Maischberger hinter Gittern
Links ein Räuber, rechts ein Mörder: Statt in gemütlichen Studiosesseln hatte Sandra Maischberger zwischen ihren Gästen auf harten Holzstühlen Platz genommen. Und das mitten im Hochsicherheitsgefängnis Werl - dort, wo laut Gefängnisdirektor Michael Skirl «die ganz schweren Jungs» sitzen.
Sexualverbrecher, Mörder, Drogen- und Menschenhändler verbüßen in der JVA Werl ihre Strafe - 160 bis 180 von ihnen lebenslang. Doch Skirl legt Wert darauf, dass «alle hier drin Menschen sind - und zwar auf beiden Seiten der Gitter».
Wärter und Gefangene also waren um Sandra Maischberger versammelt - Menschen, wie jeden Dienstag, nur mit dem kleinen Unterschied, dass diesmal die Moderatorin bei ihren Gästen zu Gast war. Während im Hintergrund Knastbetrieb mit rasselnden Schlössern und knallenden Türen ablief, bat Maischberger zur Diskussion: «Hinter Gittern - Strafe, Sühne, Reue?».
Vor der handfesten Kulisse gab es keine großen Ausflüge auf die Meta-Ebene, dafür aber reichlich Praxisbezug. Drei Häftlinge plauerten freimütig aus dem Nähkästchen. Ralf Ludwig etwa, der wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und die JVA Werl nie wieder verlassen wird. Emotionslos schilderte er den Mord an seiner Frau. Die Moderatorin ließ sich davon nicht beirren und konnte dem verschlossenen Mann schließlich auch selbstkritische Worte entlocken: «Ich saß schon mal wegen Totschlag, hab aber damals alle Therapieangebote abgelehnt - ein großer Fehler». Seit vier Jahren lernt Ludwig, seine Aggressionen in den Griff zu bekommen.
Geht es den Häftlingen zu gut?
Damit war die Moderatorin bei ihrer Kernfrage nach dem Sinn der Haft angelangt. Innere Läuterung oder Schuldausgleich - Gefängnisdirektor Skirl schaffte den Spagat zwischen beiden Polen: Zwar sei die Strafe als Sühne für die Tat gedacht, «aber im Vollzug wollen wir den Gefangenen helfen, nach der Entlassung ein Leben in sozialer Verantwortung zu führen».
Der Aufwand, den man dazu treibt, mag manchem übertrieben erscheinen: Vielfältige Therapiemöglichkeiten, ein großzügiges Sportangebot und gut ausgestattete Zellen - für die Einrichtung des Hochsicherheitsknastes müsste sich auch ein besseres Hotel nicht schämen. Wären da nicht dicke Stahltüren und drückende Enge: Gerade mal sieben bis elf Quadratmeter misst eine Zelle, die sich oft zwei Häftlinge teilen.
Auch deshalb wies Gefängnisarzt und Tatort-Schauspieler Joe Bausch den Vorwurf zurück, es gehe den Gefangenen zu gut: «Resozialisierung ist doch der Auftrag». Vielen Gefangenen tue der geregelte Tagesablauf gut - «sie lernen, ihre Freizeit sinnvoll zu nutzen».
Ex-Hells-Angel lernt jetzt kochen
Bei Jörg Adolphs scheint dieses Konzept gewirkt zu haben: Der bullige Mittvierziger verbüßt neuneinhalb Jahre wegen mehrerer brutaler Raubüberfälle, ein Opfer wurde zum Beispiel nackt und gefesselt im Schrank zurückgelassen. In der Haft hat der ehemalige Hells Angel eine Kochlehre begonnen. Adolphs ist sich sicher: «Auch wenn ich wieder draußen bin, werde ich weiter kochen».
Wenn man überhaupt wieder raus kommt: Joachim Bartsch hätte eigentlich bis zu seinem Lebensende drinbleiben müssen. In Sicherheitsverwahrung. Dabei wirkt der 65-Jährige gar nicht wie eine gemeingefährliche, aggressive Zeitbombe - mit Glatze, Schnauzer und Turnschuhen hätte man den hageren Ex-Knacki eher für einen harmlosen Schrebergartenrentner gehalten.
Bartsch resümierte sein Leben so trocken, dass selbst die ansonsten sehr souveräne Moderatorin einen Moment lang sprachlos war: «Von Reue kann keine Rede sein - meine Überfälle hatte ich ja sorgfältig geplant». Leid tat es ihm allenfalls um die vergeudete Lebenszeit: Insgesamt 29 Jahre hat Bartsch hinter Gittern verbracht - entlassen wurde er nur, weil der Europäische Gerichtshof die deutsche Praxis der Sicherungsverwahrung gerügt hatte.
Eine Entscheidung, die dem Gefängnisdirektor schwer im Magen lag: «Bei vielen, die wir entlassen mussten, war ich nicht überzeugt», grummelte Skirl. Joe Bausch scheint die Menschen auf der anderen Gitterseite weniger zu fürchten: Seit 24 Jahren wohnt der Gefängnisarzt direkt neben der JVA.
Mit außergewöhnlichen Ideen hat Sandra Maischberger ein heikles Thema beherzt angepackt: Knast statt Studio, Häftlingstalk statt Expertenmonologe - herausgekommen ist eine spannende und authentische Sendung.
(c) MapleLeaf 2011