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Meine Kollegin Lack-, Regenmantel- & Gummistiefelfetisch

Text: Gueneslikoer

Meine Kollegin



 Mein bisheriger Arbeitgeber musste Insolvenz anmelden. Arbeit zu finden ist in der heutigen Zeit auch nicht mehr so einfach. Doch ich fand eine Stellenanzeige in der Zeitung, die mich interessierte. Darauf bewarb ich mich dann. Mehrere Tage später bekam ich einen Anruf von diesem Unternehmen, einem kleineren Betrieb mit etwa fünfundzwanzig Beschäftigten. Der Geschäftsführer lud mich zu einem Vorstellungsgespräch ein. Das fand an einem Samstag statt, an diesem Tag war das Büro nicht besetzt, nur in den Werkstätten war ein kleiner Teil der Belegschaft am arbeiten. Nach dem Gespräch, dass ich als erfolgreich einschätzte, fragte mich der Geschäftsführer noch, ob ich denn mit einer Dame aus dem Büro verwandt wäre, denn wir hatten den gleichen Nachnahmen. Ich verneinte. Es dauerte noch etwa zehn Tage, dann erhielt ich einen Anruf von dem Betrieb, bei dem ich mich beworben hatte. Eine weibliche Stimme meldete sich mit meinem Namen, ich meldete mich mit meinem Namen, dem gleichen Namen. Wir mussten lachen, denn wir waren beide etwas verwirrt. Die Frau, die den gleichen Nachnahmen hatte, stellte mich zu der Frau des Geschäftsführers durch, die mich dann fragte, ob ich an der Stelle noch interessiert sei, denn sie würden mich einstellen.



Zum ersten September konnte ich dann im Lager des Unternehmens beginnen, und ich lernte meine Namensvetterin persönlich kennen. Eine sympathische Frau, die etwa 35 Jahre alt sein mochte, ich war gerade mal 27. Sie war eine adrette Erscheinung, immer korrekt und ordentlich gekleidet, ein bisschen vornehm fast. Leider passte ihr sprachlicher Ausdruck nicht so ganz zu ihrem äußerlichen Erscheinungsbild. Komparative beherrschte sie so gut wie gar nicht, sie benutzte stets das wie, obwohl eigentlich ein als an diese Stelle gehörte. Mich belustigte das, aber ich befand mich in der Probezeit, musste mich zurückhalten. Dennoch, wir trugen denselben Nachnahmen, das verband uns und eben auch die Sympathie des Telefonates, welches wir geführt hatten. Jedes Mal, wenn ich ins Büro musste, lächelten wir uns an.



Anfang Dezember fand die Weihnachtsfeier statt. Meine Probezeit hatte ich soeben überstanden. Per Los wurde die Sitzordnung festgelegt, es sollte abteilungsweise Cliquenbildung vermieden werden. Wie es der Zufall wollte, saßen die Kollegin aus dem Büro und ich nebeneinander. Es gab Prosecco, den ich nicht mochte, ich war auch mit dem Auto da und wollte später damit nach hause fahren, daher trank ich keinen Alkohol. Meine Kollegin trank einen Prosecco, sagte aber, dass sie gar keinen Alkohol vertragen würde, der würde ihr sofort in den Kopf steigen. Später ließ sie sich zu einem Glas Wein überreden. Nachdem sie den getrunken hatte, bot sie mir das Du an. Sie hieß Christine. Ich bestand darauf, dass Du zu besiegeln und bestellte ein weiters Glas Wein für Christine. Ich bot ihr an, sie nach Hause zu fahren nach der Feier. Sie freute sich darüber, denn sie kam immer zu Fuß zur Arbeit, hatte etwa einen Kilometer Fußweg, wie sie mir sagte. Der Wein zeigte sein Wirkung bei ihr. Die sonst so adrette und zurückhaltende Christine bekam glasige Augen und meinte, ich hätte ja noch keinen Kuss von ihr bekommen. Schon hatte ich ihre Zunge im Hals. Donnerwetter, und sie küsste echt gut. Die anderen Kollegen staunten nicht schlecht, hätten ihr niemals so etwas zugetraut. Christine war geschieden, hatte bereits einen vierzehnjährigen Sohn und schleppte den Namen, den sie trug, der auch mein Name war, aus ihrer Vorehe mit sich herum. Irgendwann war die Feier mal zu Ende, Christine und ich gingen zu meinem Auto. Es regnete. Sie hatte einen Schirm aufgespannt. Ich rügte ihren Schirm als unpraktisch. Eine Regenjacke oder einen Regenmantel sollte sie lieber tragen, dann hätte sie ihre Hände frei, bräuchte den Wind nicht fürchten und außerdem würde sie bestimmt süß aussehen, in einem Regenmantel. Christine meinte, dass sie sich das kaum vorstellen könne. Ich sagte ihr, dass ich sie zu einem Strandspaziergang im Regen einladen würde, wenn sie sich einen Regenmantel zulegen würde. Christine lachte erneut, sie war leicht angesäuselt. Bei ihr zuhause angekommen, bekam ich ein weiteres heißes Küsschen. Dann verabschiedeten wir uns.



Am Anfang der nächsten Woche war Christine wieder so, wie sie immer war, freundlich, adrett, vornehm. Das wir uns duzten, hatte sie allerdings nicht vergessen. So viele Duzfreunde hatte Christine in der Firma nicht. Ich erinnerte sie an mein Angebot mit dem Strandspaziergang. Christine lächelte und meinte, sie käme darauf zurück, wenn sie etwas Schickes finden würde.



Einige Wochen später, es war bereits das neue Jahr angebrochen, kam sie eines Morgens  bei Schneeregen wieder mit ihrem Schirm in den Betrieb. Aber unter dem Schirm trug Christine eine lange Jacke mit Kapuze, die genau wie ein Friesennerz aussah, nur nicht gelb, sondern schwarz beschichtet. Das Teil sah wirklich hammergeil aus. Aber der Schirm? Das ging gar nicht. Ich sprach sie darauf an. Das sei doch keine Regenjacke, das wäre doch nicht so, ja, vielleicht ein bisschen, aber nein, die solle doch nicht nass werden. Wozu denn dann die Kapuze sein sollte, wollte ich von Christine wissen. Eine Kapuze würde sie sowieso nicht aufsetzen, das würde ja die Frisur ruinieren, und so was sieht ja auch nicht aus, das sei nur ein modisches Accessoire, hätte keine praktische Funktion.



Christine konnte jedes Kleidungsstück totreden. Warum sie die Jacke gekauft hätte, wollte ich wissen, wenn sie denn funktionslos sei. So würde das nichts werden, mit dem Strandspaziergang.



Ja, ja, das wären ja doch nur leere Versprechungen, von wegen Strandspaziergang, es gäbe ja hier gar keinen Strand, da müsse man an die See fahren, das wären aber über vierhundert Kilometer, das würde ich ja niemals machen.



Kauf dir ein Paar Gummistiefel und wir fahren sofort los meinte ich zu Christine. Ja, Gummistiefel, das würde sie ja noch einsehen, bei dem Wetter, aber ins Büro würde sie die ja niemals anziehen, wie sieht das denn aus, das ginge doch nicht. Ich meine für den Strand korrigierte ich meine Kollegin. Ach so, ja da braucht man welche meinte sie.



Ich wiederholte mein Angebot und dachte, dass sie niemals darauf eingehen würde, so eitel wie sie war, da würde sie doch niemals Regensachen tragen, und mit einem Lagerarbeiter an die See fahren? Unvorstellbar!



So war es dann auch. Wir sprachen nie wieder über das Thema. Etwa eineinhalb Jahre später hatte der Geschäftsführer zum Grillen eingeladen. Es war Sommer und wir wollten uns an einem Parkplatz treffen und gemeinsam zum Grillplatz  laufen. Der Weg war eine gute Viertelstunde. Christine kam tatsächlich auch mit, ich hätte es nicht geglaubt. Grillen ist nämlich nicht steril und Rauch könnte sich in die Bekleidung setzen, dann würde man so eklig riechen. Aber Christine war leger gekleidet, mit schwarzer Edeljeans und Bluse, dazu elegante Schuhe. Beim Grillen ist Christine irgendwie an ein Glas Wodka geraten, das Lieblingsgetränk des Seniorchefs. Wie auch immer es geschehen sein mag, Christine trank Wodka und war danach hackedicht. Ich nahm mich ihrer an und wollte sie nach Hause bringen. Die Feier war zwar noch nicht beendet, aber wir waren trotzdem nicht die ersten, die die Feier verließen. Christine war ein bisschen größer als ich, ich hakte sie ein, damit wir sicher zu meinem Auto gelangten. Im Auto schließlich fiel sie mir wieder um den Hals. Ich fand das sehr schön, denn  Christine war eine sehr gut aussehende Frau, eigentlich gar nicht meine Liga, aber was solls? Gut, als Lebenspartnerin wollte ich diese Frau nicht haben, der Altersunterschied war das Eine, aber am meisten störte mich ihre Eitelkeit. Wir hatten gut zehn Kilometer Weg bis zu ihrer Wohnung.



Plötzlich meinte Christine zu mir, was denn nun wäre, mit dem Strandspaziergang. Ich meinte, dass sie ja bisher weder Regenmantel noch Gummistiefe

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