Der Glaube, es gäbe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste Selbsttäuschung. P. Watzlawick
Watzlawicks These ist interpretierbar in einen generellen Wahnsinn aller Menschen, jeder habe seine eigene, gegeneinander unabhängige Wirklichkeit, und wer auf eine allgemeinverbindliche Unwiderlegbarkeit bestehe, sei auch irre. Jede Weltinterpretation, kommunistisch, paranoid, depressiv sei gleichwertig, alles sei Norm. Dem widerspreche ich aber zutiefst. Es gibt einen Unterschied zwischen Pessimismus und Depression; und psychisch Kranke haben ein Recht auf Zwangsbehandlung, aus ihrem Wahn herausgeführt zu werden. Gegner dieser Vorgehensweise fordern Eigenverantwortlichkeit von jenen, deren Problem es ist, dies nicht zu vermögen. Die Freiheit von Weltinterpretation ist selbstverständlich, Extremismus und Paranoia sind als krankhaft davon zu unterscheiden, Übergänge sind fließend, Grenzen sind immer schwammig.
Aus Unkenntnis Watzlawicks Gesamtwerk ist es mir unmöglich, ob die Intention des Satzes die genannte Extreme, oder mehr eine Gemäßigte ist, nämlich die Liberalität der Gesinnung.
Im Bezug auf den Film "A Buatiful Mind" über den Mathematiker Nash ist festzustellen, dass er seine Wirklichkeit zensiert, sie der Wahrnehmung seiner Umwelt angleicht. Das ist die Voraussetzung, um mit seinen Mitmenschen zu interagieren; gegeben, jeder von ihnen habe seine eigenen Wahnvorstellungen, die gegenseitig völlig unabhängig, ist eine Kommunikation unmöglich.
Der Mensch braucht also, um ein wichtiges anthropologisches Merkmal seiner selbst zu vollstrecken, eine einigermaßen einander entsprechende Wirklichkeit.
Hier setzt Watzlawick ein und warnt vor zu viel Übereinstimmung, diese führe zu einer „gefährlichen Selbsttäuschung“. Was ist das? Sich selber anzulügen scheint keinen Sinn zu ergeben, nur im Zusammenhang einer allmächtigen Ideologie nachvollziehbar, der alles um jeden Preis entsprechen muss; wenn ein Versagen der Maximen nachteiliger ist als der Betrug am eigenen Verstand.
Demzufolge mahnt Watzlawick diejenigen, die auf eine allzu penibel parallele Wirklichkeit pochen.
Aber was heißt „allzu penibel“? Oben stelle ich fest, Demarkationslinien sind immer undeutlich, da es nur in der Mathematik schwarz und weiß gibt, und nicht einmal da; z.B. zwei aufeinanderzulaufende aber sich nie berührende Parallelen. Menschen sind nie völlig auf der einen oder anderen Seite, sondern nur mit größerem Anteil. Zum Punkt, es geht um die Schranke zwischen Wahn und Phantasie, folgend nicht zu definieren. Eine Möglichkeit der Grenzziehung ist die Normabweichung, ich halte sie jedoch für unzulässig, da Durchschnittswerte, besonders was das Menschliche angeht, meist temporär und konstruiert sind. Stattdessen plädiere ich dafür, den Maßstab des sich schadens anzulegen, aber wichtig: Jemand, der sich oder seinen Mitmenschen schadet (z.B. Nash seinem Kind, als er es tatsächlich unbeaufsichtigt in der Badewanne lässt) aber nicht jemand, dem aufgrund seiner Andersartigkeit zur wahrgenommenen Mehrheit geschadet wird (z.B. einen Schwarzen den Weiße Rassisten anfeinden).
Also wer schadet, was eine ein wenig, jedoch nicht viel deutlichere Kategorie ist: Wer beurteilt, ob es schlimmer ist, weiter, wenn nötig entfernt von der Außenwelt, um diese nicht zu verunstalten, im Wahn zu leben oder aus ihr herausgerissen zu werden, zumal der Betroffene im Entscheidungsmoment unmündig ist?
Aber ich denke, soweit geht das Zitat originärerweise nicht; Watzlawick will die grundsätzliche Anerkennung jedes seins, jeder Wirklichkeit und als Ergebnis von Wahrnehmung, als Produkt individueller Ideologie; und damit Wirklichkeit als individuell (positive Interpretation, Negative siehe oben).