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Ein Aushang - und seine (mögliche) Geschichte: Der Wurf danach.

Text: kapitel_3_1718
Bumslau ist ein hinlänglich unbekannter Stadtstaat, unauffällig gelegen zwischen Weissrussland und dem Baltikum. Wegen des sagenhaften Sexualtriebes seiner Einwohner muss jeder Bumslauer mit dem Erreichen des 30. Lebensjahres seine Heimat verlassen. Das liegt daran, dass die bumslaukanisch-orthodoxe Kirche in diesem Kulturkreis eine gewichtige Rolle spielt und neben betasoiden Nackthochzeiten und Tiertaufungen auch ein absolutes Verhütungsverbot als Voraussetzung einer funktionierenden Zivilgesellschaft definiert hat.

Überbevölkerung wurde deswegen ein großes Problem im flächenmäßig eher kleinen Bumslau, ergo mussten die Erwachsenen per Dekret Platz schaffen für den Nachwuchs und auswandern.

So auch Irina und ihr gerade 30 Jahre alt gewordener Ehemann Jiri. Bumslauer mit Leib und Seele, verhaftet in den Traditionen ihres Volkes, die auch besagen, dass der jüngere Ehepartner dem Älteren zu folgen hat.

Die Wahl der beiden fiel auf Berlin, denn dort - so war zu hören - sollten die Menschen ganz besonders aufgeschlossen und tolerant sein. Da Bumslau neben einem beispiellosen Netz an fünfsprachig ausgerichteten Kindertagesstätten auch über ein fantastisches Ausbildungssystem verfügte, war es für Jiri und Irina kein Problem, aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.

Jiri fand sehr rasch eine Anstellung als Applikations-Programmierer bei Ebay, während Irina ebenso zeitnah in der Forschungsabteilung des Viagra-Pharmazeuten Pfizer unterkam.

Und das Beste war: Im Ausland stand es jedem Bumslauer frei, nach Belieben zu verhüten. Denn die strengen kirchlichen Gesetze galten nur innerhalb der Grenzen des Stadtstaates. Zu den acht Kindern, die beide mittlerweile schon hatten und zurücklassen mussten, sollten also vorerst keine weiteren mehr hinzukommen. Das machte vor allem die ansonsten kinderliebe Irina froh, denn acht Geburten innerhalb von zehn Jahren bedeuteten schon ziemliche Strapazen.

Schnell fanden beide eine schöne Vorderhaus-Wohnung in Friedrichshain und arrangierten sich auch zeitnah mit regionalen Gepflogenheiten wie zum Beispiel der Tatsache, dass ein Berliner in Berlin Pfannkuchen heisst, ausserhalb von Berlin aber Berliner. Oder das man sich in Deutschlands Hauptstadt damit rühmt, Wurst ohne Darm zu essen.

Eine alte bumslauer Tradition schien sich aber bislang noch nicht bis nach Berlin herumgesprochen zu haben: Der Wurf danach.

Jeder Bumslauer feierte nämlich einen erfolgreichen Koitus, indem er unmittelbar darauf einen Gegenstand aus dem Fenster des zum Beischlaf genutzten Zimmers warf. Kleidung, Möbel, Bücher - alles war nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht.

Dieser spezielle und Aussenstehende oft verschreckende Ritus lässt sich bin ins Mittelalter zurückverfolgen. Als besonderer Ausweis der Potenz eines Bumslauers galt seit jeher die Masse und Größe an Gegenständen, die sich vor seinem Haus auf dem Bürgersteig befand. Vor allem an Klavieren oder ganzen Einbauküchen liefen die Mitmenschen mit einen ganz besonders anerkennenden Nicken vorbei. Unvergessen und über Generationen überliefert wurde hierbei immer wieder die Geschichte des legendär potenten Dimitri, der es einstmals schaffte, sein gesamtes Haus aus einem Fenster seines Hauses zu werfen.

Wegen dieser Eigenart liefen Bumslauer zur Vermeidung von Verletzungsgefahr übrigens auch nie auf dem Bürgersteig, sondern grundsätzlich auf der Straße.

In Berlin war das freilich anders, was Jiri und Irina schon bald erfahren mussten. Nichts schlimmes denkend, warf Jiri nach einer wie üblich erfolgreichen Korpulation direkt mal den Nachttisch aus dem Fenster, was von unten allerdings postwendend mit einem markerschütternden Kreischen kommentiert wurde. Schnell eilten Jiri und Irina ans Fenster um zu sehen, was wohl geschehen sein mag. Und zum Erschrecken der beiden begrub der Nachttisch eine sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindliche Katze unter sich. Das hatten die beiden nicht gewollt und waren sehr traurig!

Wie konnte man aber ein solches Unglück in Zukunft vermeiden, ohne von der eigenen Tradition ablassen zu müssen? Da kam Irina eine Idee, die zwar gut gemeint war, aber zu weiteren Problemen führen sollte.







Der Aushang ist echt und wurde in Berlin entdeckt. Die Geschichte dazu habe ich erfunden.

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