Not another "Alles Idioten hier außer mir"-Text
Hey pig piggy pig pig pig! All of my fears came true. Es ist 16:45 Uhr und Trent Reznor probt für die anstehende Welttournee.
Es ist 16:45 Uhr und Jim Jarmusch dreht einen Film über einen Mann, der seinen Hund ausführt.
Es ist 16:45 Uhr und ich - ja, ich sitze in einem Hörsaal, in Erwartung einer Zivilrechtsveranstaltung, oh yeah.
Durch die Ritzen der Jalousien kann man die Außenwelt erahnen, die Sonne lacht verschmitzt, die Kinder schreien, die Autos hupen, altersschwache Tauben fliegen zum Sterben in den Englischen Garten. Ich befinde mich hier, um mir Informationen einzuverleiben, die ich meinem limbischen System zufolge im ersten juristischen Staatsexamen - eine wesentliche Prämisse für ein zukünftiges Eigenheim inklusive Idiotenfamilie - dringend benötige.
Es ist 16:45 Uhr und Cosma Shiva Hagen entspannt ihr krasses Gesicht auf einer ebenso krassen Dachterrasse.
Da die große Stunde erst in einer halben Stunde schlägt, schlagen hier temporär neben meiner Wenigkeit lediglich fünf weitere Personen die Zeit tot. Die in Kürze eintrudelnden restlichen Teilnehmer hocken momentan in der Bibliothek und überlegen sich, ob Seite 237 zeitlich gerade noch so gehen könnte oder vielleicht doch erst um 19:30 Uhr in Angriff genommen werden sollte.
Vor meiner Nase liegt ebenfalls ein Buch – Sachenrecht. Wer sich schonmal mit dem Thema Grundpfandrechte beschäftigt hat, weiß, dass die Welt neben Jerry Bruckheimer noch zahlreiche andere Flachpfeifen zu bieten hat. Zum Glück soll das Buch nur den Minutenzeiger motivieren, sich schneller fortzubewegen. Um menschliche Errungenschaften wie die forderungsentkleidete Hypothek geistig wirklich erfassen zu können, bin ich nämlich viel zu abgelenkt von dem Typen mit dem roten Hemd, der soeben seinen Stammplatz ganz rechts in der ersten Reihe eingenommen hat. Wenn ich unter der Dusche oder beim Briefmarkenlecken Zeit habe, mir über besagten Typen Gedanken zu machen, nenne ich ihn gehirnintern stets den Wichser mit der Digitaluhr.
Genauso wie mein Aufenthaltsort in der Mitte der viertletzten Reihe - trägt man kein Shirt mit rechtsradikalen Motiven, verschwindet man hier regelrecht in der Masse - ist natürlich auch die konsequente Platzwahl des Wichsers mit der Digitaluhr keineswegs ein dem Zufall zuzurechnendes Phänomen, kann man doch ganz vorne den linken Zeigefinger viel besser und tiefer in des Tutors Nase rammen.
Neulich hatte ich das Vergnügen, einer Konversation zwischen dem Wichser mit der Digitaluhr und einer anderen Person akustisch beiwohnen zu dürfen. Dabei stellte sich heraus, dass der Wichser mit der Digitaluhr seit einem Monat Lernpensum-optimierende Pillen frisst und sich zwecks effektiven Stressabbaus irgendeine Yoga-CD zugelegt hat. Nachdem diese spektakulären Informationen mein Stammhirn erreicht hatten, konnte ich nicht umhin, mich gedanklich einen Kilometer vom Wichser mit der Digitaluhr zu entfernen und ihn von diesem Standpunkt aus wegzusnipern.
Es ist 17:05 Uhr und Martin Scorsese fragt sich, ob der Kerl da jetzt erstochen, erdrosselt oder weggesnipert wird.
Es ist 17:07 Uhr und die nächste Berühmtheit betritt den Hörsaal. Der Spast mit dem benoppten Fingerhut. Zur Erklärung: Auf dieser degenerierten Welt existieren Menschen, die sich vor dem Umblättern immerzu die manikürten Finger ablecken müssen. Andere Leute finden diese Marotte hingegen abstoßend und unterlassen die Scheiße. Und dann gibt es da noch diesen einen Spasten mit dem benoppten Fingerhut.
Es ist 17:12 Uhr und die Majorität unterhält sich angeregt über juristische Spezialprobleme, während sich die Minorität das Kostüm zurecht zupft. Ich behandle indessen die Fragestellung, was ich hier eigentlich mache. Irgendwann kommt der junge Dozent hereinstolziert, er trägt einen Anzug und versucht mittels Bemerkungen über das gestrige Fußballländerspiel eine gewisse Nähe zu Herrn Kleinbürger vorzutäuschen. Anschließend dreht sich alles um das Rangverhältnis zwischen Sicherungseigentum und Vermieterpfandrecht. Es ist 17:33 Uhr und Salvador Dali dreht sich im Grabe um.
Anmerkung: Text war vor längerer Zeit schonmal online und wurde nur leicht abgeändert.