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Die Männer-WG

Text: freibier
Eine Männer-WG zeichnet sich vor allem durch drei Dinge aus:

1. es wohnen keine Frauen darin, und falls doch, dann selten länger als ein, zwei Nächte.


Eine Männer-WG zeichnet sich vor allem durch drei Dinge aus:

1. es wohnen keine Frauen darin, und falls doch, dann selten länger als ein, zwei Nächte.

2. es herrscht eine eher zweckgebundene Hygiene, insofern überhaupt eine herrscht, was auch Punkt eins erklärt.

3. auch wenn nichts zu essen im Haus ist, so gibt es doch immer Bier.



Folgende Geschichte hat sich in einer solchen Männer-WG zugetragen.

In meiner Heimatstadt, gibt es in der Marktstraße im Altstadt-Viertel ein Haus, das zwar genauso alt wie die anderen Häuser ist, aber sehr viel älter aussieht. Genaugenommen ist es eine Bruchbude, die nur deshalb noch nicht abgerissen wurde, weil irgendein Verrückter es schon vor geraumer Zeit unter Denkmalschutz gestellt hatte. Das und die Tatsache, daß die Züge, die Tag und Nacht hinter dem Haus vorbeirauschen, dieses jedesmal so erbeben lassen, das der Putz von der Decke fällt, erklärt den erstaunlich geringen Mietpreis und macht es somit zu einem perfekten Haus für Wohngemeinschaften. Natürlich ist das Leben dort auch mit gewissen Risiken verbunden. Die morschen Dielen im Treppenhaus zum Beispiel, machen das Betreten und Verlassen des Hauses jedesmal aufs neue zu einem atemberaubenden Abenteuer. Gerüchten zufolge gibt es auch einen Hausmeister, der das in Ordnung bringen könnte, aber von den Leuten die dort wohnen hat ihn noch nie jemand gesehen.

Im 3. stock befindet sich die heruntergekommenste und somit billigste Wohnung. Letztes Jahr wohnten dort Chrischtl, Joschi und Paul, und das hier ist ihre Geschichte.

Wie jeder junge Mann in meiner Heimatstadt verbrachten Chrischtl, Joschi und Paul ihre Abende in der Gaststätte Adler. Eigentlich verbrachten sie fast jeden Abend dort, aber das ist eine andere Geschichte. Der Adler ist das was man wohl als eine üble Spelunke bezeichnet, und genau das macht ihn zu einem äußerst beliebten Treffpunkt für Studenten die gerne Penner, und Penner die gerne Studenten wären. Unsere Helden zählten zur ersten Gruppe, obwohl ihr Studium seit 2 Jahren keine merklichen Fortschritte aufwies. Sie taten eigentlich nichts, aber das taten sie gut.



Dennoch waren ihre Eltern davon überzeugt, daß ihre Sprößlinge, strebsame Studenten waren. Das lag vor allem an einem ausgekügelten System von perfekt konstruierten Alibis, die man sich gegenseitig gab. So konnte es schon vorkommen, daß Chrischtl, sollte dessen Mutter anrufen, sich gerade am Lehrstuhl befand, um dort mit Professor Bauer fragen zur Finiten Mathematik zu diskutieren, obwohl er eigentlich in seinem Zimmer war und sich mit der hübschen Tochter des Professors beschäftigte. Oder das Paul, als sein Vater anrief um ihn zu seiner Kreditkarten-Abrechnung zu befragen, gerade auf einer auf einer Wahlkampfspenden-Veranstaltung der CDU ehrenamtlich Bier zapfte, obwohl es sich eigentlich eine Wahlkampf-Party der "Anarchistischen Pogo Partei Deutschland" am Abend zuvor gehandelt hatte, auf der Paul ehrenamtlich Unmengen an Freibier getrunken hatte, welches er gerade hingebungsvoll ins Klo kotzte. So floß immer Geld in die Kasse und niemand brauchte sich Sorgen zu machen.

Angeblich ist Lug und Betrug nicht der richtige Weg um sich auf den Ernst des Lebens vorzubereiten, aber das hatte ja auch keiner der drei vor, und sollte es mal ein Problem geben das sich nicht auf diese Art lösen ließ, so verschob man es und sagte: "Darüber mache ich mir morgen Sorgen!"

"Darüber mache ich mir morgen Sorgen!", antwortete Paul auf die Frage, was er gegen seine drohende Exmatrikulation unternehmen wollte. Sein Blick war auf einem wunderschönen Mädchen haften geblieben, das mit drei Freundinnen an einem Tisch in der anderen Ecke des Raumes saß, und nun zum wiederholten mal den Kopf in den Nacken warf und laut lachte. Die anderen folgten seinem Blick.

"Die Kleine zieh ich mir heut abend noch über den Kolben!" sagte er mit einem gewinnenden Lächeln um die Lippen. Zehn Minuten später saßen sie bei den Mädchen am Tisch und erkundigten sich ungemein interessiert nach ihren Studienfächern, politischen Ansichten und bevorzugten Schuhläden.

Am nächsten Morgen, so gegen 16.00 Uhr saßen die drei in ihrem Wohnzimmer und tauschten ihre Erlebnisse vom vorherigen Abend aus. Über ihnen an der Decke prangte ein lebensgroßes handsigniertes Plakat des Pornostars Gina Wild, das Joschi einmal vom Besuch einer Erotikmesse mitgebracht hatte und das mit der Widmung "Für meinen Hengst" versehen war.

"Und Alter, wie lief es bei dir gestern Nacht?" fragte Chrischtl Paul, der sich gerade abwechselnd den Schritt und den Kopf kratzte.

"Ach Scheiße, die wollte sich die ganze Zeit mit mir unterhalten, da bin ich abgehauen!" sagte der. Natürlich wußten die anderen, daß es eigentlich so gewesen war, daß sich Paul bevor er zum Angriff überging dermaßen viel Mut angetrunken hatte, daß seine gelallten Komplimente gänzlich ihr Ziel verfehlten und ihm das Objekt seiner Begierde zwar freundlich aber bestimmt einen Korb erteilte. "und bei dir?"

"Ach genauso!" sagte Chrischtl, und das entsprach auch der Wahrheit. " Und bei dir Joschi. Wollte auch nur reden, oder?"

"Nein, Jungs, bei mir nicht. Ich", er machte eine dramatische Pause, richtete sich auf und zeigte mit dem Finger auf seine Kumpels, "habe mich gestern Nacht verliebt!"

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