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Lebenswert: mein Palästinensertuch
In Jerusalem, wo ich meins vor fünf Jahren gekauft habe, heißt das Palästinensertuch "Kefiyeh" und wird gern von alten Männern und steinewerfenden Jungs getragen.
Hier in Deutschland heißt es "Arafat-Feudel" oder liebevoll "Palituch" und ist längst aus der Mode gekommen. Früher trug es jeder "echte" Linke, um sich auf diversen Demos vor Tränengas zu schützen, heute nur noch wenige Punks und ein paar zeitlich Steckengebliebene. So wie ich.
Mein Palästinensertuch und ich sind unzertrennlich. Inzwischen ist es ziemlich abgerissen, aber schließlich haben wir auch schon viel zusammen erlebt. Es schützte mich vor der Sonne im Sinai, vor herbstlichen Regen- und winterlichen Schneestürmen im kalten Deutschland, vor Schulzimmermief und Erkältung. Mal als Kopftuch, mal als Halstuch, mal als Mundschutz. Ich trocknete meinen vom Regen nassen Fahrradsattel damit, meine Hände, meine Haare, meine Tränen. Und wenn es dringend war, dann wischte ich mir auch mal die Nase damit ab. Ich konnte meine Glasbong darin einwickeln und sie so transportfähig machen, es war ein Kopfkissenbezug für verwanzte Hostels und eine dünne Decke in heißen Mittelmeernächten. Es war auf alles Schneespaziergängen dabei, auf denen ich mit meiner Freundin das Auf und Ab meiner Beziehung zu einem süßen Tunesier, den ich mir unter Dauereinsatz meines Palästinensertuches geangelt hatte, diskutierte.
Nur wenn ich nach Israel fliege, lasse ich mein Tuch zu Hause, ich will es dort aus verschiedenen Gründen nicht tragen. Was mich allerdings nicht daran hindert, mir fast jedes Mal ein neues zu kaufen. Nicht, daß ich mein altes je im Stich lassen würde. Das erste Ersatztuch, das ich kaufte, hing ein Jahr im Schrank, bis ich es mir zum ersten Mal um den Hals legte: anläßlich des 50. Hochzeitstages meiner Großeltern. Dann schenkte ich es meinem neunjährigen Cousin, der zu Fasching unbedingt als "arabischer Bettler" gehen wollte. Bei meinem dritten Israelbesuch verbot ich mir jeden Tuchkauf, aber beim vierten kam ich nicht darum herum, weil es im Winter doch sehr kalt wurde. Ich trug es nur ein einziges Mal: zu Weihnachten in Bethlehem und dann nie wieder.
Morgen ist es wieder soweit, ich steige in einen Flieger nach Tel Aviv. Und mein Palästinensertuch bleibt hier. Waschen sollte ich es vielleicht mal wieder. Damit es richtig schön schwarz-weiß ist, wenn ich heimkomme und nicht mehr so Großstadt-grau.
Im Gepäck habe ich eine Liste von Leuten, die alle ein "Palituch" mitgebracht kriegen wollen. Es wird wohl immer ein paar zeitlich Steckengebliebene geben...
Hier in Deutschland heißt es "Arafat-Feudel" oder liebevoll "Palituch" und ist längst aus der Mode gekommen. Früher trug es jeder "echte" Linke, um sich auf diversen Demos vor Tränengas zu schützen, heute nur noch wenige Punks und ein paar zeitlich Steckengebliebene. So wie ich.
Mein Palästinensertuch und ich sind unzertrennlich. Inzwischen ist es ziemlich abgerissen, aber schließlich haben wir auch schon viel zusammen erlebt. Es schützte mich vor der Sonne im Sinai, vor herbstlichen Regen- und winterlichen Schneestürmen im kalten Deutschland, vor Schulzimmermief und Erkältung. Mal als Kopftuch, mal als Halstuch, mal als Mundschutz. Ich trocknete meinen vom Regen nassen Fahrradsattel damit, meine Hände, meine Haare, meine Tränen. Und wenn es dringend war, dann wischte ich mir auch mal die Nase damit ab. Ich konnte meine Glasbong darin einwickeln und sie so transportfähig machen, es war ein Kopfkissenbezug für verwanzte Hostels und eine dünne Decke in heißen Mittelmeernächten. Es war auf alles Schneespaziergängen dabei, auf denen ich mit meiner Freundin das Auf und Ab meiner Beziehung zu einem süßen Tunesier, den ich mir unter Dauereinsatz meines Palästinensertuches geangelt hatte, diskutierte.
Nur wenn ich nach Israel fliege, lasse ich mein Tuch zu Hause, ich will es dort aus verschiedenen Gründen nicht tragen. Was mich allerdings nicht daran hindert, mir fast jedes Mal ein neues zu kaufen. Nicht, daß ich mein altes je im Stich lassen würde. Das erste Ersatztuch, das ich kaufte, hing ein Jahr im Schrank, bis ich es mir zum ersten Mal um den Hals legte: anläßlich des 50. Hochzeitstages meiner Großeltern. Dann schenkte ich es meinem neunjährigen Cousin, der zu Fasching unbedingt als "arabischer Bettler" gehen wollte. Bei meinem dritten Israelbesuch verbot ich mir jeden Tuchkauf, aber beim vierten kam ich nicht darum herum, weil es im Winter doch sehr kalt wurde. Ich trug es nur ein einziges Mal: zu Weihnachten in Bethlehem und dann nie wieder.
Morgen ist es wieder soweit, ich steige in einen Flieger nach Tel Aviv. Und mein Palästinensertuch bleibt hier. Waschen sollte ich es vielleicht mal wieder. Damit es richtig schön schwarz-weiß ist, wenn ich heimkomme und nicht mehr so Großstadt-grau.
Im Gepäck habe ich eine Liste von Leuten, die alle ein "Palituch" mitgebracht kriegen wollen. Es wird wohl immer ein paar zeitlich Steckengebliebene geben...