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Die Pluralität der TUC-Kekse

Text: Puddloflaj

Der Unterschied zwischen TUC-Keksen und britischem Humor ist, dass letzterer zu meinem Glück unerschöpflich ist, während die Kekse leider - ungeachtet dessen wie viele man ursprünglich hatte - immer zu schnell leer sind.



Ich frage mich, wieso noch niemand eine Bachelorarbeit darüber geschrieben hat. Den Unterschied zwischen einer Keks-Sorte und der einem bestimmten Kulturkreis zugeordneten humoristischen Neigung zu finden, ist etwa so schwer wie einen talentierten Musiker von Justin Bieber zu unterscheiden oder einen sicheren Weg der Energieerzeugung von einem Atomkraftwerk.



(Side note: „Liebes Tagebuch, hatte heute einen Germanisten-Orgasmus! Habe die obligatorische Kritik an Popkultur und Politik in einem Satz inkl. Sarkasmus sozusagen abgemasturbiert. Jetzt kann ich mich auf meinen eigentlichen Forschungsgegenstand stürzen. Bis morgen, deine Maddie.“)



Nein, es stellt sich jetzt nicht heraus, dass ich mit dem Vorangegangenen eigentlich auf etwas viel sinnvolleres, gehaltvolleres, eben etwas ganz, ganz anderes und viel, viel volleres hinaus wollte. Es geht tatsächlich nur um TUC-Kekse und britischen Humor.



Den Unterschied – und zwar den einzig relevanten – habe ich ja bereits genannt. Nochmal zusammengefasst: Das eine, die Kekse nämlich, hat ein Ende, das andere ist unendlich. Unendlich wie das Universum. Generell scheint sich mir Astrophysik doch sehr gut auf meine Humor-Theorie übertragen zu lassen.



Es heißt, das Universum sei ständig damit beschäftigt sich ins Unendliche auszudehnen, nur um sich dann wieder in einem winzigen Punkt zusammen zu ziehen. Dieser Zyklus wiederhole sich unendlich oft in der Zeit. Ein ähnliches Phänomen finde ich im Humor wieder.



Beispiel: Das Leslie-Nielson-Syndrom. So abgelutscht die alte Bananenschale doch sein mag – sie kommt immer wieder. Sie dehnt sich so unvorstellbar weit aus wie ein aufgeblasenes Kondom bis sie ganz unsichtbar wird und man sich ganz weit entfernt in Sicherheit wiegt. Doch dann zieht sie sich ohne Vorwarnung wie ein Flitzegummi wieder zusammen, landet vor Ben Stillers Füßen und löst eine Kettenreaktion von für Außenstehende erheiternden Unfällen aus.



Zwei Paralleluniversen können nahezu identisch aussehen oder auch völlig verschieden. Die Gesamtheit aller existierenden Paralleluniversen wird als Multiversum bezeichnet.



Ich erläutere das für all jene Menschen, die ihre Abitur-Vorbereitungsphase nicht mit einem Stargate-Marathon verbracht und ihren Laptop nicht nach ihrem Lieblings-Science-Fiction-Charakter benannt haben; für alle, die nicht gerne Joachim Bublath youtuben und sich kein Mikrowellen-Popcorn zu N24-Dokumentationen mit dem Titel „Reise an den Rand unseres Sonnensystems“ machen. Außerdem wird jeder Science-Fiction-Fan ein bisschen feucht bzw. steif im Höschen, wenn das Wort „Paralleluniversen“ fällt.



Es ist nach der Theorie von der Existenz der Paralleluniversen möglich, dass ich in einem anderen Universum ebenso gerade an meinem Laptop sitze, der dort auch „Rodney“ heißen würde. Ich hätte die gleiche Kleidung an und das gleiche Pflaster am rechten Ringfinger, welches verhindern soll, dass ich weiter meiner schlechten Angewohnheit des Fingernagelhaut-Knabberns fröne bis der Finger irgendwann ganz weg ist. Es würde dort die gleiche angefangene Packung TUC-Kekse zu meiner Linken liegen, welche mich überhaupt erst inspiriert hat, diesen mit Nonsens gefüllten Text zu verfassen. (Ehrlich! – Der wird nicht sinnvoller werden. Macht euch keine Hoffnungen.) Der einzige Unterschied zwischen diesem und jenem Universum könnte sein, dass ich, anstatt bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit meine Anglophilie zu verbreiten, jene inspirierenden TUC-Kekse lieber mit den (Ironie-Alarm-Glocke!) „tollen, einfalls- und abwechslungsreichen Gags“ Mario Barths vergleich wollen würde.



Betrachten wir den Begriff „Humor“ also als Gesamtheit aller möglichen nur denkbaren Definitionen dessen, was uns zum Lachen bringt, so lässt sich eine Vielzahl möglicher Humor-Universen (HU) ausmachen. Britischer Humor ist eines davon.



Das Mario-Barth-Universum (MBU) ist allerdings keines dieser HUs. Es ist zwar wissenschaftlich erwiesen, dass dieses Universum so groß ist, dass es das ganze Berliner Olympiastadion füllen kann, was zunächst viel zu groß erscheint, aber das Positive daran ist: Das Olympiastadion ist nicht unendlich! Sowohl das MBU als auch der MB selbst haben ihre Grenzen also erreicht, sie werden sich unendlich oft in der Zeit ausdehnen und zusammen ziehen, aber dabei nicht über die Grenzen des Olympiastadions hinauskommen. Das MBU hat somit aber eigentlich gar nicht das Recht, ein HU oder überhaupt irgendein U zu sein, was aber für meine Theorie völlig irrelevant ist, da es ist ja sowieso kein H ist.



Was ein Glück. Es sind Erkenntnisse wie diese, welche mich für den Bruchteil einer Sekunde an meinem Atheismus zweifeln lassen.



Worauf ich aber hinaus wollte, wenn ich überhaupt irgendwo hin wollte…. britischer Humor ist ein Universum. Er ist unendlich und ich liebe es, dass es sich immer weiter und weiter ausdehnt. Genauso wie mein Zwerchfell, wenn ich zum hundertsten Mal „Das Leben des Brian“ gucke.



TUC-Kekse sind kein Universum. Der Name steht nicht für „Tasteful Universe of Cracker“. Man kann allerdings fälschlicher Weise zu dieser Annahme kommen. Wie? Man nimmt so einen Keks in den Mund und innerhalb von Sekunden bläht er sich durch das Aufsaugen von Speichel auf und wandelt sich zu einem breiigen, salzigen Teig-Klumpen, dessen Masse dann aber durch Kaubewegung so sehr komprimiert wird, dass man sich kaum vorstellen kann, dass der Keks mal eine andere viel, viel größere Form hatte. Jeder, der die gleiche TUC-Keks-Sucht hat wie ich, weiß auch, dass es genau genommen kein Singular von TUC-Keksen gibt. Isst man einen, isst man alle. Das lässt sich ganz einfach dadurch beweisen, dass sich zwischen diesem und dem vorangegangenen Satz fünf TUC-Kekse in meinem Mund ausgedehnt und zusammengezogen haben. Doch wie jeder, der dem salzigen Teig-Brei genauso erlegen ist wie ich, weiß: Irgendwann ist die Packung zu Ende. Und das ist sie immer viel zu schnell. TUC-Kekse sind nicht unendlich. Es gibt kein TUC-Universum (TUCU). Das macht nicht nur das Krümelmonster, sondern auch mich sehr traurig.



Rein hypothetisch: Wenn es ein Keks-Multiversum gäbe, dann würde ich in einem von vielen Keks-Paralleluniversen Prinzenrolle essen, während ich mich an allgemeiner Britishness aufgeile. Gäbe es ein Keks-Humor-Kontinuum-Multiversum, würde ich vielleicht irgendwo mit Leibniz-Butterkeksen über Al Bundy lachen oder mit Löffelbiskuit Adam-Sandler-Filme gucken oder mit Lebkuchen im Mund zu „Stromberg“ lachflashen, ohne David Brent zu kennen.



Wer mich kennt, weiß, dass so etwas nicht passieren würde. Deshalb verabschiede ich mich mit einer neuen Packung TUC-Kekse und schaue „The Office“.






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