Die Frau vom Finanzamt 22
Andreas Vater, er sei ausgezogen. Tatsächlich hatte er sich während seiner Dienstreisen in eine Frau aus Malaysia verliebt. Nach mehr als 25 Ehejahren war nun Schluss. Er wollte sie nach Deutschland holen und mit ihr zusammenziehen. Nun hatte er bereits eine Wohnung gemietet und einfach ausgezogen. Elke war zwar schockiert, aber sie trug es mit Fassung. Sie und Andrea sollten das haus behalten, so wollte er sich aus der Ehe frei kaufen. Elke stimmte zu. Ihr war ein Ende mit Schrecken lieber, als das, was sie in den letzten zwei Jahren durchgemacht hatte. Nun war alles raus, die Ehe gescheitert. Mit über 50 Jahren begann für Elke ein neues Leben.
Ich war nicht überrascht. Angedeutet hatte sich das ja schon, als ich Andrea kennen lernte.
Nun war es passiert. Nur, das, was mir Elke erzählte, war nur der eine Teil dessen, weswegen sie anrief. Norbert sagte sie, ich weiß, dass du Andrea liebst. Und sie liebt dich. Ihr macht euch doch nur was vor mit eurem Gerede davon, dass jeder von euch sein eigenes Leben führen würde. So oft sitzt Andrea abends in ihrem Zimmer und heult Rotz und Wasser, weil sie gemerkt hat, dass sie für immer mit die zusammen sein will. Sie hat es sich selbst verbaut dadurch, dass sie immer wieder auf ihre Selbstständigkeit bestanden hat. Seit heute ist die Situation hier eine andere. Mein Mann ist weg, Andrea weiß noch gar nichts davon. Sie hing nicht so sehr an ihrem Vater, aber er wird ihr dennoch fehlen. Aber du fehlst ihr am meisten. Norbert, ich bitte dich, wenn du meine Tochter wirklich liebst, dann komm zurück und bleib für immer. Dein Platz ist hier und nicht in Bayern. Dann legte Elke auf.
Fünf Minuten dauerte es, in denen ich wie gelähmt in meinem Büro saß. Dann ging ich zu unserem kaufmännischen Leiter und bat darum, den Rest der Woche frei nehmen zu dürfen. Es war Urlaubszeit, er knirschte mächtig mit den Zähnen, aber er stimmte zu. Einen Grund für mein begehren nannte ich nicht. Eilig fuhr ich zu meiner Wohnung und kramte ein paar Sachen zusammen. Dann raste ich los. Wie vom Teufel geritten eilte ich gen Norden. Pünktlich um 16:30 Uhr wartete ich in der Nähe des Finanzamtes auf Andrea. Bei schönem Wetter benutzte sie weiterhin ihr Elektromobil, das Auto ließ sie meist stehen. Sie benutzte es selten. Als Andrea das Amt verließ, fuhr ich langsam ein Stück hinter ihr her. Sie hatte wieder eine ihrer Kunstlederhosen an, die sie eigentlich immer im Amt trug. Ich war so sehr aufgeregt. Doch mein Entschluss stand fest. Ich überholte meine Freundin und wartete auf einem Parkplatz unweit ihres Hauses auf sie. Ungläubig kam Andrea näher. Sie erkannte mich, stutzte, fuhr auf den Parkplatz. Ich sprang aus dem Auto, zog einen riesigen Rosenstrauß vom Beifahrersitz und kniete vor meiner Andrea nieder. Willst du meine Frau werden? fragte ich mit zittriger Stimme. Dann übergab ich ihr die Blumen. Andrea brachte kein Wort hervor, sie nickte nur, und dicke Kullertränen liefen über ihre Wangen. Auch ich fing vor Freude an zu weinen. Mit den Rosen im Arm fuhr Andrea das kurze Stück nach Hause. Ich war bereits vorgefahren und wartete vor der Garage. Als Andrea in die Hauseinfahrt einbog, kam Elke aus der Tür. Sie hatte bemerkt, dass ein Auto vorgefahren war. Als sie ihre völlig verheulte Tochter mit ihrem Rosenstrauß auf das Grundstück fahren sah und mich erblickte, der bereits vor der Garage stand, wusste sie, was los war. Elke kam auf uns zugelaufen und knuddelte erst mich und dann Andrea. Wir beeilten uns, ins Haus zu kommen. Nach und nach klärte Elke ihre Tochter darüber auf, dass ihr Vater für immer das Haus verlassen hatte. Andrea war darüber nicht mal traurig. Sie hatte mit ihrer Mutter gelitten, das war nun vorbei. Dann sagte sie, dass sie es nicht mehr mit ansehen konnte, wie Andrea und ich uns quälten. Sie wusste, dass wir zusammengehören. Deshalb hat sie mir am Telefon den Kopf gewaschen. Dass ich sofort handelte, damit hatte sie allerdings nicht gerechnet. Umso erfreuter war sie, als ich plötzlich vor der Tür stand. Andrea und ich saßen noch sehr lange zusammen, und wir amüsierten uns über unsere eigene Dummheit. Wir wollten einfach nur zusammen sein und taten uns so schwer dabei. Vor lauter Aufregung hatte Andrea wieder in ihre Kunstlederhose gepullert. Ich nahm ein Küchenmesser aus der Schublade und schob meine Braut ins Bad. Sie würde den Verlust einer Lederimitathose verschmerzen können. Andrea schrie wie in alten Zeiten das ganze Haus zusammen, als ich es ihr in ihrer vollgepissten Kunstlederhose besorgte und sie einen gewaltigen Höhepunkt bekam.
Das ist jetzt vier Monate her. Ich habe meinen Job in Regensburg geschmissen und bin zu Andrea gezogen. Vor sechs Wochen haben Andrea und ich geheiratet, standesamtlich und kirchlich, ganz in weiß. Wir lieben uns so sehr und haben das Richtige getan. Meine Frau ist mein Ein und Alles. Dass sie nicht laufen kann, war nie ein Thema für mich. Dass Andrea meine Hilfe annimmt, ist inzwischen selbstverständlich für sie. Unser Leben ist ein Traum. Elke, meine Schwiegermutter, schläft nur noch mit Ohrenstöpseln. Bald ist Weihnachten, da wird sie ein paar Tage Ruhe haben. Da fahren wir wieder in unser Hotel in die Lüneburger Heide. Diesmal als Ehepaar.
Einen einzigen kleinen dunklen Punkt gibt es noch in meinem ansonsten glücklichen Leben: Andrea zieht nach wie vor keine gelben Regensachen für mich an. Aber Elke , Elke würde niemals zulassen, dass ihr Schwiegersohn fremdgeht. Sie hofft stattdessen auf ein Enkelkind.
Andrea hat morgen einen Termin beim Frauenarzt. Die Spirale kommt raus. Mal sehen, wie lange es dauert, bis Elke Oma wird.
Lesen sie auch mein Buch: "Die mollige Masurin"
ISBN 978-3-86931-816-5