meine Gefühle und Gedanken zu meinem kranken Teil gehören oder einfach zu mir als Mensch. Als Frau.

Und weist du, ich habe es satt mir ständig einreden zu lassen dass jeder meiner Schritte "krank" ist!

Ich habe einfach nur das Bedürfniss, ehrlich zu dir zu sein.

Ich habe das Gefühl, dass das alles mal "gesagt" (oder in diesem Fall geschrieben) sein muss. Keine Ahnung, was die Konsequenzen sein werden. Aber ich hab das Gefühl, sonst platzen zu müssen.

Habe ich doch nicht mal meiner Therapeutin von dir erzählt. Und die weiß sonst stets alles von mir. Wem kann ich mich also anvertrauen, wenn nicht dir?

Verdammt. Ich hab mir sogar versucht vorzustellen, wie deine Tochter Sophie wohl aussieht. Wie es wohl ist, wenn du abens nachhause gehst zu deiner Frau. All das hab ich mir ausgemalt um wieder klar denken zu können.

Und ich weiß, dass dieser dumme dumme Zustand auch irgendwann vorbei geht. So wie alles im Leben vorbei geht. Aber ich bin jetzt in diesem Moment so traurig. Stelle mir gerade vor, wie du mich in den Arm genommen hast. Oder meine Wangen gestreichelt. Diese Geste war so unglaublich sanft. Nach solch einer Sanftheit sehne ich mich stehts. Und du hast das erfüllt.

Verstehst du meinen Zwiespalt. Zwiespalt zwischen wollen und nicht wollen. Richtig. Falsch. Moral. Anstand. Werte. Norm.



Ich weiß nicht mal, ob ich diese Worte abschicken werde. Aber ich muss meine Seele erleichtern.

Wenn ich mir gerade vorstelle, wie du vielleicht morgen diese Worte liest, nachdem du mir Guten Morgen gesagt hast...

Soll ich dir was verraten? Aber bitte nicht lachen.

In den letzten Tagen war meine Büro morgens nur offen, damit du mir Guten Morgen sagst.

Jämmerlich nicht war?! Ich mache mich an einen verheirateten Mann ran. Oder Rücksicht auf Verluste.

Ich könnte mich dafür Ohrfeigen. Und dennoch spiele ich mit dem Gedanken, dir all diese Worte zu schicken. Nur damit weist, wie es in mir aussieht. Nur damit ich einmal mehr Gefahr laufe, mich lächerlich zu machen.

Aber so schätze ich dich nicht ein. Ich denke, du würdest behutsam und bedacht mit diesen Worten umgehen.

Oh man, wie viel ich schon geschrieben habe. Und mein Körper, mein Kopf, manchen noch immer keine Anstalten, schlafen gehen zu wollen.

Ich kann doch nicht noch mehr schreiben.

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