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10 Monate Mexiko aus der Retrospektive I
Mexiko ist mein persönliches Absurdistan. Wenn ich zurück denke, sehe ich lächelnde Menschen, farbenfrohe Trachten, bekiffte Hippies und Mexikaner im Cowboy Outfit mit riesen Pick-ups. Ich höre mexikanische Schnulzen, Feuerwerk und Hundegebell. Ich rieche Tacos, Hamburger, Abgase und den stechenden Geruch von Mezcal.
In Mexiko ticken die Uhren anders. Das sehe ich allein schon an meinem Freund. Alles was er macht, mache ich dreimal so schnell. Manchmal lasse ich ihn deswegen nicht zum Zug kommen. Er sieht mich sowieso als eine Art Alice Schwarzer, auch wenn er sie nicht kennt, aber mexikanische Frauen sind anders. Mexikanische Frauen würden ihm nie eine Ansage machen und schon gar nicht direkt. Direkt geht in Mexiko gar nichts, vielleicht könnte man es dort sogar als Unwort einführen. Dagegen ist "durch die Blume" die Nummer-Eins-Kommunikationsform. Das vermisse ich an Deutschland, wenn ich in Mexiko bin. Ich kann nicht "durch die Blume". Dazu bin ich zu deutsch. Ausserdem bin ich für Mexiko auch sehr ordentlich - oder nennt man das strukturiert? Mexikanische Häuser sind für mich ein Chaos. Sie sind eigentlich nie fertig. Ein Haus, das fertig ist, gehört bestimmt jemandem aus der Oberschicht. Das Haus meiner "Schwiegereltern" ist seit 16 Jahren ein Rohbau. Jetzt in der Rente baut mein Schwiegervater weiter am Haus. Er fängt mal dies und mal jenes an und fertig macht er nichts. Im ganzen Haus verteilt findet man Kartons mit Fliesen, die vermutlich niemals gelegt werden. Vorher muss das zweite Stockwerk gebaut werden. Das macht mein Schwiegervater alleine. Dass er das jemals schaffen wird, ist stark zu bezweifeln.
Für mich sind Mexikaner immer noch ein Rätsel. Was ich weiss: Mexikaner mögen es bunt, laut und langsam. Schnell geht sowieso nicht, nicht mal auf der Autobahn. Man kann Dinge beschleunigen. Mexiko ist arm und seine Einwohner verdienen schlecht. Bestechung ist gang und gäbe. Polizisten freuen sich über jeden kleinen Zuverdienst. Auch der mexikanische Grenzbeamte hat sich damals über meine 500 Pesos (ca. 30 Euro) gefreut, die mir die problemlose Ausreise nach Guatemala ermöglichten nachdem ich mein Visum überzogen hatte.
Ausserdem essen Mexikaner gerne und finden europäischen Käse widerlich während Ameisen und Heuschrecken ganz normale Lebensmittel sind. "Gordo" (Dicker) ist in Mexiko kein Schimpfwort, sondern ein ganz normaler Spitzname. Und bei einer Feier nicht zu essen, ist unhöflich. In Deutschland hätte ich nie Dinge gegessen, die mir nicht schmecken. In Mexiko musste ich da durch. Ich hasse Mole (Bratensauce mit Kohlegeschmack) und bei Chicharon (frittierte Schweinehaut) hört es schliesslich ganz auf. Erstaunlich, was man sich alles runterwürgen kann, wenn man höflich sein will. Schliesslich hat man ja auch irgendwie Verantwortung. Man repräsentiert die Deutschen. Nicht immer, aber in manchen Fällen, wie z.B. bei Leuten, die noch nie mit Europäern oder Deutschen zu tun hatten.
Viele Mexikaner sind von mir begeistert. Wenn sie denken, ich verstehe sie nicht, höre ich Sachen wie "die hat ein Gesicht wie eine Puppe" oder "schau dir mal die Augen an". Tagtäglich werde ich von Männern mit "Adios guera" auf der Strasse gegrüsst. Anfangs war es etwas seltsam, vor allem, weil ich nicht wusste, was Guera bedeutet. Da es aber nur so viel wie Blondine heisst und nichts abschätziges ist, konnte ich es akzeptieren. Viele Mexikaner wollen mit mir reden, einige würden auch mehr wollen. Seit ich einen Freund habe, ist zumindest das leichter geworden. Übrig bleiben die wirklich schönen Dinge. Ich freue mich jedes mal sehr, wenn mich alte Menschen auf der Strasse grüssen. Das gibt mir das Gefühl, mehr zur Gesellschaft zu gehören und nicht mehr nur Tourist zu sein. Vielleicht nur Einbildung, aber mir gefällt's. Mir gefällt es mit den Indigenas auf dem Markt zu verhandeln, besonders wenn sie mich nach abgeschlossenem Geschäft mit ihren Goldzähnen angrinsen. Das Beste aber ist, den Marktgang ohne Kommunikationsschwierigkeiten überstanden zu haben, dann fühle ich mich angekommen in Mexiko.
Oder wenn wieder mal jemand mein mexikanisches Spanisch auf die Probe stellen will und mit Slang wie "Que pedo, güey" kommt, mich ansieht und einen hilflosen Gesichtsausdruck aufgrund sprachlicher Orientierungslosigkeit erwartet, wenn ich es dann verstehe, fühle ich mich wie die Königin von Mexiko.
Manchmal hilft mir aber auch mein Spanisch nicht. Ich spreche etwas in einwandfreiem Spanisch aus und die Leute verstehen mich nicht. Nach einem gemeinsamen Marktbesuch meinte die Nichte meines Freundes, dass viele Mexikaner nicht erwarten, dass ich Spanisch spreche und mich vielleicht deshalb nicht verstehen - oder verstehen wollen.
Fortsetzung und Bild folgen....
In Mexiko ticken die Uhren anders. Das sehe ich allein schon an meinem Freund. Alles was er macht, mache ich dreimal so schnell. Manchmal lasse ich ihn deswegen nicht zum Zug kommen. Er sieht mich sowieso als eine Art Alice Schwarzer, auch wenn er sie nicht kennt, aber mexikanische Frauen sind anders. Mexikanische Frauen würden ihm nie eine Ansage machen und schon gar nicht direkt. Direkt geht in Mexiko gar nichts, vielleicht könnte man es dort sogar als Unwort einführen. Dagegen ist "durch die Blume" die Nummer-Eins-Kommunikationsform. Das vermisse ich an Deutschland, wenn ich in Mexiko bin. Ich kann nicht "durch die Blume". Dazu bin ich zu deutsch. Ausserdem bin ich für Mexiko auch sehr ordentlich - oder nennt man das strukturiert? Mexikanische Häuser sind für mich ein Chaos. Sie sind eigentlich nie fertig. Ein Haus, das fertig ist, gehört bestimmt jemandem aus der Oberschicht. Das Haus meiner "Schwiegereltern" ist seit 16 Jahren ein Rohbau. Jetzt in der Rente baut mein Schwiegervater weiter am Haus. Er fängt mal dies und mal jenes an und fertig macht er nichts. Im ganzen Haus verteilt findet man Kartons mit Fliesen, die vermutlich niemals gelegt werden. Vorher muss das zweite Stockwerk gebaut werden. Das macht mein Schwiegervater alleine. Dass er das jemals schaffen wird, ist stark zu bezweifeln.
Für mich sind Mexikaner immer noch ein Rätsel. Was ich weiss: Mexikaner mögen es bunt, laut und langsam. Schnell geht sowieso nicht, nicht mal auf der Autobahn. Man kann Dinge beschleunigen. Mexiko ist arm und seine Einwohner verdienen schlecht. Bestechung ist gang und gäbe. Polizisten freuen sich über jeden kleinen Zuverdienst. Auch der mexikanische Grenzbeamte hat sich damals über meine 500 Pesos (ca. 30 Euro) gefreut, die mir die problemlose Ausreise nach Guatemala ermöglichten nachdem ich mein Visum überzogen hatte.
Ausserdem essen Mexikaner gerne und finden europäischen Käse widerlich während Ameisen und Heuschrecken ganz normale Lebensmittel sind. "Gordo" (Dicker) ist in Mexiko kein Schimpfwort, sondern ein ganz normaler Spitzname. Und bei einer Feier nicht zu essen, ist unhöflich. In Deutschland hätte ich nie Dinge gegessen, die mir nicht schmecken. In Mexiko musste ich da durch. Ich hasse Mole (Bratensauce mit Kohlegeschmack) und bei Chicharon (frittierte Schweinehaut) hört es schliesslich ganz auf. Erstaunlich, was man sich alles runterwürgen kann, wenn man höflich sein will. Schliesslich hat man ja auch irgendwie Verantwortung. Man repräsentiert die Deutschen. Nicht immer, aber in manchen Fällen, wie z.B. bei Leuten, die noch nie mit Europäern oder Deutschen zu tun hatten.
Viele Mexikaner sind von mir begeistert. Wenn sie denken, ich verstehe sie nicht, höre ich Sachen wie "die hat ein Gesicht wie eine Puppe" oder "schau dir mal die Augen an". Tagtäglich werde ich von Männern mit "Adios guera" auf der Strasse gegrüsst. Anfangs war es etwas seltsam, vor allem, weil ich nicht wusste, was Guera bedeutet. Da es aber nur so viel wie Blondine heisst und nichts abschätziges ist, konnte ich es akzeptieren. Viele Mexikaner wollen mit mir reden, einige würden auch mehr wollen. Seit ich einen Freund habe, ist zumindest das leichter geworden. Übrig bleiben die wirklich schönen Dinge. Ich freue mich jedes mal sehr, wenn mich alte Menschen auf der Strasse grüssen. Das gibt mir das Gefühl, mehr zur Gesellschaft zu gehören und nicht mehr nur Tourist zu sein. Vielleicht nur Einbildung, aber mir gefällt's. Mir gefällt es mit den Indigenas auf dem Markt zu verhandeln, besonders wenn sie mich nach abgeschlossenem Geschäft mit ihren Goldzähnen angrinsen. Das Beste aber ist, den Marktgang ohne Kommunikationsschwierigkeiten überstanden zu haben, dann fühle ich mich angekommen in Mexiko.
Oder wenn wieder mal jemand mein mexikanisches Spanisch auf die Probe stellen will und mit Slang wie "Que pedo, güey" kommt, mich ansieht und einen hilflosen Gesichtsausdruck aufgrund sprachlicher Orientierungslosigkeit erwartet, wenn ich es dann verstehe, fühle ich mich wie die Königin von Mexiko.
Manchmal hilft mir aber auch mein Spanisch nicht. Ich spreche etwas in einwandfreiem Spanisch aus und die Leute verstehen mich nicht. Nach einem gemeinsamen Marktbesuch meinte die Nichte meines Freundes, dass viele Mexikaner nicht erwarten, dass ich Spanisch spreche und mich vielleicht deshalb nicht verstehen - oder verstehen wollen.
Fortsetzung und Bild folgen....