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Das „Wunder von Adenau“

Text: ManfredSchlosser

Das „Wunder von Adenau“



 Unser erstes Familienauto war ein klassisch schwarzer DKW 700 Zweitakter, also noch eine Nummer kleiner als der damals übliche DKW 3/6.



 Eines Tages Mitte der 50er Jahre  präsentierte unser Vater Theo Schloßer uns, seiner Familie, dieses Unikum von Auto, dessen Erwerb er sich von seinem Lohn auf dem Pütt unter Tage auf der Zeche Emscher-Lippe in Datteln abgespart hatte.



Schon auf der Probefahrt machte das Vehikel ziemliche Mucken und blieb gleich im Münsterland liegen. Der mitfahrende Besitzer und mein Vater konnten das Problem anscheinend jedoch lösen. Mir blieb davon noch der Geschmack einer herzhaften groben Leberwurst in Erinnerung, die es auf einem Butterbrot in einem Landgasthof für uns „Blagen“ gab, während die Erwachsenen am DKW-Motor rumbastelten. Trotzdem hatte mein Vater sich für den Kauf entschieden: der DKW wurde unsere erste „Familienkutsche“, mit der wir dann auch auf große Fahrt gingen. 



 In den 50er Jahren war es viel schwieriger als heute, unsere Verwandten im Saarland mit dem Auto zu besuchen.



Denn meine 2002 verstorbene Mutter Rosel war Saarländerin, und sorgte dafür, dass mein Blut halb westfälisch und halb saarländisch wurde. So fuhren wir in den 50er Jahren noch über eine richtige Grenze ins Saarland, das bis zum sogenannten Tag X, dem 06.07.1959, als französische Besatzungszone noch eigenes Geld und eigene Briefmarken hatte.



Damals gab es kaum Autobahnen, so tuckerten wir über Landstraßen entweder über die Eifel oder über den Hunsrück zum Saarland.



Mit diesem unserem ersten PKW fuhr mein Vater Theo mit meiner Mutter, meinem älteren Bruder Sigi und mir dieses eine spezielle Mal 1957 über die Eifel zum Saarland.



 Bei Adenau packte Theo auf einmal der Übermut: „Warum sollen wir nicht auch mal über den Nürburgring fahren?“



Gesagt, getan, rauf auf die Rennbahn...



Der Nürburgring war zu bestimmten Zeiten für den Privat-Verkehr gegen eine gewisse Gebühr freigegeben. Dort herrschte natürlich Einbahnstraßen-Verkehr. Mich erstaunte, dass so viele Steigungen das rasante Rennen bremsten, vor allem, als unser DKW auf einmal anfing, zu husten und zu spotzen und nicht mehr recht weiter wollte. Ein hilfreicher Isetta-Fahrer hielt an und diagnostizierte schnell, dass einer der beiden Zylindertöpfe unseres Zweitakters ausgefallen war. Da war guter Rat teuer: auf einem Topf lief das Auto zwar, kam aber nicht die geringste Steigung hoch. Und zurückfahren war verboten: da Einbahnstraße.



Die Lage schien aussichtslos...!? Als kleiner Bub stand ich heulend am Straßenrand und dachte: „Wir sind verloren!“ Auch der Isetta-Fahrer, der bei einer erneuten Schleife noch mal hilfsbereit bei uns anhielt, wusste keinen Rat mehr.



Aber mein Vater Theo war kreativ und bei schwierigen Fällen super im Improvisieren: also flüchteten wir vom Nürburgring! Und das ging so: meine Mutter Rosel musste den Maschendraht-Zaun der Umzäunung runter drücken. Theo fuhr den DKW mit Anlauf quer über die Straße über den Maschendraht-Zaun, riss dabei das hintere Nummernschild ab, aber wir waren vom Ring erfolgreich geflüchtet. Dahinter hoppelten  wir querfeldein mit dem DKW über ein unbebautes Feld bis zum nächsten Dorf, wo uns eine Reparaturwerkstätte erst einmal aushelfen konnte. Wir waren gerettet und erlebten so nach dem „Wunder von Bern“ 1954 das zweite Wunder der 50er Jahre: das „Wunder von Adenau!“



Nachdem wir es auf seiner letzten Fahrt mit dem ollen schwatten DKW gerade eben noch vom Saarland nach Westfalen zurück geschafft hatten, schaute sich Theo nach einer besseren Familienkarosse um. Der neue blaue VW-Käfer war Ende der 50er Jahre das Nonplusultra an Zuverlässigkeit  und sollte unsere Familie kreuz und quer durch Europa fahren...



 



 






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